Wie der Streit um einen Elektroflitzer zur Schlammschlacht wurde

Zürich/Delbrück. Oliver Ouboter ist noch ein junger Unternehmer. Der 25-Jährige gehört wie sein jüngerer Bruder Merlin (23) zum Führungsteam der Microlino AG und der Micro Mobility Systems AG in Küsnacht bei Zürich. Der junge Mann ist seit Monaten voll in einen Streit mit dem Delbrücker Unternehmer Klaus Dieter Frers verstrickt - und trotz seiner Jugend will er sich dabei offenbar nicht die Butter vom Brot nehmen lassen: "Uns macht der juristische Streit keinen Spaß, aber es bleibt uns nichts anderes übrig", sagt Oliver Ouboter. Sein Vater Wim Ouboter hatte die Micro-Firmengruppe mit jetzt 60 Millionen Euro Jahresumsatz in den 90er-Jahren gegründet, und zu den ersten Erfolgen des Familienunternehmens gehörte ein Mini-Tretroller. Inzwischen bieten die Schweizer natürlich auch Elektro-Scooter an, und zwar nach eigener Überzeugung die leichtesten der Welt. Frers wirft den Schweizern "unlautere Mittel" vor Leicht ist auch der Microlino, ein Elektroauto, das gar kein richtiges Auto sein will und das weniger als 500 Kilogramm auf die Waage bringt. Um dieses Auto dreht sich seit einigen Monaten die Auseinandersetzung mit Klaus Dieter Frers, dem Vorstandschef des Autozulieferer Paragon, Aufsichtsratschef des Batteriesystemherstellers Voltabox und Boss des Elektroauto-Produzenten Artega. Die Widersacher wollten und könnten eigentlich Partner sein, aber der Streit geht beiden Seiten inzwischen heftig an die Nieren, wenn man den Äußerungen Glauben schenkt. Frers wirft den Schweizern Unanständigkeit und eine "Rufmordkampagne" vor ("Mängel an Vorserienfahrzeugen wurden Artega angedichtet"): Statt als Partner werde Artega offenbar nunmehr als Wettbewerber gesehen, "der mit allen, auch unlauteren Mitteln daran gehindert werden soll, Micro Kunden wegzuschnappen", beklagte Frers jetzt, nachdem Microlino mit Einstweiligen Verfügungen zwei Punktsiege vor Münchener Gerichten gelandet hat. Microlino-Manager: Die Idee stammt von uns Oliver Ouboter empfindet das Gebaren von Frers seinerseits als "ziemlich dreist" und wirft Frers "grundsätzlich falsche Behauptungen" in einer "sehr beleidigenden Presseerklärung" vor. Im Kern geht es um die technische Umsetzung und die Vermarktung einer eigentlich coolen Idee, nämlich ein superleichtes elektrisch angetriebenes Kleinstfahrzeug im Stil der einstigen BMW Isetta - ein Gefährt mit Fronttür. Die Idee für die Rückkehr des Designs stamme von den Schweizern, beteuert Ouboter. "Wir haben mit einem Auftragsentwickler schon 2015 den Microlino entworfen, der Prototyp ist in China gebaut und 2016 in Genf vorgestellt worden", sagt er. Frers hatte Microlinos italienischen Partner aufgekauft Ähnlich wie die Elektroroller sollten auch die Microlinos nicht in einer eigenen Fabrik, sondern von einem Auftragsfertiger realisiert und produziert werden - dafür seien Verträge mit der Firma TMI im norditalienischen Bozen geschlossen worden. Ab Sommer 2018 wähnten die Schweizer sich technisch auf der Zielgeraden, doch dann habe es unverständliche Verzögerungen gegeben. Erst im November 2018 habe er den Grund für die Probleme erfahren, sagt Oliver Ouboter - die TMI-Eignerfamilie Tazzari hatte die Fertigungsrechte unbemerkt an Frers nach Delbrück verkauft. "Das war schon bitter", erinnert sich Ouboter, denn plötzlich habe es völlig neue Ansprechpartner und neue Regeln gegeben. In der Zusammenarbeit mit Frers' Unternehmen Artega habe es ziemlich bald "geknallt", erinnert sich der Schweizer. Öffentlich berichtet wurde, dass die Micro-Gruppe sich über Qualitätsmängel der von Artega produzierten Fahrzeuge beklagte. Frers hingegen erklärte, es gebe Differenzen über die gewünschte Gestaltung des kleinen Elektroautos - er selbst wolle ein qualitativ hochwertigeres Gefährt herstellen als die Schweizer Partner. Der angepeilte Produktionsstart im Frühjahr 2019 platzte. Erste Gerichtsentscheidung im August in München Im Hintergrund schwelt offenbar auch ein Streit über die Vertriebsrechte: Frers wirft den Schweizern vor, sie hätten sich von TMI ursprünglich exklusive Vertriebsrechte zusichern lassen, "die mit europäischem Kartellrecht nicht vereinbar sind". Die Klauseln seien nichtig, und Artega habe nun "automatisch die gleichen europäischen Vertriebsrechte am Entwicklungsergebnis, das wegen der 50:50-Kostenverteilung beiden Vertragsparteien gemeinsam zustehe", erklärt Frers. Im Mai 2019 folgte Frers' Alleingang: Erst verkündete er, Artega werde im September unter dem Namen "Karolino" eine eigene Weiterentwicklung des Microlinos auf der IAA in Frankfurt vorstellen. Doch nachdem die Micro Mobility AG erfolgreich dagegen vorgegangen war und vor dem OLG München eine Einstweilige Verfügung durchgesetzt hatte, verkürzte Frers den Namen auf "Karo", ließ das Design erneut überarbeiten und zeigte sich mit dem Ergebnis stolz auf der Automobilmesse. Frers drohen theoretisch strafrechtliche Konsequenzen Auch dagegen gingen die Ouboters nun juristisch vor und erwirkten vor dem Landgericht München I eine weitere Einstweilige Verfügung gegen die Vermarktung des "Karo" - zugleich beantragten sie vor Gericht gegen Artega und Frers ein Ordnungsgeld in Höhe von 250.000 Euro wegen des Verstoßes gegen die erste Gerichtsentscheidung. "Das Gericht hat korrekt und sehr deutlich klargestellt, dass beide Fahrzeuge (also Karolino und Karo, d. Red.) dem Microlino viel zu ähnlich sind", freut sich Oliver Ouboter. Theoretisch drohen Klaus Dieter Frers bei Verstößen gegen die gerichtlichen Entscheidungen sogar strafrechtliche Konsequenzen und eine Haftstrafe von bis zu sechs Monaten. Artega will die Vorbereitungen zur Serienfertigung fortführen Doch der Delbrücker will sich nicht ins Bockshorn jagen lassen. Er behauptet, Artega sei "alleiniger Entwickler und Produzent des Microlino". Artega werde sich mit allen juristischen Mitteln gegen die vorläufige Entscheidung des Münchener Gerichts zur Wehr setzen, um seine Kunden baldmöglichst beliefern zu können, so Frers. Und: "Die Vorbereitungen zur Serienfertigung des elektrischen Stadtflitzers im Isetta-Style werden fortgeführt." Ob eine Zusammenarbeit von Artega und Microlino noch möglich ist? "Das Vertrauen ist schon lange weg", sagt Oliver Ouboter einerseits, "aber wenn es eine faire Lösung gibt, sind wir offen". Frers vermutet, Microlino wolle zu einem anderen Lieferanten wechseln, doch "noch ist die Tür für eine Einigung (...) offen", heißt es aus Delbrück.

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