Retter aus Minden-Lübbecke nach Silvester-Angriffen in Sorge

Minden/Lübbecke. &bdquo;Hoffentlich kommen alle wieder heile nach Hause.“ Den Gedanken hatte Frank Vogt, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), am Silvesterabend. Er hatte selbst Spätdienst, der bis 21 Uhr dauert. Einige Stunden später war klar: Im Kreis Minden-Lübbecke blieb die Situation übersichtlich, während sich in Großstädten wie in Berlin ganz andere Szenen abspielten: Brennende Straßenbarrikaden, demolierte Autos und der Einsatz von Pyrotechnik als Waffe. Böllerverbot und harte Bestrafung der Randalierer werden in Folge nun bundesweit diskutiert. Minden: nur ein Vorfall In Minden hingegen war nach Angaben des Leiters der Feuerwehr, Tim Upheber, nur ein einziger Vorfall erwähnenswert: Um 00.01 kam ein Alarm wegen eines Heckenbrandes. Der erwies sich dann vor Ort als Fehlmeldung – jemand hatte den Qualm von Feuerwerkskörpern falsch gedeutet. Aber als die Brandlöscher mit dem Einsatzwagen in die zu diesem Zeitpunkt belebte Straße fuhren, wurden weiterhin Feuerwerkskörper aus der Menge heraus gezündet. &bdquo;Einige Personen hatten sich zudem bei der Durchfahrt der ersten Feuerwehrfahrzeuge bewusst auf die Straße begeben, um diese mit Böllern zu bewerfen oder mit so genannten ,Römischen Lichtern oder Feuerwerksbatterien zu beschießen.“ Erst als die Brandbekämpfer abrückten, habe sich die Lage wieder beruhigt. Mehr Personal, ein zusätzlicher Rettungswagen: Die Feuerwehr hatte sich nach Jahreswechseln ohne Feuerwerk nun auf eine lebhafte Nacht vorbereitet. Upheber: &bdquo;Trotz der erhöhten Zahl der Rettungsdiensteinsätze verliefen diese im Gesamten betrachtet ohne größere Zwischenfälle und konnten ruhig und professionell bearbeitet werden.“ Tatsächlich gab es in der Silvesternacht zwischen 20 und 7 Uhr des nächsten Morgens 38 Einsätze im Stadtgebiet Minden. Darunter waren elf Brand- und 27 Rettungsdiensteinsätze. Bei den Brandeinsätzen handelte es sich hauptsächlich um kleine Vegetationsbrände und brennende Müllcontainer, welche durch Feuerwerk ausgelöst wurden. &bdquo;Da läuft etwas grundsätzlich falsch“ &bdquo;Die Randalierer denken, sie können tun was sie wollen“, sagt Frank Vogt mit Blick auf die bundesweiten Übergriffe. &bdquo;Da läuft grundsätzlich etwas falsch.“ Die Gewerkschaft der Polizei vertritt in Minden-Lübbecke etwa 450 Mitglieder. Das Thema &bdquo;Gewalt gegen Retter“ ist in den vergangenen Jahren ein immer größeres Problem geworden. 2021 wurden nach Angaben der Pressestelle der Kreispolizeibehörde 105 Fälle von Widerstand oder &bdquo;tätlichem Angriff“ gegen Vollstreckungsbeamte dokumentiert. Für 2022 gibt es noch keine endgültigen Zahlen; deutlich ist aber: Sie sind höher als im Jahr davor. Beleidigt, bedroht, geschlagen im Dienst – Vogt kennt Fälle, wo Kollegen sogar von Angreifern gebissen wurden. Die GdP nimmt über das Innenministerium Einfluss auf die politische Diskussion. Er selber hält ein Böllerverbot für eine gute Idee, auch zum Schutz von Tieren und Umwelt. Aber löst ein Böllerverbot das Problem eskalierender Gewalt? &bdquo;Vermutlich nicht“, meint Jens Grabbe, Leiter der Freiwilligen Feuerwehr Porta Westfalica. &bdquo;Der Böller als solches ist nicht das Problem, sondern der Umstand, dass er als Waffe eingesetzt wird.“ Grabbe sieht einen besseren Ansatz in härteren Strafen für Randalierer. &bdquo;Hier ist die Justiz gefragt.“ Dunkelziffer hoch Statistiken zu dem Thema &bdquo;Gewalt gegen Helfer“ spiegeln vermutlich nur die halbe Wahrheit wider. Denn die Dunkelziffer ist hoch. Das Land Nordrhein-Westfalen hat Anfang 2022 ein neues Meldesystem für Gewalt gegen Einsatzkräfte von Feuerwehr und Rettungsdiensten an den Start gebracht. Das &bdquo;Innovative Melde- und Erfassungssystem Gewaltübergriffe“ (IMEG) wird zunächst in zwölf Kreisen und kreisfreien Städten getestet, darunter auch der Kreis Minden-Lübbecke. Übergriffe jeglicher Art sowie Sachbeschädigungen können die Helfer unkompliziert online melden. Einsatzkräfte, die Übergriffe erlebt haben, können nun schon auf dem Rückweg von einem Einsatz direkt auf eine Webseite gelangen, wo sie die Details eintragen: Was ist passiert? Welche Dienststelle ist betroffen? War der Täter eventuell selber verletzt? Stand er unter Drogen- oder Alkoholeinfluss? . Dieses System werde auch die Freiwillige Feuerwehr Porta in diesem Jahr übernehmen, so Leiter Jens Grabbe. &bdquo;Wenn unsere eigenen Leute in Gefahr sind, ist eindeutig die Grenze überschritten.“ Allerdings ärgern sich Retter auch über stumpfe Rücksichtslosigkeit. Beispiel: Es brennt oder ein Unfall ist passiert, die Polizei sperrt die Straße – und Autofahrer missachten die Sperrung. &bdquo;Da müssen wir während des Einsatzes zur Seite springen, um nicht überfahren zu werden.“ Wer im Einsatz ist, muss die Augen überall haben. Oliver Kahre, Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Hille, hat auch schon erlebt, dass Straßensperren ignoriert wurden. &bdquo;Da muss man ruhig bleiben.“ Solche Eindrücke werden gerade überlagert von den Randale-Videos aus Berlin. Mehr Rücksichtnahme und Respekt, da sind sich die Helfer einig, wären ein Schritt in die richtige Richtung. Jens Grabbe ist froh, dass solche Vorfälle bisher nicht der Nachwuchsgewinnung schaden. Zumindest in Porta Westfalica sei die Jugendfeuerwehr mit 170 Mitgliedern gut aufgestellt. Zaun für mehr Sicherheit der Einsatzkräfte Die Sicherheit der Einsatzkräfte ist in Minden nicht nur Thema, weil sich die Stadt am Pilotprojekt der Melde-App beteiligt. Noch in diesem Januar sollen die zuständigen politischen Gremien der Stadt über ein 100.000-Euro-Projekt entscheiden: Die Abriegelung der Feuerwache an der Marienstraße. Diese ist keine direkte Folge vom Ausschreitungen anderswo, sondern daran wird hier schon länger geplant. Unter anderem haben Vorfälle wie die Nagel-Attacken vom September 2021 die Planungen befeuert. &bdquo;Wir machen das ungern und mit Bedauern, aber aus Sicherheitsgründen halten wir das für das Beste“, so Beigeordneter Lars Bursian, der auch für den Bereich Feuerschutz zuständig ist. Zurzeit kann jeder Tag und Nacht zu Fuß, per Rad oder mit Kraftfahrzeugen auf das Gelände gelangen. Das ist auch schon deswegen nicht mehr tragbar, weil das Land NRW fordert, dass kritische Infrastruktur – zu der die Feuerwache gehört – immer funktionsfähig sein muss. Offen und zugänglich und ohne eine Zaunanlage kann es keinen Schutz gegen Sabotage geben – Sabotage wie die Sache mit den Nägeln. Bisweilen seien auch die Schrauben der Felgen von Einsatzwagen lose gewesen, so Bursian. &bdquo;Das überprüfen die Feuerwehrleute jetzt regelmäßig.“ Alltägliche Hindernisse Verhindert werden können mit einer Abriegelung auch ganz alltägliche Hindernisse jenseits von Sabotage: Immer wieder gibt es auf der kleinen Verbindungsstraße Falschparker, die vor den Toren der Fahrzeughallen stehen und diese blockieren. Prinzipiell besteht auch die Gefahr, dass es mal zu einem Unfall mit Autos oder Radfahrern kommt, wenn die großen Feuerwehrfahrzeuge im Eiltempo ausrücken. Dieses ist ein relativ neues Problem, weil die Einsatzfahrzeuge in den letzten Jahren deutlich größer geworden sind und daher mehr Rangierfläche benötigen. Technische Lösungen werden künftig dafür sorgen, dass Einsatzfahrzeuge von Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei die Straße jederzeit nutzen können. Bevor die Zaunanlage gebaut werden kann, muss der Weg allerdings formell entwidmet werden. Das soll nun zügig vorangehen: der Verkehrsausschuss wird sich damit am 18. Januar befassen. Direkt am Tag darauf ist eine Sondersitzung des Fachausschusses für Feuerschutz anberaumt.

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