Senioren tauschen Haus gegen Wohnung

Paderborn. Der Wohnzimmerschrank ist ausgeräumt, die Bilder sind abgehängt, auf dem Parkett stehen gepackte Umzugskartons. Monatelang haben Wilhelm und Rita Baurichter aussortiert, jetzt sind sie bereit: Die beiden lebensfrohen Senioren machen das wahr, wovon andere oft nur reden - sie verkaufen ihr Eigenheim und ziehen in eine neue, moderne Wohnung.40 Jahre und zwei Monate, solange lebte das Ehepaar in seinem Reihenhaus am Stemberg im Ortsteil Wewer. Hier sind die beiden Töchter aufgewachsen, Freunde gingen ein und aus, hier fand das Familienleben statt. "Damals haben wir im Rohbau sehr viel selbst gemacht. Darum wollte ich vor zehn Jahren auch noch nicht verkaufen", erzählt der Ehemann. Doch dieser Gedanke, wie man später leben will und was mit dem Haus geschehen soll, "kam und ging immer wieder", nachdem die Kinder ausgezogen und selbst Eigentum erworben hatten."Man wird ja nicht jünger. Treppensteigen und Gartenarbeit werden immer anstrengender", sagt Rita Baurichter. "Außerdem würden wir gern noch reisen und könnten durch den Verkauf ein paar Rücklagen schaffen", erzählt Wilhelm Baurichter (68). Gleichzeitig wollte das Paar aber gern im Ortsteil bleiben. "Wir sind doch richtige Weweraner geworden", lacht seine Gattin.Auslöser, sich konkret mit einer Veränderung zu beschäftigen, war schließlich aber erst ein Schlaganfall von Rita Baurichter vor drei Jahren, den sie glücklicherweise gut überstanden hat. Damals flatterte dem Ehepaar fast zeitgleich ein Brief vom städtischen Seniorenbüro ins Haus: eine Einladung zum Info-Abend über das Wohnprojekt "Karolinger-Hof" des Spar- und Bauvereins in Wewer. "Wir waren sofort begeistert und hatten das große Glück, eine der 23 Wohnungen zu bekommen. Und zwar sogar unsere Wunschwohnung", strahlt die 66-Jährige. Sie tauscht 105 Quadratmeter auf zwei Etagen mit Garten gegen 75 Quadratmeter im 1. Stock mit Fahrstuhl, Barrierefreiheit, Balkon.Im neuen Domizil wird das Paar mit vielen Gleichaltrigen unter einem Dach wohnen. Eine Nachbarin ist eine alte Schulfreundin von Rita Baurichter - auch sie hat ihr Haus verkauft."Es ist definitiv ein Trend, dass Menschen ihre Immobilie verkaufen und sich sozusagen ,verkleinern', wenn Kinder ausgezogen sind, die Arbeit in Haus und Garten nicht mehr bewältigt wird oder ein Partner verstorben ist", sagt Arne Dreier, Prokurist der S-Immobilien GmbH der Sparkasse Paderborn-Detmold. Dabei ziehe es Senioren aus dem Kreisgebiet auch zunehmend in altersgerechte Wohnungen in der Stadt. Manche erwerben Eigentum, andere mieten ihr neues Zuhause. Interessenten für die offerierten Häuser seien oft junge Familien. "Je weiter eine Immobilie von der Stadt entfernt liegt, je schwieriger wird grundsätzlich die Vermarktung", so Dreier. "Aber im Kreis Paderborn sind wir gut aufgestellt.""Lebenssituationen verändern sich. Ein Haus, das in der zweiten Lebensphase gebaut oder gekauft wurde, ist irgendwann nicht mehr das, was man benötigt", konstatiert auch Matthias Thater, Geschäftsführer von Thater Immobilien. Zudem kostet es Unterhalt, stört bei Reisen, bindet Liquidität. Dennoch ist es oft ein schwerer Schritt, ein Haus zu verkaufen, das voller Erinnerungen steckt und mit vielen Emotionen verbunden ist. Matthias Thater hat Kunden, die bereits vor fünf Jahren zum ersten Mal anfragten, sich aber noch immer nicht durchringen konnten: "Häufig fehlt der Mut zur Umsetzung.""Je älter man wird, je weniger kriegt man die Kurve", hatte sich Wilhelm Baurichter gesagt. Das sieht Matthias Thater ähnlich. "Dieser Schritt wird jedes Jahr schwieriger." Und wenn sich Bedingungen rapide verändern, beispielsweise weil ein Partner stirbt oder krank wird, müssen Entscheidungen unter Zeitdruck fallen. "Das ist schlecht." Etwa zwei Jahre vor Rentenbeginn, so Thaters Rat, sollte man den Prozess angehen. "Dann steht ein Umbruch an, das ist eine gute Zeit für Veränderungen."In das alte Haus der Baurichters zieht junges Leben ein: eine Familie mit Baby. Bevor die Spedition Freitag anrückt, steigt an Christi Himmelfahrt noch ein Abschieds-Grillen mit der ganzen Familie. Liegt schon Wehmut in der Luft? "Null", schüttelt der Gatte den Kopf. Schließlich habe man viel Zeit gehabt, sich darauf einzustellen. Seine Frau nickt. "Aber ich weiß nicht was sein wird, wenn ich am Freitag hier ?rausgehe".

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