Sieben Schafe im Kreis Minden-Lübbecke gerissen: Wolfsberater untersucht tote Tiere

Petershagen-Seelenfeld. Als Kira Stremming am Sonntagabend bei ihren Schafen vorbeischaute, war die Welt noch in Ordnung, sagt die 43-Jährige. Nur wenige Stunden später sind sieben der neun Tiere tot. Zwei Wolfsberater waren am Dienstag in Seelenfeld vor Ort, um genetisches Material der Kadaver zu sichern. Bis das endgültige Ergebnis vorliegt, wird es vier bis sechs Wochen dauern. Lesen Sie hier mehr zu den Hintergründen: Sieben Schafe im Kreis Minden-Lübbecke gerissen: Wolfsberater untersucht tote Tiere Drei Tiere lebten noch, als Kira Stremming nach dem Anruf einer Anwohnerin am Feiertag gegen 14 Uhr zur Wiese an der Straße Moorfeld eilt. &bdquo;Das war ein erbärmlicher Anblick“, sagt Jagdpächterin Iris Korte, die ebenfalls hinzugerufen wurde. Die schwer verletzten Schafe habe der Tierarzt eingeschläfert. &bdquo;Sie waren nicht mehr zu retten.“ Korte ist der Ansicht, dass es sich um einen Wolf beziehungsweise mehrere Wölfe gehandelt haben muss. Dafür spreche die Anzahl der toten Tiere und die Schwere der Verletzungen. Halterin spricht von einem &bdquo;Massaker“ Schafhalterin Kira Stremming spricht in diesem Zusammenhang von einem &bdquo;Massaker“, viele Tiere seien regelrecht zerfetzt worden. Ein Tier war fast vollständig aufgefressen, von anderen Schafen fehlten Körperteile. Wildernde Hunde seien ihr in der Gegend nicht bekannt, fügt Iris Korte hinzu. Hingegen befinde sich in Sichtweite zu dem Tatort der Loccumer Berg, wo ein Wolfsrudel lebt, das auch Nachwuchs bekommen hat. Mit solchen Äußerungen halten sich die angereisten Wolfsberater – aufgrund der großen Anzahl der toten Tiere kommen zwei nach Seelenfeld – zurück. Dr. Walter Jäcker und Dieter Wortmeier teilen sich die Arbeit. Während Wortmeier das genetische Material sichert, Zahnspuren dokumentiert und hin und wieder Wolle wegschneidet, um sich ein besseres Bild machen zu können, notiert Walter Jäcke die Beobachtungen und schaut ebenfalls genau hin. &bdquo;Da es sich um Haustiere handelt, dürfen wir die Kadaver nicht öffnen“, erklärt er das Prozedere. Das ist nur bei Wildtieren erlaubt. Zwei Tiere wurden mitgenommen und genauer untersucht. Experten halten sich zurück mit Theorien Spekulationen zum Verursacher stellen weder Jäcker noch Wortmeier an. &bdquo;Das möchte und das darf ich nicht“, sagt Jäcker. Und Wortmeier ergänzt: &bdquo;Alles ist möglich.“ Sollte sich herausstellen, dass ein oder mehrere Wölfe beteiligt waren, bedeutet das für die Halterin, dass sie eine Entschädigung bekommt. In ausgewiesenen Wolfgebieten – wie im benachbarten Niedersachsen – übernimmt das Land auch Schutzmaßnahmen (wie Zäune). Diese Ausweisung würde sich die 43-Jährige auf für ihren Bereich wünschen – mit Blick auf immer mehr Wolfssichtungen und die Tatsache, dass sie für Sicherungsmaßnahmen keine Zuschüsse bekäme. Auf Schadensersatz mache sie sich keine Hoffnung. Darum gehe es ihr aber auch nicht, sagt die Halterin, die seit zehn Jahren in Seelenfeld wohnt. Das Thema Wolf beschäftige sie schon länger. Stremming ist der Meinung, die Population sei unverhältnismäßig hoch, in anderen Ländern sei das Verhältnis zur Fläche ausgeglichener. &bdquo;Und ich kenne viele, die meiner Ansicht sind.“ Sie wünsche sich eine drastische Regulierung. Wölfe seien durchaus interessante Tiere – sie sollten sich aber in Gebieten aufhalten, in denen sie keinen stören und keine Schäden verursachen. Wirtschaftlicher Rückschlag für Halter In den vergangenen vier Jahren hat sich Kira Stremming eine kleine Zucht mit rauhwolligen pommerschen Landschafen aufgebaut. 2021 hat sie ihren ersten eigenen Bock gekauft. An der Rasse mag sie die besondere Wolle, die sich gut für altes Handwerk wie Spinnen und Weben eigne. Außerdem hätten die Tiere eine angenehme Größe. Nun ist der Großteil ihrer Herde tot, die Besitzerin am Boden zerstört. Zwei Zuchtschafe, die überlebt haben, seien immer noch ängstlich, geradezu panisch, beschreibt sie. Inmitten ihrer Trauer merkt die Züchterin an, dass es wirtschaftlich ein herber Rückschlag ist: &bdquo;Es wird dauern, bis ich mir wieder alles aufgebaut habe.“ Stremming wohnt mit ihrem Mann und zwei Kindern rund eineinhalb Kilometer von der Wiese entfernt und besitzt auch Pferde, Ziegen und weitere Schafe. Die betroffene Herde war mit einem gängigen Knotengeflechtzaun mit Stacheldraht gesichert. Ein Loch wurde nicht gefunden. Hunde und Wölfe können das etwa einen Meter hohe Hindernis überwinden. Was dem Ehepaar Sorge macht, ist die Tatsache, dass sich nur einen Steinwurf entfernt ein Wohnhaus befindet. &bdquo;Die Bewohnerin ist mit ihrem Hund an dem Tor zur Wiese vorbeigekommen und hat alles entdeckt“, sagt Stremming. In unmittelbarer Nähe würden sich Alpakas, weitere Tiere und natürlich Menschen aufhalten. &bdquo;Da hat man jetzt schon jede Menge Angst, wenn so etwas passiert“, sagt die Petershägerin &bdquo;Was ist, wenn die wiederkommen?“, fragt sie sich. 13 nachgewiesene Sichtungen im Mühlenkreis Seit Ende 2014 hat es im Kreis Minden-Lübbecke 13 nachgewiesene Wolfssichtungen gegeben, in vielen Fällen hatten die Raubtiere zuvor andere Tiere gerissen. In Petershagen gab es in den letzten fünf Jahren vier Sichtungen, zweimal kollidierten sie mit Fahrzeugen – und zweimal wurden Tiere gerissen. Im Februar 2020 hatte ein Wolf aus dem Rudel Visselhövede in Niedersachsen bei Raderhorst zwei Schafe getötet, ein weiteres war verschwunden. Fast vor einem Jahr, exakt am 10. Oktober 2021 tötete ein Wolf dann in Rosenhagen das jüngste Kalb der Herde von Landwirt Heinrich Nagel. Dies war das erste Mal, dass ein Wolf in NRW ein Rind gerissen hat, hieß es seinerzeit vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv). Die Territorien von drei niedersächsischen Wolfsrudeln grenzen im Norden an den Kreis Minden-Lübbecke: Das Rudel Rehden mit mindestens vier Welpen, das Rudel Rehburg und das neu gegründete Rudel Uchte mit jeweils mindestens einem Welpen aus diesem Jahr. Bisher wurden Mitglieder dieser Rudel nicht auf nordrhein-westfälischem Gebiet genetisch erfasst, heißt es vom Landesamt. Aus welchem Rudel das Tier stammt, das im Oktober 2021 das Kalb gerissen hat, konnte seinerzeit nicht ermittelt werden. In NRW gibt es mehrere Wolfsgebiete, in denen sich die Tiere angesiedelt haben. Servicehotline für Notfälle Bei Haus- und Nutztierschäden mit Wolfsverdacht sei es wichtig, innerhalb von 24 Stunden eine Probenahme für die genetische Auswertung zu sichern. Betroffene Tierhalter sind gebeten, sich unmittelbar nach dem Auffinden getöteter Tiere an das Landesumweltamt zu wenden. Weidetierhalter aus NRW können Fragen zum Herdenschutz an eine Servicehotline bei der Landwirtschaftskammer NRW richten. Das Material der Sichtung am Dienstag wurde noch am gleichen Tag zum Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) nach Recklinghausen geschickt. Anschließend kommt ein Teil davon ins Senckenberg Institut Gelnhausen und wird dort untersucht. Erst in vier bis sechs Wochen gebe es ein Ergebnis. &bdquo;Wir dokumentiere hier heute nur – alles andere gibt es später“, sagt der Wolfsberater Dieter Wortmeier.

Meistgelesen