Details nach Siegfried-Einbruch in Minden: Diebe haben wohl kiloweise giftige Stoffe gestohlen

Minden. Es war ein filmreifer Einbruch, der sich in der Nacht zum 17. November an der Karlstraße in Minden ereignete: Die Kriminellen fuhren mit Sportwagen bei Siegfried Pharmachemikalien vor, hebelten Türen auf, erbeuteten in wenigen Minuten gefährliche Substanzen. Von den Tätern fehlt seitdem jede Spur. Die Polizei und das Unternehmen halten sich zu Details bedeckt. Mehrere Quellen berichteten dem MT jedoch unabhängig voneinander, welche chemischen Substanzen die Diebe geklaut haben sollen. Demnach erbeuteten die Kriminellen insgesamt rund 20 Kilogramm Oxymetazolin und 35 Kilogramm Xylometazolin. Weder die Polizei noch Siegfried möchten sich zu dieser Information äußern. Thomas Bensch, Sprecher der hiesigen Polizei, sagt auf Anfrage: Zur Tatbeute würden aus &bdquo;ermittlungstaktischen Gründen“ keine Angaben gemacht. Identisch äußert sich Peter Stierli, Sprecher von Siegfried. Eine solche Zurückhaltung ist gängige Praxis, um kein Täterwissen preiszugeben, das vor Gericht möglicherweise als Beweismittel dienen könnte. Jedoch sind in Mitarbeiterkreisen laut Informationen des Mindener Tageblatts längst nicht nur der Tathergang, sondern vor allem auch die abhandengekommenen Substanzen ein Thema. Denn: Sowohl Oxymetazolin als auch Xylometazolin sind nicht ungefährlich. Im Gegenteil: Vor allem Oxymetazolin ist in seiner Reinform höchst giftig. Nur 0,8 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht wirken tödlich, damit ist die chemische Verbindung laut der toxikologischen Datenlage noch mal um einiges tödlicher als zum Beispiel Blausäure. Es gibt kein Gegengift. Stoffe für Drogenmilieu interessant Dennoch ist unwahrscheinlich, dass die Substanzen aufgrund ihrer Giftigkeit gestohlen wurden. Ein Diebstahl aus einer anderen Motivation heraus erscheint wahrscheinlicher. Diese Vermutung hat auch Professor Dr. Tilo Grosser. Er ist Leiter der Translationalen Pharmakologie an der medizinischen Fakultät der Universität Bielefeld. Zwar sei es reine Spekulation, die Stoffe könnten aber durchaus fürs Drogenmilieu interessant sein, sagt er. Die Chlorsalze der Substanzen, also Xylo- beziehungsweise Oxymetazolinhydrochlorid, seien jeweils Wirkstoffe in Nasentropfen und Nasensprays. Bei lokaler Anwendung in niedriger Dosierung zum Abschwellen der Nasenschleimhaut seien die Stoffe also gut verträglich. Bei zu langer, regelmäßiger Nutzung könne aber eine Art von Abhängigkeit entstehen. &bdquo;Das ist dann keine Sucht wie zum Beispiel bei Nikotin oder Alkohol“, erklärt Tilo Grosser. Es fände vielmehr eine Regulation der Zielstruktur statt, die Nasenschleimhäute würden sich an die Substanz gewöhnen. Nasenspray würde immer kürzer wirken, sodass zum Durchatmen immer wieder und immer häufiger zum Spray gegriffen werden müsst. &bdquo;Dieser Gewöhnungseffekt kann zu schweren Schäden der Nasenschleimhaut führen. Deshalb sollen solche Nasensprays nur für wenige Tage verwendet werden“, so der Pharmakologe. Wirkähnlichkeiten zu Crystal Meth In ihrer Reinform lassen sich Xylometazolin und Oxymetazolin, jeweils weiße Pulver, aber zudem auflösen und missbräuchlich inhalieren. In gewisser Hinsicht ähnele die Wirkung synthetischen Drogen - also zum Beispiel Crystal Meth. &bdquo;Gleichzeitig kommt es allerdings zu einer stark blutdrucksteigernden Wirkung“, so der Universitätsprofessor. Ähnliche Substanzen würden zum Beispiel zur Blutdruck-Regulierung bei Operationen genutzt werden, wenn der Blutdruck abzufallen droht. Ein Konsum von zu großen Mengen sei nicht zu unterschätzen und lasse den Blutdruck in gefährliche Höhen steigen. &bdquo;Missbrauch dieser Substanzen kann zu ernsthaften Schäden im menschlichen Körper führen und auch tödlich sein“, warnt Tilo Grosser. Vor ernsthaften Gefahren für die Gesundheit hatte auch die Polizei im November in ihrer ersten Einsatzmeldung gewarnt. Die Beamten waren damals zwar wenige Minuten nach der Alarmierung schon am Werk an der Karlstraße angekommen, hatten die Einbrecher aber nicht stellen können. Die Kriminellen hatten nicht nur ihre Fluchtwagen, sondern auch ihre Fluchtroute sehr genau gewählt. Statt über die Karlstraße in Richtung der Stadt - und damit der Leitstelle der Polizei - zu flüchten, steuerten die Unbekannten mit erheblicher Geschwindigkeit in Richtung B482. &bdquo;Aufgrund der rücksichtslosen und gefährlichen Fahrweise der Täter gelang es im Rahmen der Sofortmaßnahmen mit zahlreichen Streifenwagen nicht, unmittelbaren Sichtkontakt zu den Fluchtfahrzeugen zu halten“, sagte die Polizei damals. Es folgte ein öffentlicher Aufruf, dass sich mögliche Zeugen in der Leitstelle melden sollen - ohne Erfolg. &bdquo;Leider sind bisher keine Hinweise zu den Tätern eingegangen“, vermeldet Pressesprecher Thomas Bensch. Während die Beamten ihre Ermittlungen fortsetzen, läuft intern bei dem Pharmakonzern die Aufarbeitung. &bdquo;Wir haben das Sicherheitskonzept noch einmal stark analysiert“, erklärt Peter Stierli. Der Pressesprecher betont, dass die Sicherheitsvorkehrungen am Werk in Minden &bdquo;sehr hohen Standards“ entsprechen würden. Informationen der Redaktion, wonach es in diesem Jahr bereits mehrere Einbrüche beziehungsweise Einbruchsversuche bei Siegfried in Minden gab, kommentiert er nicht. Der Sprecher versichert aber, dass die Vorkehrungen seit dem Vorfall noch einmal massiv erhöht worden seien. Er hoffe nun, dass die polizeilichen Ermittlungen bald Erfolg haben.

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