Test für E-Mobilität: Mindener Spedition nimmt neue Riesen-Halle in Betrieb

Minden. Es ist einer der vielleicht letzten echten Sonnentage, als Lars Hölkemeier die neue Logistikhalle am Regioport zum ersten Mal für die Presse öffnet. Perfekt für die Fotovoltaikanlage auf dem 450 Meter langen Gebäude. Zumindest theoretisch: &bdquo;Wir warten noch auf die Zertifizierung“, sagt der Geschäftsführer der von ihm gegründeten Spedition, die seit 2019 zur LIT-Gruppe gehört. Seit drei Monaten fehlt die Freigabe für die Anlage und damit für das Herzstück des Projektes. Denn die neue Halle ist auch ein großer Feldversuch zur Elektromobilität im Transportgewerbe. &bdquo;Wir sind ein Testbetrieb für die LIT-Gruppe“, sagt Hölkemeier. Ausgerechnet jetzt, wo die Halle in den Vollbetrieb geht, schmerzt der Ausfall bei der Stromproduktion. Es hätten noch einmal ertragreiche Tage werden können im beginnenden Herbst. Von März bis Oktober soll das Gebäude autark sein, also mindestens so viel Strom produzieren, wie der Betrieb verbraucht. Wie sehr er sich tatsächlich darüber ärgert, dass der Strom für die Klimatisierung der Halle und die frisch angeschafften Elektro-Zugmaschinen vorerst noch teuer eingekauft werden muss, lässt sich der 56-jährige Unternehmer allerdings nicht anmerken. Der Neubau im extra für den Regioport angelegten Gewerbegebiet ist aus seiner Sicht eine einmalige Chance – und er ist nach wie vor überzeugt, dass sich das Investment lohnt. Schokoriegel in Minden bis zur Decke gestapelt 37 Millionen Euro werden es voraussichtlich sein, wenn am Ende alle Rechnungen bezahlt sind. Ursprünglich waren rund 25 Millionen Euro geplant, Zweifel habe er aber nicht gehabt, wie Hölkemeier schon in der Vergangenheit betont hatte: &bdquo;Wir haben das Projekt nie infrage gestellt.“ Denn die Kostensteigerung geht nicht nur auf Preissteigerungen zurück. So waren die Klimatisierung der Halle zunächst nicht mit eingeplant und die Ladeinfrastruktur für die Lkw anders dimensioniert. Hintergrund ist auch eine Neuausrichtung des Projektes. Geplant war zunächst eine Halle, in der vor allem sogenannte Non-Food-Artikel für eine große deutsche Handelskette umgeschlagen werden sollten. Doch diese Pläne hatten sich früh zerschlagen, Hölkemeier musste umdenken. Stattdessen zeigt sich die Halle heute als eine große Versuchung, wie sich unmittelbar nach dem Passieren der Schleuse zeigt: Bis zur Decke stapeln sich Paletten voller Schokoriegel, Minden ist ein zentrales Drehkreuz für einen der größten Süßigkeiten-Produzenten der Welt geworden. Dafür muss die Halle gekühlt werden. &bdquo;Allein dafür brauchen wir ein Megawatt“, sagt Florian Stille. Er ist seit April als technischer Leiter dafür zuständig, dass die Elektrifizierung des Standortes gelingt. Zuvor war er bei dem Osnabrücker Logistik-Riesen Hellmann für alternative Antriebe verantwortlich. Und damit nicht nur für die Elektro-Lkw oder eine große Fotovoltaikanlage. &bdquo;Es geht um ein intelligentes Energiemanagement“, sagt er, &bdquo;das ist ein komplexes System“. Lesen Sie auch: Gewerbegebiet in Bad Oeynhausens Süden: Der letzte große Lückenschluss auf der Lohe Höhere Anschaffungskosten für E-Lkw Jetzt müssten auf der Strecke Erfahrungen gesammelt werden. Insgesamt sind bisher vier Fahrzeuge elektrisch unterwegs. Darunter ist auch eine Terminal-Zugmaschine, die vor allem zwischen Regioport und Logistikhalle fährt, dank Straßenzulassung aber auch zum Beispiel den Standort an der Karlstraße bedienen kann. Dort ist eine weitere zur Gruppe gehörende Halle. Der elektrische Volvo im Fuhrpark bedient hauptsächlich die Strecke nach Porta Westfalica, die beiden neuen Mercedes eActros 600 sind im regionalen Verkehr unterwegs. Das meiste davon spiele sich zwischen Löhne und Hannover ab, sagt Lars Hölkemeier. Grundsätzlich reicht der Bewegungsradius aber auch aus, um beispielsweise einen Container aus Bremen abzuholen, falls entlang der Weser eine Schleuse ausfallen sollte. Die deutlich höheren Anschaffungskosten könnten sich durchaus rechnen, ergänzt Stille. Vorausgesetzt, die Fahrzeuge können mit selbst produzierten Strom geladen werden. Hinzu komme, dass die ursprünglich Ende des Jahres auslaufende Mautbefreiung bis 2031 verlängert werden soll, wie Stille sagt. Gesunkenes Interesse an CO2-Einsparung in Logistik Für den regionalen Verkehr könnte das Modell also gut funktionieren. Mercedes selbst wirbt mit einer Reichweite von 500 Kilometern, Stille rechnet zunächst etwas vorsichtiger mit 400 Kilometern. Und innerhalb einer Stunde soll der Akku von 20 Prozent wieder geladen sein. Trotz allem könnte der Zeitpunkt für den Start besser sein. Denn das Interesse an CO2-Einsparung in der Logistik hat etwas nachgelassen. &bdquo;Das wird schon noch von Kunden nachgefragt, das Thema Nachhaltigkeit ist aber etwas in den Hintergrund getreten“, sagt Hölkemeier. Aber das werde sich auch wieder ändern: &bdquo;Wir mussten diese Entscheidung jetzt treffen und wir bleiben dabei.“ Den richtigen Zeitpunkt gebe es ohnehin nicht, sagt auch Florian Stille. Das Thema sei sehr komplex, &bdquo;und man muss dann einfach anfangen“. Wichtig sei vor allem, die Fäden selbst in der Hand zu behalten. Und dafür sieht sich das Unternehmen gerüstet: von der eigenen Erzeugung über die Speicherung bis zur Nutzung in der Halle und der eigenen Ladeinfrastruktur. Lesen Sie auch: Diese Stadt überzeugt in Minden-Lübbecke am meisten Was gelagert wird: Vom Schokoriegel bis zur Toilettenschüssel Innen ist von einer Übergangsphase schon jetzt nichts mehr zu spüren. Die Halle sei zu 90 Prozent gefüllt, sagt Lars Hölkemeier und erntet von seinem technischen Leiter ein Lächeln. Stille sieht schon jetzt kaum noch Platz in den Gängen und Regalen. Eindrucksvoll ist das Gebäude so oder so. Die Halle ist aus insgesamt neun Teilen zusammengesetzt, die einzelnen Bereiche können unabhängig voneinander temperiert werden. Kühl für die Schokolade, etwas wärmer weiter hinten, wo die Badkeramik lagert. Das Warehouse-Prinzip geht dabei über die reine Lagerhaltung hinaus. So werden die Schokoriegel hier auch schon in einzelne Displays für die unterschiedlichen Verkaufsräume gepackt, Toilettenschüsseln mit den passenden Spülungen zusammengepackt. Bei den Abläufen gebe es noch Verbesserungsmöglichkeiten, aber dennoch: &bdquo;Wir sind mit der Auslastung drei Monate schneller als geplant.“ Auch, weil kurzfristige Lücken gefüllt werden konnten. Zum Beispiel mit riesigen Säcken voller Mais und Erdnüssen und deren Endprodukten in Snackform, mit denen ein Kunde künftig mehrer große Discounter beliefert. Elektrofahrzeuge für Lärmschutz Rund 1.000 Paletten werden hier jeden Tag an einer der 19 Rampen umgeschlagen, das entspricht etwa 33 Lkw-Ladungen. Die Container kommen vor allem über den Regioport, für den Hölkemeier der wichtigste Kunde ist. 180 Personen arbeiten hier in zwei Schichten von 6 bis 22 Uhr. Der Verkehr läuft entweder über eine tiefergelegte Zufahrt im Süden oder entlang der Westseite des Gebäudes. Damit sollte auch dem Lärmschutz Rechnung getragen werden, der im gesamten Planungsprozess nicht nur des Gewerbegebietes, sondern auch des Regioports eine wichtige Rolle gespielt hatte. Beim Kampf gegen den Lärm dürften auch die Elektrofahrzeuge eine wichtige Rolle spielen. Ob der Plan tatsächlich aufgeht, muss sich in der Zukunft noch zeigen. &bdquo;Wir sammeln in den nächsten Monaten Fakten“, sagt Stille. Später könnten dann zum Beispiel auch die Touren anders geplant werden, um die eigenen Stromproduktion besser nutzen zu können. Die Zuversicht wollen sich beide nicht nehmen lassen – auch wenn die Sonnenstrahlen eines weiteren Tages nicht genutzt werden konnten. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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