Das "Kröten-Taxi" vom Limberg

Pr. Oldendorf. Sie laufen wieder. Und um gut und sicher über die Straße zu den Laichgewässern zu kommen, brauchen sie ein Taxi - ein "Kröten-Taxi". Einer der ehrenamtlichen "Fahrer" ist Stefan Schwengel. Und das schon seit 23 Jahren. Morgens um sieben parkt er sein Auto auf einem Seitenweg an der Straße "Zum Limberg". Ausgerüstet mit Warnweste, Gummistiefeln, einer kleinen Wanne und einem Klemmblock macht er sich auf den Weg. Es gilt, die rund 30 Eimer, die auf der Feldseite des 600 Meter langen Krötenzaunes stehen, auf Tiere zu kontrollieren. "Die Eimer stehen in einem Abstand von etwa 20 Metern", sagt Schwengel. Im Boden sind zwei Löcher, damit Regenwasser ablaufen kann, sowie ein Stöckchen, damit Mäuse oder Insekten wieder herauskrabbeln können. Einzelne Männchen und Weibchen sowie Pärchen, wobei das Männchen sich tragen lässt, werden in die Wanne gesetzt und vom zweibeinigen "Taxi" über die Straße getragen und in einen der sechs Teiche auf der anderen Seite der Straße gesetzt. Die Teiche werden durch den Landwehrbach und einige weitere Quellbäche, die am Limberg und in der Egge entspringen, gespeist. Am Mittwoch nur eine Kröte, am Donnerstag 278 "Mittwochmorgen hatten wir Temperaturen um null Grad und der Himmel war klar, da habe ich nur ein Männchen gefunden", sagt der Biologe, der schon als Jugendlicher gemeinsam mit einem Freund an der Obernfelder Allee Erdkröten von der Straße aufgesammelt und ins sichere Grün gesetzt hat. Nur einen Tag später ist es dunstig, aber die Temperaturen sind auf acht Grad gestiegen. In den Eimern krabbeln die Erdkröten über- und untereinander. "Heute habe ich, passend zum Frühlingsanfang, 278 Tiere eingesammelt, das ist ist die höchste Zahl bisher", freut sich der 52-Jährige. Erfahrungsgemäß sind die meisten Tiere Mitte bis Ende März unterwegs. Den "Taxi-Dienst" habe er viele Jahre mit Birgit Meyer ausgeführt. "Sie ist jetzt verzogen, hat aber mit Antje Tittmann gleich für eine Nachfolgerin gesorgt", freut er sich. "Die Wochentage haben wir untereinander aufgeteilt." Der Krötenzaun werde freundlicherweise vom Kreisbauhof meist Ende Februar aufgestellt und bleibe bis Mitte April stehen. Im Laufe des Jahres wandern die Erdkröten von den Teichen zurück in den Wald. Erdkröten, Grasfrösche, Teich- und Bergmolche "Die Biologische Station Minden organisiert die Sammelaktionen im Kreis Minden-Lübbecke", sagt Schwengel. Auf Erfassungsbögen werden die gefundenen Erdkröten, Grasfrösche, Teich- und Bergmolche eingetragen. "Als es in der vergangenen Woche etwas wärmer war, hatten wir an einem Tag bereits gut 140 Tiere", berichtet er. Dann habe es aber auch zwei Tage gegeben, an denen er aufgrund der niedrigen Temperaturen keine Tiere gefunden habe. Wenn das Laichgeschäft abgeschlossen ist und die Laichschnüre, die wie schwarze Perlenketten aussehen, kunstvoll um Zweige und Unterwasservegetation im Uferrandbereich gewickelt wurden, suchen sich die Tiere außerhalb des Gewässers ihre Nahrung wie Würmer, Schnecken oder Insekten. Bevor es im Herbst wieder kühler wird, gehen die wechselwarmen Tiere zurück zu ihren Winterlagern im Wald. "Wir haben hier eine der größten Populationen im Kreis", erklärt Schwengel. Bei seiner ersten Sammlung 1997 habe es insgesamt etwa 300 Tiere gegeben. "So viele haben wir heute manchmal an einem Tag." Nach drei bis fünf Jahren sei die Zahl auf 3.000 angestiegen. "Die höchste Zahl, die wir an einem Tag erzielt haben, lag bei 660 Tieren", erinnert sich der Biologe. Heute habe sich die Zahl auf 1.500 bis 2.000 Tiere eingependelt. "Der Grund für die hohe Population ist die kurze Strecke zwischen dem Wald und den Teichen." Im Naturschutzgebiet Limberg gebe es große Flächen, in denen sich die Tiere in den Boden eingraben würden. Etwa zehn bis 15 Prozent der Tiere werden überfahren Trotz der Krötenzäune werden etwa zehn bis 15 Prozent der Tiere - meist zur Hauptwanderzeit in den Abendstunden - überfahren. "Schwierig ist es auch in der Zeit, wenn die letzten Tiere aus dem Wald zum Ablaichen wandern, die ersten aber schon wieder auf dem Rückweg sind", berichtet Schwengel. "Da weiß man manchmal nicht, ob sie sich in Richtung Teich oder Wald befinden und wo man sie hintragen soll." Es gab aber auch andere Unglücke. "Bei mildem Frühlingswetter sprießt nicht nur das Getreide, sondern auch die Kröten bekommen den Impuls loszulaufen", berichtet der Biologe. "Leider fiel der Tag der Düngung mit einem der Hauptwandertage zusammen." Die kleinen Düngerkörner auf dem Feld seien jedoch vom Regen noch nicht aufgelöst gewesen. Die Kröten liefen darüber und erlitten Verätzungen, an denen mehrere Hundert Tiere verendeten. "Sie lagen am Krötenzaun und auch auf den Feldern." Auch in diesem Jahr wurde während der Wanderung Kunstdünger gestreut, sodass Schwengel wieder etliche tote Tiere gefunden hat. Manchmal sitzen sogar zwei Männchen auf einem Weibchen Kröten kann man auch hören (Video). Das ist aber nicht etwa der Ruf nach einem "Taxi", sondern ein Abwehrgeräusch. Krötenmännchen geben es von sich, wenn sie sich auf einem Weibchen festgeklammert haben und ein weiteres Männchen versucht, sich an den beiden festzuklammern. "Das heißt ,Lass mich los!?", übersetzt Schwengel schmunzelnd. Dennoch gibt es diese Krötenpäckchen immer wieder, manchmal auch dreistöckig. "Einmal wollte sich eine Kröte sogar von einem Feuersalamander transportieren lassen", erinnert er sich. Seinen Spitznamen hat Stefan Schwengel schon weg. Jedes Jahr besuchen ihn die Viertklässler der Grundschule Bad Holzhausen beim Sammeln. Gemeinsam gehen die Kinder mit ihm von Eimer zu Eimer und schauen zu, wie Schwengel die Tiere in die kleine Wanne setzt. Einige Kinder trauen sich auch, eine Kröte in die Hand zu nehmen. Gemeinsam werden die Erdkröten gezählt "Wenn sie Tiere in den Eimern finden, freuen sie sich, als seien es bunte Ostereier", sagt Schwengel lächelnd. Gemeinsam geht es dann zu einem der Teiche. Dort werden die Kröten noch gezählt, bevor sie ans Ufer gesetzt werden. Und wenn die Kinder dann in Aufsätzen über ihren Ausflug zu den Kröten berichten, wird Stefan Schwengel darin zum "Krötenmann".

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