Stemwede. In Eiern eines EU-Biobetriebes sind über dem Grenzwert liegende Konzentrationen des dioxinähnlichen PCB (polychlorierte Biphenyle) festgestellt worden. Der in der Gemeinde Stemwede ansässige Betrieb mit insgesamt 25.000 Legehennen beliefert vor allem Supermärkte. Seit dem 7. März ist er gesperrt. Bekannt gegeben hat das Landwirtschaftsministerium NRWdiese Informationen jetzt.
Luzian Junkereit aus Neuenknick ist Direktkandidat der Piraten für den Wahlkreis 88 (Altkreis Lübbecke, Hille und Petershagen) und erklärter Gegner der Massentierhaltung. Auf einem Hof in Neuenknick zwischen Petershagen und Stolzenau erfreut der 43-Jährige sich an Gänsen und Wachteln sowie fünf draußen lebenden Hühnern und zehn Legehennen. Die späten und spärlichen Informationen des Ministeriums in Düsseldorf und das wochenlange Schweigen der Kreisverwaltung in Minden zu den belasteten Eiern kommentiert er so: "Da sieht man, wie die Verantwortlichen zu ihrer Bevölkerung stehen."
"In den Gesetzen ist der Begriff Bio schwammig gehalten"
Auch auf die Frage, warum ein Betrieb mit 25.000 Legehennen als Bio-Erzeuger gelte, weiß er eine Antwort: "In den Gesetzen ist der Begriff Bio schwammig gehalten." Echten Tier- und Verbraucherschutz sehe er nicht, dafür "eine Handvoll Menschen, die hemmungslos dem Geld hinterher hechten".
Grünen-Landtagskandidat Jürgen Friese aus Hüllhorst – wie Junkereit gegen die Massentierhaltung – hat sich am Mittwoch mit der Frage beschäftigt, um welchen Betrieb es sich handeln könnte: "Das ist nicht rauszukriegen, es wird geblockt", so sein Fazit am frühen Nachmittag. Sicher sei nur, dass es sich "nicht um einen Bioland-Betrieb" handele, sondern um einen "EU-Biobetrieb", der nach EU-Gesetz überwacht werde.
Stutzig habe ihn die Aussage des NRW-Verbraucherschutzministeriums gemacht, eine "akute Gefährdung" durch den Verzehr der betroffenen Eier sei nicht zu erwarten. Dem hält Friese unmissverständlich entgegen: "PCB ist krebserregend." Zugleich warnt er davor, den gesperrten Betrieb automatisch für die Belastung der Eier verantwortlich zu machen: "Die meisten betreiben ihren Betrieb ordentlich."
"Vieles läuft an den Bürgern vorbei"
Unzufrieden ist auch er mit der "schlechten Informationspolitik" der Kreisverwaltung. Die geplante Geflügelmastanlage in Tengern sei ein gutes Beispiel für das typische "heimlich, heimlich" der Behörden. Vieles laufe "an den Bürgern vorbei".
Am Mittwochnachmittag veröffentlichte das Verbraucherschutzministerium NRW die Stempelnummer der belasteten Eier: 0-DE-0521041. Anhand dieser Nummer auf den Eiern könnten die Verbraucher feststellen, ob sie mit PCB belastete Eier gekauft haben.
Eier nicht in Edeka- und WEZ-Lebensmittelmärkten
In Supermärkten der Edeka-Kette finden diese Eier sich nicht. Das sagte auf Anfrage der für den Einkauf von Frischwaren für Edeka zuständige Dieter Krüger am Mittwoch. Auch WEZ-Märkte haben laut Stefan Preuß keine Eier von dem betroffenen Betrieb in Stemwede bezogen.
Holger Topp, Geschäftsführer des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes in Lübbecke, betonte gestern das vorbildliche Verhalten des Stemweder Betriebes – dieser habe den alarmierenden Befund aus Eigenkontrollen dem Kreis Minden-Lübbecke gemeldet.
Landrat Dr. Ralf Niermann wollte gestern Abend den Vorwurf des NRW-Umweltministeriums, die Meldeverpflichtung nach dem Dioxin-Fund sei nicht eingehalten worden, nicht kommentieren.
Informationspolitik der Kreisverwaltung
Agieren statt reagieren
VON TYLER LARKIN
Dazu trägt auch die schleppende Informationspolitik der Kreisverwaltung bei. Obwohl sie es war, die den Hof am 2. April sperrte, kam die entsprechende Meldung aus dem NRW-Umweltministerium. Gestern Vormittag suchte man in Minden erst einmal Informationen zusammen, um eine Pressemitteilung herausgeben zu können. Dabei wusste das Kreisveterinäramt schon seit dem 26. März, dass ein Dioxin-Verdacht bestand.
Die Pressestelle wurde gestern von einem halben Dutzend Medien mit Anfragen bombardiert Sie konnte nur reagieren, nicht agieren. Doch ohne das Umweltministerium wüssten die Bürger immer noch nichts von den Stemweder PCB-Eiern. Der Landrat weilte gestern laut Terminplan übrigens bei einer Kulturfestival-Pressekonferenz.