Kreis Paderborn

40 Storchenpaare haben Brutversuche im Kreis Paderborn gestartet

Auch Brachvögel, Kiebitze und Rohrweihen brüten in den Feuchtwiesen

Michael Jöbges beim Beringen der jungen Störche. | © Bernd Schünemann

27.06.2017 | 28.06.2017, 13:07
Aufgeräumt: Michael Jöbges hat Plastikmaterial aus einem Nest entfernt. Die Tiere können sich beispielsweise in Bindegarn verheddern, das im Horst zur tödlichen Gefahr werden kann. - © Bernd Schünemann
Aufgeräumt: Michael Jöbges hat Plastikmaterial aus einem Nest entfernt. Die Tiere können sich beispielsweise in Bindegarn verheddern, das im Horst zur tödlichen Gefahr werden kann. | © Bernd Schünemann

Kreis Paderborn. Michael Jöbges hat sich eine luftige Aufgabe ausgesucht: Der Diplom-Biologe beringt junge Störche in Nordrhein-Westfalen. Im Kreis Paderborn hat der ehrenamtliche Mitarbeiter der Landesarbeitsgemeinschaft Weißstorch gut zu tun: Die Zahl der Brutpaare ist erneut gestiegen. 40 Paare haben zumindest einen Brutversuch gestartet, 30 davon haben zurzeit noch Jungvögel im Nest. Gemeinsam mit Gerhard Lakmann, dem Geschäftsführer der Naturschutz-Stiftung Senne, und Alfons Kerkemeier war Jöbges im Raum Delbrück und Salzkotten unterwegs. Bis auf drei Brutpaare, die in Hövelhof, Marienloh und Schloss Neuhaus siedeln, haben 37 Paare ihre Nester auf dem Gebiet dieser beiden Städte gebaut.

Die Naturschutz-Stiftung Senne unterstützt mit einem Projekt den Schutz der Weißstörche im Kreis und organisiert seit Jahren die Beringung. Für die Aktion hatte die Stiftung einen Hubsteiger organisiert. Mit dem fährt Jöbges hinauf zu den Nestern in etwa zehn Metern Höhe. Der Biologe, der hauptberuflich bei der Vogelschutzwarte Nordrhein-Westfalen im Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz in Recklinghausen arbeitet, kontrolliert zunächst den Gesundheitszustand der Tiere. Dann legt er ihnen Ringe an den Beinen an. Gleichzeitig sieht er in den Horsten nach dem Rechten. Denn immer wieder bauen die Eltern Kunststoffe (zum Beispiel Bindegarn) in die Nester ein, die den Jungstörchen gefährlich werden können. So hat der Biologe schon manchen Jungvogel aus Kunststoff-Fäden „ausgewickelt", die später dazu geführt hätten, dass die Tiere im Horst verenden. Auch Plastikplanen werden manchmal eingebaut. Durch sie droht die Gefahr, dass Regenwasser nicht ablaufen kann und das Nest Schaden nehmen könnte.

Gleichzeitig schafft der Hubsteiger die Möglichkeit, dass auch die Menschen, auf deren Grundstück die besiedelten Nisthilfen stehen, einen Blick in das Nest werfen können. Sie freuen sich besonders, wenn sie sich aus erster Hand ein Bild von der Entwicklung „ihrer" Störche machen können, weiß Lakmann aus der Erfahrung mehrerer Beringungsaktionen. Bei dem Hubsteiger-Einsatz erhielten 39 Jungvögel in 15 Nestern diese individuelle Markierung. Mehr Vögel konnten in diesem Jahr nicht beringt werden, weil die Zahl der Ringe der Vogelwarte begrenzt ist, erklärt Jöbges. Für diese Arbeit hat er die Erlaubnis und Qualifikation der Vogelwarte Helgoland. Das kalte Wetter im April, vor allem aber die Trockenheit im Mai führten dazu, dass nicht alle Jungstörche überlebten. Auch das schwere Gewitter an Fronleichnam hat zu weiteren Verlusten geführt, berichtet Gerhard Lakmann. Eine Bilanz über die Brutsaison 2017 will er Ende des Sommers ziehen.

Dennoch zeichnet sich im Gebiet der oberen Lippe und der Ems-Niederung ein neuer Rekord für 2017 ab. Die Rückkehr der Störche in den Kreis ist eine Erfolgsgeschichte für den Naturschutz. 2007 brüteten die ersten Weißstörche im Paderborner Land, nachdem sie 50 Jahre nur auf der Durchreise beobachtet worden waren. Der Feuchtwiesenschutz und die Aufwertung von Feuchtgebieten schafften Flächen, in denen die Vögel genügend Nahrung für sich und für ihren Nachwuchs finden können. Unterstützt wird die Rückkehr der Weißstörche von Menschen, die auf ihren Grundstücken spezielle Nisthilfen (Storchenmasten) aufstellen.

Von dem Schutz der Feuchtwiesengebiete profitieren noch andere Arten im Kreis Paderborn. So brüten Brachvögel, Kiebitze und Rohrweihen in den Feuchtwiesen – Vögel, die in Nordrhein-Westfalen auf der Roten Liste gefährdeter Arten stehen. Auch Insekten, Amphibien und zahlreiche Pflanzen, darunter ebenfalls seltene Arten, finden Lebensraum auf den extensiv bewirtschafteten Flächen.

INFORMATION


Jungstörche in Bewegungsstarre

  • Die Spezialringe beeinträchtigen die Störche nicht. Sie werden aus einem widerstandsfähigen ultraleichten Kunststoff hergestellt, erklärt Gerhard Lakmann, der hauptberuflich bei der Biologischen Station Paderborn-Senne arbeitet. Jeder Ring trägt eine individuelle eingravierte Buchstaben-Zahlen-Kombination.
  • Mit einem stark vergrößernden Fernglas können Beobachter diese Nummer ablesen. So können die Zugwege verfolgt werden, wenn Beobachter beringte Vögel sehen und es gelingt, die Ringe abzulesen.
  • Mit Spannung wartet man in der Naturschutz-Stiftung auf die Meldung von Bruten beringter Störche aus dem Paderborner Land. Kommt ein Beringer in die Nähe der Nester, dann fallen die noch nicht flugfähigen Jungstörche in eine Bewegungsstarre (Akinese), sie stellen sich tot. Dieser Schutzreflex hilft den Jungvögeln, sich vor Fressfeinden zu schützen.
  • Michael Jöbges erleichtert das die Arbeit, weil die Vögel in dieser Situation stillhalten. So droht ihnen nicht die Gefahr, dass sie in Panik aus dem Nest stürzen.