Vom Flüchtlingskind zum Unternehmer: Syrischer Jeside baut sich in Minden sein Leben auf

Minden. Wenn Asaad Rescho mit seinem Mercedes unterwegs ist, weiß er, was andere denken, sobald sie ihn mit den schwarzen Haaren und dem Bart am Steuer sehen. &bdquo;Ich kenne die Vorurteile. Die Leute glauben, ich wäre ein Drogendealer“. Doch der 35-Jährige hat sich bewusst gegen eine kriminelle Laufbahn entschieden. Er hat sich seinen Traum als Unternehmer erfüllt, leitet unter anderem einen Sicherheitsdienst, engagiert sich bei der SPD und ist Mitglied bei den Reben, der dritten Kompanie im Bürgerbataillon. Der Weg dahin ist nicht einfach gewesen - und manchmal schämt er sich für seine syrische Herkunft. 1998 flieht seine Familie aus der Region al-Hasaka im Nordosten von Syrien. Sie sind Jesiden und gehören im muslimisch geprägten Land einer religiösen Minderheit an. &bdquo;Wir wurden verfolgt, es war kein schönes Leben und in der Schule war ich das einzige jesidische Kind“. Als Asaad Rescho die zweite Klasse besucht, nehmen die vierfachen Eltern Kontakt zu Schleusern auf. Diese versprechen ihnen eine Überfahrt von Libanon nach Italien – angeblich mit einem Kreuzfahrtschiff. &bdquo;In Wahrheit war es ein überfülltes Fischerboot ohne Essen und Trinkwasser“, sagt Asaad Rescho. Die Crew bewacht alles mit Maschinengewehren und gibt keine Lebensmittel ab, niemand darf protestieren. Eine Woche lang treibt das Boot im Mittelmeer, zwischendurch habe ein vorbeikommender Frachter den Geflüchteten etwas Wasser gespendet. &bdquo;Da war ein Ägypter an Bord, der arabisch sprach und unsere Lage verstand“, weiß Asaad Rescho. Lesen Sie auch: Vor dem Ukraine-Krieg geflüchtet – nun eröffnet er eine Gastronomie in Mindens Innenstadt Geflüchtete Familie lebt zu neunt in zwei Zimmern Dann stößt die griechische Marine auf die Flüchtlinge. Die Besatzung habe alle Waffen ins Meer geworfen, erinnert sich Asaad Rescho. In Griechenland leben die Reschos in einem Auffanglager, ihr Ziel bleibt jedoch von Anfang an Deutschland. Ein Lkw befördert sie nach Albanien, über Italien landen sie irgendwann in Bayern und beginnen dort ihr neues Leben. &bdquo;Wir haben in Coburg zehn Jahre lang zu neunt in zwei Zimmern gelebt und unsere Kindheit dort verbracht.“ Es sei nicht so gewesen, dass man sie mit offenen Armen empfangen habe, sagt Asaad Rescho. Die Ausländerbehörde habe seinen Eltern Deutschkurse verweigert, weil sie nur geduldet waren. &bdquo;Sie wollten uns loswerden und am liebsten abschieben, das war klar.“ Asaad Rescho macht den erweiterten Hauptschulabschluss und berichtet, dass er mehrere Ausbildungsplätze etwa beim Grünflächenamt zugesichert bekommen habe. &bdquo;Das Problem war, dass ich keine Arbeitserlaubnis hatte und nirgends anfangen konnte.“ Mithilfe der Altfallregelung umgehen die Reschos eine Abschiebung. Das Gesetz gewährt damals langjährig geduldeten Ausländern eine Aufenthaltserlaubnis – wenn sie Deutsch sprechen, Wohnraum haben und ihren Lebensunterhalt sichern. &bdquo;Ich bin täglich zur Ausländerbehörde gegangen und habe beim Sachbearbeiter deswegen angeklopft“, erzählt Rescho. Für bessere Jobchancen zieht die Familie nach Gelsenkirchen: Die Eltern arbeiten in einer Reinigungsfirma, er in einer Bäckerei. 2010 folgt der Umzug nach Minden. Migration: Syrer in Deutschland - Darüber wird jetzt diskutiert Mindener ist heute an drei Unternehmen beteiligt An der Weser jobbt Asaad Rescho in Gastronomien und macht sich 2011 als Gebrauchtwagenhändler an der Lübbecker Straße selbstständig. &bdquo;Ich hatte keine Ahnung von Buchhaltung und musste mir alles selbst beibringen.“ Viele seiner damaligen Bekannten leben im Eigenheim, reisen mehrmals im Jahr und fahren teure Autos. &bdquo;Natürlich will man da mithalten, aber es hat finanziell nicht gereicht, deswegen musste ich mehr Gas geben.“ Asaad Rescho berichtet, dass es immer wieder Angebote gegeben habe, um schnell, illegal Geld zu verdienen. Auf die schiefe Bahn sei er dennoch nicht geraten. &bdquo;Der Weg ist schmal, ich konnte die Angebote aus der Unterwelt ablehnen und bin froh darüber.“ Die Idee mit den Autos geht dennoch nicht auf. &bdquo;Ich war 21 und habe den Handel vor die Wand gefahren.“ Er macht eine Ausbildung zum Industriekaufmann und verdient eigenen Angaben zufolge über Nebenjobs sein Geld. &bdquo;Ich habe für Vorwerk Staubsauger verkauft – oder es versucht. Mit meinem Aussehen war das nicht leicht“, sagt er und lacht. Einmal fragt ihn eine Kundin am Telefon, ob er Franzose sei. &bdquo;Da wurde ich offener empfangen als ein Syrer.“ Er lernt viel über den Vertrieb, geht dann 2017 in die Sicherheitsbranche und bleibt hängen. Er steht an der Tür der Musikbox, gründet 2021 mit seinem Bruder und einem Freund den eigenen Sicherheitsdienst. 2024 folgt ein Reinigungsunternehmen, 2025 ein mobiler Cocktailstand. Auch interessant: So viele der 2015 nach Deutschland Geflüchteten haben heute einen Job Landrat mit Migrationshintergrund als Inspiration Heute führt Rescho über 20 Beschäftigte und engagiert sich mit seinem Team in sozialen Projekten in Hannover. Sie betreuen das Café Nachtlicht des Diakonischen Werks, das im Winter obdachlosen Menschen einen warmen, sicheren Ort bietet. &bdquo;Wir kommen dort mit vielen ins Gespräch“, erzählt Rescho. Auch ehrenamtliche Dienste biete er an. Nicht ohne Folgen blieb für ihn der Kontakt zu Landrat Ali Dogan (SPD). Sie lernen sich 2022 beim Wahlkampf von Dogan kennen. &bdquo;Ich habe Respekt vor Menschen, die auch einen Migrationshintergrund haben und es dann weit bringen.“ Der Landrat inspiriert ihn, 2024 tritt Asaad Rescho in die SPD ein und unterstützt Peter Kock im Bürgermeisterwahlkampf. Wenn seine Unternehmen sich etabliert haben, möchte Asaad Rescho selbst politisch aktiver werden. Seit 2024 gehört er auch der Rebenkompanie an. Das Bataillon lernt der dreifache Vater kennen, als er bei dem Rebenfest für die Sicherheit verantwortlich ist. &bdquo;Die Kameradschaft und den Zusammenhalt fand ich bewundernswert.“ Wenn man Integration fördere, müsse man sich öffnen, findet Asaad Rescho, und das hätten die Reben gemacht. Kompaniechef Maurice Sievers freut sich über den Neuzugang: &bdquo;Er hat sich sofort eingefügt und ist sehr engagiert.“ Er sei bei den Reben das erste Mitglied, das aus dem arabischen Raum stamme. Laut Stadtmajor Christian Bremkes gebe es im kompletten Bürgerbataillon noch andere mit einer internationalen Familiengeschichte: &bdquo;Uns ist vollkommen egal, woher jemand kommt.“ Zu Ali Dogan: Der neue Minden-Lübbecker Landrat ist der erste mit Migrationshintergrund Mindener verschweigt syrische Herkunft oft Für andere sei das nicht immer der Fall, musste Asaad Rescho erfahren und erwähnt mehrere Fälle von Alltagsrassismus etwa beim Arzt, der Wohnungssuche oder im Zug, wo es bereits mehrmals vorgekommen sein soll, dass Beamte ihn als Ersten gezielt kontrolliert hätten. Schwere Gewalttaten wie die an Philipos Tsanis im Kurpark von Bad Oeynhausen erschütterten ihn. Das Landgericht Bielefeld verurteilte in dem Fall mit Mwafak Al-S. einen Täter aus Syrien. Früher war Asaad Rescho stolz auf seine syrische Herkunft. Heute verschweigt er sie oft. &bdquo;Ich sage lieber, dass ich Deutscher bin, um mich nicht rechtfertigen zu müssen“, sagt er. Er fürchtet, in Schubladen gesteckt zu werden. Nach den jüngsten Gewalttaten fällt es ihm schwer, stolz auf Syrien zu sein. &bdquo;Diese Taten beschmutzen Syrer, die hier hart arbeiten, Verantwortung übernehmen und Steuern zahlen – Ärzte, Ehrenamtliche, Menschen, die etwas bewegen.“ Er selbst gibt sich offen. &bdquo;Mir ist egal, welche Hautfarbe, Religion oder Abstammung ein Mensch hat, solange er gut zu mir ist.“ Bei ihm im Sicherheitsdienst würden Muslime, Christen und Jesiden arbeiten. Asaad Rescho positioniert sich ohnehin gegen Hass und Hetze wie seine Schwester Aylin Rescho, die sich auf dem Mindener Marktplatz bereits in Reden vor mehreren Tausenden Menschen für Demokratie und gegen Faschismus ausgesprochen hat. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke Geflüchteter: &bdquo;Meine Heimat ist ganz klar Deutschland“ Vorantreiben möchte Asaad Rescho auch die Pläne für eine jesidische Pilger- und Gebetsstätte in der Region. Er brachte den Verein Ezda mit dem damaligen Bürgermeisterkandidaten Peter Kock in Kontakt. Erste Entwürfe für einen Bau liegen vor, aktuell sammelt die Gemeinschaft Spenden. &bdquo;Eine solche Stätte könnte für Jesiden in Deutschland und Europa eine wichtige Rolle spielen“, sagt Rescho. In Minden lebe eine große jesidische Gemeinschaft – allein seine Familie zählt rund 45 Haushalte. &bdquo;Wir haben zwar Clangröße, aber sind kein Clan“, sagt er und lacht. Asaad Rescho hat einen syrischen Pass und die deutsche Staatsbürgerschaft erst im vergangenen Jahr beantragt. Eine mögliche Rückkehr nach Syrien für den Wiederaufbau nach dem Sturz des Assad-Regimes schließt er aus. &bdquo;Ich würde mich da nicht wiederfinden - meine Heimat ist ganz klar Deutschland“, sagt er. Asaad Rescho will nicht vergessen, woher er kommt – aber noch viel wichtiger ist ihm, wohin er geht.

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