Stollen, Stein und Bergwerksschächte: Unter der Erde ist im Kreis Minden-Lübbecke eine Menge los

Minden. Unter der Erde ist im Kreis Minden-Lübbecke eine Menge los. Es gibt große und kleine Löcher, Stollen von Menschen gemacht oder Höhlen von der Natur, moderne Einflüsse und historische Entwicklungen – das Mindener Tageblatt schaut in diesem Sommer buchstäblich unter die Oberfläche. Hier einige Beispiele für das, was sich beim Graben finden lässt. Der Bergbau hat die Region stärker geprägt, als man auf den ersten Blick denken könnte. Spuren sind noch überall. Beispielsweise bei besonderen Freizeitangeboten wie "Potts Park", der auf einem alten Bergwerksgelände entstanden ist, oder dem Besucherbergwerk Kleinenbremen. In der Landschaft sind Fördertürme zu sehen, in den Wäldern gibt es alte Steinbrüche. Und viele, viele Tunnel durchziehen die Berge. "Ich finde es faszinierend, dass hier auf engem Raum gleich drei verschiedene Arten von Bodenschätzen gefunden und gefördert wurden", sagt Meißens Ortsheimatpfleger Karl-Heinz Drees: Steinkohle, Eisenerz und Sandstein. Alle drei prägten die Region auf ihre Weise. Dreiklang im Bergbau: Steinkohle, Eisenerz und Sandstein Kohle: Über Jahrhunderte wurden auf beiden Seiten der Weser bei Minden Steinkohleflöze abgebaut. Schon für Anfang der 1630er Jahre ist der erste Kohlefund am Schwarzen Hucken Bölhorst verbürgt. Um 1800 gab es in kaum einem anderen Teil des damaligen Deutschen Reichs so tiefe Gruben wie auf der Zeche Bölhorst: Schon 1784 wurden dort Lagerstätten in über 100 Metern Tiefe erreicht. Die Kohle ging größtenteils nach Rehme zum Salzbergwerk. Auch auf der anderen Weserseite gab es seit 1820 Versuche, Kohle rentabel ans Tageslicht zu holen. Die Zeche "Preussische Clus" blieb anfangs allerdings wenig ergiebig, bis 1876 der 190 Meter tiefe Schacht Meißen ausgegraben wurde. Kohle aus Minden gab es bis 1958. Eisenerz: Die ersten Nachweise für Eisenerzbergbau am Wiehengebirge gibt es Mitte des 18. Jahrhunderts. Ab 1935 arbeiteten rund 1200 Bergmänner in der damals größten Eisenerzgrube Deutschlands in Dützen - darum entstand auch die Siedlung Uphausen. Doch am 2. August 1940 kam dort der Anfang vom Ende: ein großer Wassereinbruch, der alles überflutete. Eine der bis heute spürbaren Folgen: Zwei Jahre später wurde der Wasserbeschaffungsverbands Wiehengebirge gegründet, weil Quellen versiegt waren und Mühlenteiche leer fielen. Der Eisenerzbergbau am Nordhang des Wesergebirges: Intensiv erforscht und begleitet wird er im Besucher-Bergwerk und Museum Kleinenbremen. Dort sind seit Eröffnung 1988 mehr als eine Million Menschen mit der Grubenbahn in die Tiefe gefahren. Die Barbara Erzbergbau Gesellschaft betreibt aktuell noch Bergbau im Kreisgebiet. Sandstein: Zum Abbau unter Tage hat der Bünder Arzt und Historiker Dr. Rainer Ebel geforscht. Ein Verfahren, das die Familie Michelsohn in Hausberge entwickelt hatte, machte Hausberge bis 1927 zum Zentrum des Porta-Sandstein-Abbaus. Diese Stollen wurden dann ab März 1944 von KZ-Häftlingen zur Rüstungsverlagerung ausgebaut; 3.000 Männer wurden hier zur Arbeit unter schlimmsten Bedingungen gezwungen. Der Verein KZ-Gedenk und Dokumentationsstätte Porta Westfalica arbeitet seit 2009 daran, diese Geschichte zu erforschen, dokumentieren und zu bewahren. Bodenschätze – vielleicht auch eine Chance für die Zukunft Warum Minden nicht zum zweiten Ruhrgebiet mit Bergbautradition wurde? Zum einen waren Ergiebigkeit und Qualität der Materialien unterschiedlich. Zum anderen kamen die Bergleute größtenteils nicht von hier, sondern wurden im Umland rekrutiert. So waren auch die bergmännischen Gewerkschaften relativ klein. All das harrt jedoch noch der weiteren geschichtlichen und soziohistorischen Forschung. Museumschef Philipp Koch weiß, dass im Deutschen Bergbaumuseum in Bochum Mindener Bestände lagern. "Da hat aber noch nie jemand systematisch reingeschaut." Wenn die Rohstoffe immer teurer werden, die aus der Welt nach Deutschland exportiert werden – kann es dann sein, dass irgendwann hier in der Region noch mal mit dem Abbau begonnen wird? Beim gegenwärtigen Stand der Technik eher nicht, so die Antwort in Kürze. Es gibt allerdings ein Aber: An Förderverfahren wird seit 2014 intensiv geforscht, auch mit Bundesmitteln. Und was sich da entwickelt, kann aktuell keiner sicher vorhersagen. Rohstoffsuche im eigenen Land Seit 2010 die Preise für seltene Erden in die Höhe schossen, hat Deutschland die Rohstoffsuche im eigenen Land wieder mehr auf dem Schirm. Denn fast alle dieser Stoffe, die für Handys, Windkraftrotoren, E-Auto-Motoren oder LED-Lampen benötigt werden, importiert Deutschland, zumeist aus China. Hier im Land wurden die Forscher tatsächlich an vielen Stellen fündig. In den Absetzbecken eines ehemaligen Erzbergwerks im Harz beispielsweise wurden Kobalt, Iridium und Gallium gefunden – und auch seltene Erden in winzigen Partikeln. Die schlechte Nachricht: Die Technologie zum Extrahieren existiert entweder noch nicht oder ist viel zu teuer. Ähnlich ist es mit Zirkon, das in Ostseeschlick nachgewiesen werden kann. Und ein großes Vorkommen in Sachsen kennt man seit den 1970er Jahren. Auch hier lohnt der Abbau bisher nicht. Federführend bei diesem Thema ist die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Der Kreis Minden-Lübbecke sollte jedenfalls seine Hoffnung nicht auf seltene Erden als Einkommensbringer in nächster Zeit setzen. Und was ist mit Öl und Gas? Die Erkundungen für Fracking wurden im Kreisgebiet bekanntlich eingestellt; auch wenn die Landes-FDP da gerade wieder einen Vorstoß gemacht hat, scheint das wirtschaftlich zurzeit keinen Sinn zu machen. Mehr könnte sich kurz hinter der Landesgrenze im Schaumburgischen tun, da haben sich Unternehmen die Rechte gesichert, erneut nach "Kohlenwasserstoffen" zu suchen. Doch selbst bei positiven Ergebnissen würde vor Weiterem ein langwieriges Planfeststellungs- und Umweltverträglichkeitsverfahren anstehen. Archäologie zeichnet ein Bild der letzten 7.000 Jahre Im Vergleich zu allen, die nach Bodenschätzen suchen, bewegen sich die Archäologen eher an der Oberfläche. Doch auch sie finden unter der Erde Schätze; und das nicht nur im übertragenen Sinn. So gab es seit 2010 viele Ausgrabungen, die das Bild davon revolutioniert haben, wie die Menschen lebten. In Dankersen fanden sich Belege, dass hier schon vor 7000 Jahren Siedler waren. Auch die älteste noch existierende Zahnbürste Europas wurde in Minden gefunden. Und war Varus' Sommerlager vielleicht hier – der, nach dem die Varusschlacht benannt ist? Dieser Wissenschaftsstreit begann mit Funden in Porta Westfalica. Kanalisation und Klimawandel 650 Kilometer Kanalnetz ziehen sich unter der Stadt entlang – manche der Rohre und Bauten sind über 100 Jahre alt. "Zum Teil sind die noch sehr gut in Schuss", sagt Peter Wansing, Chef der Städtischen Betriebe Minden (SBM), der die Ingenieure von früher für ihre Baukunst bewundert. Doch nach und nach wird es nötig sein, die Rohre zu ersetzen – und das gilt nicht nur für die langsam zerbröselnden Betonleitungen, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Windeseile in den Boden gebracht wurden. Die Entwässerung steht aktuell wegen der Folgen des Klimawandels vor einem Paradigmenwechsel: Weg vom Mischsystem, in dem Regenwasser und Abwasser zusammen transportiert werden, hin zum Trennsystem und dazu, dass der Regen da bleibt und versickert, wo er fällt. Und eigentlich juckt es den SBM-Chef in den Fingern, über alle Versorgungsleitungen, die unter den Straßen liegen, noch mal neu und grundsätzlich anders nachzudenken. Jetzt ist da ein großes gewachsenes Durcheinander: Gas, Wasser, Strom, Fernwärme, Telefon, Glasfaser, Abwasser – Rohre und Leitungen wurden eben nacheinander da in den Boden gezogen, wo noch Platz war. "Eigentlich müssten wir einen einzigen großen Versorgungskanal haben, in den alles hinein kann. Wenn man ein Haus saniert, macht man das doch auch so." Man müsste mal rechnen, unter welchen Bedingungen es sinnvoll wäre, die Stadt nach und nach umzurüsten, denkt er. Auch, weil sich mit dem Umstellen von Mischwasser auf getrennte Entsorgung langfristig die Struktur des Netzes ändern wird. Mit einem solchen gemeinsamen Kanal könnte auch in Zukunft schneller auf sich ändernde Bedürfnisse reagiert werden. Heilwasser aus alten Schachtanlagen Nein, Minden ist keine Badestadt. Aber dass es hier ein Hotel gibt, das "Bad" Minden heißt, hat gute Gründe. Heilkräftiges und salzhaltiges Solewasser fand schon zu Zeiten des Bergbaus in Bölhorst interessierte Abnehmer. 1876 entstand dort das "Hermann-Solbad", zwölf Jahre später kaufte ein findiger Mechaniker den ehemaligen Schacht Laura. Hier richtete er einen Badebetrieb mit Sole-Grubenwasser ein. Der Bölhorster Schacht mit seinem Wasser ging dann 1893 in den Besitz eines Gastwirt Behrens über, der eine Leitung bis zur Gastwirtschaft "Tivoli" zog. Die stand da, wo heute das "Hotel Bad Minden" ist. Bis heute wird das extrem salz- und eisenhaltige Wasser aus dem ehemaligen Schacht gefördert. Spannend für Geologen "Diese Region ist richtig spannend", sagt Dr. Manfred Dölling. Er arbeitet beim Geologischen Dienst Nordrhein-Westfalen, und für ihn gehört der Blick in den Untergrund zum Alltag. Die Landesbehörde deckt ein großes Themenfeld ab – von Geothermie über Studien zum Zustand des Waldbodens bis zum Risikomanagement für den Altbergbau. Behörden, Forscher und Projektentwickler versorgen sich dort mit einer Fülle von Daten. Döllings Faszination rührt auch daher, dass hier in der Erdgeschichte eine Menge los war. Was man daraus lernen kann? Unter anderem, dass sich die Erdoberfläche ständig entwickelt und dass nicht nur Biotope, sondern auch Geotope schützenswert sind und Aufmerksamkeit verdienen, sagt er. Bohrkerne zeigen den Forschern sehr genau, wie sich die Veränderungen der Umwelt ausgewirkt haben. Und darum ist der Blick in die Vergangenheit auch einer in die Zukunft.

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