Pr. Oldendorf. Schon von Weitem waren die hell erleuchteten Fenster des Ritterguts Groß Engershausen zu sehen, in dem am Samstag ein ganz besonderer Liederabend mit vertonten Gedichten von Heinrich Heine stattfinden sollte. Im Eingang empfing Hiltrud von Spiegel ihre Gäste. Schwester Edith hatte die Aufgabe übernommen, die Eintrittskarten und Programme zu überreichen.
Im ersten Stock waren drei barock gestaltete Räume durch geöffnete Türen zu einem kleinen Konzertsaal verbunden. Hausherr Carl-Maria von Spiegel begrüßte die Sopranistin Ariane von der Heyden-Karas und Martin Wiemer, der am Flügel von 1868 Platz genommen hatte.
Holde Blume
Du bist wie eine Blume, so hold und schön und rein; Ich schau dich an, und Wehmut schleicht mir ins Herz hinein.Mir ist, als ob ich die Hände aufs Haupt dir legen sollt, betend, dass Gott dich erhalte, so rein und schön und hold.
Heinrich Heine
„Herr Wiemer sitzt auf einem Stuhl seiner Urgroßmutter, denn sie ist eine auf Groß Engershausen geborene Freiin von Spiegel“, erklärte von Spiegel schmunzelnd. Das sei die erste Premiere. Und davon sollten noch einige folgen.
Der musikalische Abend begann mit 14 Vertonungen von Heinrich Heines Gedicht „Du bist wie eine Blume“.
„Es ist aus Heinrich Heines ,Buch der Lieder, dem Kultbuch der Romantik“, erklärte Martin Wiemer. „Frauenversteher Heine hat es der Tochter eines Rabbis, Rebecca, gewidmet, die er 1822 kennengelernt hatte.“ Die einzelnen Variationen hätten unterschiedlicher nicht sein können. So komponierte der blinde Georg V. König von Hannover eine sanfte Melodie dazu, während der erst neunjährige Ferrucio Busoni eine italienisch-dramatische Version schuf.
Leicht und fröhlich dagegen war das Stück von der wenig bekannten Augusta Friederica Franziska von Spornberger, die es der österreichischen Kaiserin Sisi gewidmet hatte. „Die Fassung von Anton Diabelli habe ich in einem Archiv gefunden, und wir präsentieren sie heute zum ersten Mal öffentlich“, sagte Wiemer. Virtuos trug das Duo auch Fassungen von Franz Liszt, Robert Schumann und Hugo Wolf vor.
Der zweite Teil des Abends war Johann Vesque von Püttlingen gewidmet. „Der österreichische Komponist und Jurist hat unter anderem rund 100 Heine-Gedichte vertont und ist ein Meister der Umsetzung des Komischen und der Ironie“, erläuterte Wiemer, selbst Richter von Beruf. Die Lieder „Im Mai“ oder „Eine alte Geschichte“, mit großer Spiel- und Sangesfreude vorgetragen, gaben einen guten Einblick. Mit einem vertonten Gedicht von Adelbert von Chamisso, „Katzennatur“, beeindruckten Ariane von der Heyden-Karas und Martin Wiemer durch ihr Zusammenspiel einmal mehr.
Den Abschluss – und zugleich eine weitere Premiere – machten zwei von Charlotte Sporleder, geborene Freiin Spiegel von und zu Peckelsheim, vertonte Gedichte von Heinrich Heine. „Wir wissen nicht viel über sie, nur, dass sie auch komponiert hat“, sagte Carl-Maria von Spiegel. „Und sie hat auf der Weltausstellung in Chicago 1893 eine Medaille bekommen“, hat Wiemer herausgefunden.
So erklangen nach über 100-jährigem Dornröschenschlaf am Geburtsort von Charlotte Sporleder erstmals wieder ihre Kompositionen zu „Ich hab im Traum geweinet“ und „Ich will meine Seele tauchen“.
Das Publikum bedankte sich bei den beiden Musikern mit langem Applaus und freute sich, als Wiemer eine Zugabe mit den Worten „Eins haben wir noch“ ankündigte.