Die Grünen sind für Paderborner nun erste Wahl

Paderborn. Die einst für alle Zeiten sicher geglaubte politische Gewissheit vom schwarzen Paderborn ist endgültig am Ende: Bei der Europawahl am Sonntag haben die Paderborner gezeigt, dass sie auch anders können. Mit 29,3 Prozent hat fast jeder dritte Wähler in der Kernstadt diesmal sein Kreuzchen, nein, nicht beim traditionellen Dauerrivalen, den Sozialdemokraten, sondern bei den Grünen gesetzt. Für die CDU, schon seit Jahren unter Druck, langte es mit 26,6 Prozent in der Kernstadt nur für Platz 2. Und die Sozialdemokraten mussten sich mit historisch schlechten 13,8 Prozent und Platz drei begnügen. Wie konnte es zu diesem politischen Erdbeben kommen? Und was folgt daraus auch mit Blick auf die nächsten Kommunalwahlen im Herbst 2020? "Wir haben an die Grünen und an die AfD verloren, jetzt müssen wir noch härter arbeiten als sowieso schon", sagt Markus Mertens mit Blick auf die Wählerbewegungen der letzten Jahre. Die Folge, so der Vorsitzende der CDU-Fraktion, die im Rat schon seit Jahren keine absolute Mehrheit mehr hat: "Wir müssen die Haltung zu bestimmten Themen überdenken und wie wir sie in die verschiedenen Wählergruppen bringen können." Gemeint seien zum Beispiel Klimaschutz, Migration oder auch die umstrittene Urheberrechtsreform. Mertens: "Gerade beim Thema Umwelt werden wir unterschätzt." Überrascht durch eigenen Erfolg Umgekehrt wird Umweltschutz den Grünen als Kernkompetenz zugeschrieben. "Wir fühlen uns durch das Paderborner Ergebnis gestärkt. Aber es bedeutet auch Verantwortung", wertet Klaus Schröder, Sprecher der Bündnisgrünen im Rat, den Ausgang der Wahl. Als vorsichtiger Mensch habe er bundesweit auf gut 18, auf jeden Fall aber unter 20 Prozent getippt. Schröder: "Dass die Kernstadt Paderborn so eindeutig grün geworden ist, überrascht mich aber dann doch." Tatsächlich liegen die Grünen in fast sämtlichen Wahlbezirken der Kernstadt vorn - zum Teil mit Spitzenergebnissen von 36 Prozent in der Südstadt oder gar 38 Prozent im Riemekeviertel. Die Konsequenz daraus laute für die Ratsfraktion und die Paderborner Grünen, so Schröder: "Wir werden weiter versuchen, unsere Arbeit so gut wie möglich zu machen." Wichtig sei, nicht auf mögliche Prozente bei der nächsten Wahl zu schielen, sondern für Ziele zu kämpfen, die man als richtig erkannt habe. Dabei sei man nach wie vor mit allen Ratsfraktionen im Gespräch, betonte Schröder. Klimaschutz lokal auf dem Marienplatz Eines der heißesten Kernstadt-Themen ist dabei momentan die Haltung zum geplanten Stadthaus-Neubau mitsamt der Umgestaltung des Marienplatzes. Und wer global an Klimaschutz denkt, hat lokal schnell die zwölf ausgewachsenen Linden auf dem Marienplatz vor Augen, die dabei zur Disposition stehen. Sorgten bisher CDU, SPD und Linksfraktion mit ihrem Ja zum Stadthaus für die parlamentarische Legitimation, so hat die Diskussion um die Linden das Zeug, zu einem grundsätzlichen Umdenken zu führen. Den Grünen gerät der Neubau ohnehin zu groß, weshalb sie sich für das von Initiatoren aus den kleinen Fraktionen angestoßene Bürgerbegehren aussprachen. Nun könnte auch die SPD ins Wanken geraten - nicht zuletzt als Folge auf das bei der Europawahl dominierende Klimaschutzthema. Franz-Josef Henze, Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten: "Es war meine Bitte an den Bürgermeister, Fritz Buhr als Sprecher der Umweltverbände in den Projektbeirat zum Stadthaus und zur Gestaltung des Marienplatzes einzubeziehen. Der folgte der Bürgermeister zum Glück." Ob die Mehrheit der SPD-Fraktion für die Stadthaus-Pläne auch in Zukunft aber stehe, müsse nun intern noch einmal besprochen werden. Henze: "Ausgeschlossen ist nichts." Über den Absturz bei der Europawahl und seine Folgen würden die Sozialdemokraten noch lange nachdenken, sagt Henze. Es sei offenbar, dass die SPD mit ihren Kernthemen aus den Bereichen Arbeit, Wohnen und Soziales nicht durchgedrungen sei. Andererseits sei auch klar, dass in Zukunft mehr als das Thema Klimawandel wichtig sei. Panik helfe nun jedoch auch nicht weiter. Sein Motto: "Kopf hoch und weiter machen!" Afd hat auch ihre Hochburgen Eines der ebenfalls bemerkenswerten Resultate der Europawahl in Paderborn ist allerdings das Abschneiden der AfD. Trotz des insgesamt eher mäßigen Ausgangs schaffte sie es mit 22,2 Prozent in einem Paderborner Wahlbezirk im Stadtteil Auf der Lieth sogar an die Spitze. Lieth, Kaukenberg, aber auch Schloß Neuhaus, Sennelager und Sande sind AfD-Hochburgen. Offenbar kommen dort viele Stimmen für die Rechtspopulisten aus dem Milieu der Russlanddeutschen. "Es ist extrem schwierig, an die Menschen heranzukommen", sagt CDU-Sprecher Mertens. Gute Erfahrungen habe man immerhin mit dem Format der "Garagenwahlkämpfe" gemacht, durch das gezielt Nachbarschaften angesprochen würden. Mertens: "Da gibt es durchaus sehr kontroverse Diskussionen. Und hier ist jedes Ratsmitglied in Zukunft noch mehr gefordert."

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