RAHDEN-TONNENHEIDE

Koloss aus grauer Vorzeit

Als der Große Stein gehoben wurde

17.09.2011 | 17.09.2011, 15:00
Der steinerne Gigant liegt auf dem Erdboden. Rechts auf der Scheune entfernen Helfer einen Teil des Dachstuhls, um Platz für den Autokran zu schaffen. - © ARCHIVFOTOS: W. HORSTMANN
Der steinerne Gigant liegt auf dem Erdboden. Rechts auf der Scheune entfernen Helfer einen Teil des Dachstuhls, um Platz für den Autokran zu schaffen. | © ARCHIVFOTOS: W. HORSTMANN

Rahden-Tonnenheide. Abertausende Jahre schlummerte er in der Erde, der Große Stein von Tonnenheide. Ein Riesenfindling, der bei einer der letzten Eiszeiten vor etwa 140.000 bis 230.000 Jahren von einem Gletscher aus Südschweden in heimische Gefilde transportiert worden war. Vielleicht eine Milliarde Jahre alt ist der Granitblock, ein Gigant aus grauer Vorzeit, den seit nunmehr 30 Jahren jeder Interessierte genau betrachten kann.

1981 wurde er in einer spektakulären Aktion ans Tageslicht befördert. Tausende Schaulustige verfolgten damals die Bergung. Dass die Hebung kein leichtes Unterfangen werden würde, darüber waren sich die Verantwortlichen vor 30 Jahren klar, waren doch frühere Versuche kläglich gescheitert. Und niemand wusste genau, wieviel der Granit-Findling genau wiegen würde. Auf 297 Tonnen belief sich die Schätzung der Spezialisten der Firma Kronschnabel aus Bremerhaven, die am 27. August mit schwerem Gerät in den Tonnenheider Ortsteil Hahnenkamp anrückten: ein 200-Tonnen-Autokran und ein Raupenkran - beide zusammen verfügten sie über eine Hebeleistung von etwa 300 Tonnen.

Der Tonnenheider Zimmermeister Wilhelm Möller und Helfer des Heimatvereins Rahden hatten gute Vorarbeit geleistet, denn zunächst musste der 300 Jahre alte Fachwerkspeicher auf dem Hof Klasing Nr. 9 umgesetzt werden.

Die Aktion verlief planmäßig, und bald schwebte am Freitag das 50 Tonnen schwere Bauwerk am Ausleger des Raupenkrans, der es komplett auf sein neues Fundament absetzte. Dann wurde der Findling zur Gänze freigelegt. Am Samstag sollte er - das war der Plan - auf nylonverstärkten Luftrollen aus dem tiefen Loch gezogen werden, in dem er viele Jahrtausende geruht hatte.

Am Samstag stellte sich das Unterfangen jedoch als nicht möglich heraus. Zu uneben war die Unterseite des felsigen Ungetüms. Firmenchef Kronschnabel disponierte um. Der Autokran wurde neben den Findling platziert. Es wurde eng auf den von Gebäuden umstandenen Hofplatz. Ein Teil eines Scheunendaches musste gekappt werden, um Platz zu schaffen für die schwierige Kranarbeit.

Am Sonntag, 30. August, sollte es dann endlich geschehen. Die Stahltrossen waren unter dem Riesenstein hindurch gezogen. Vorsichtig wurde er angelupft. Dann kamen Lastwagen angefahren und kippten eine Ladung Sand nach der anderen ins Loch, um den Riesenstein immer weiter zur Überfläche hieven zu können. Was der Natur gelungen war - den Findling mit eisiger Kraft zu bewegen - stellte die hochmoderne Technik vor erhebliche Probleme.

Währenddessen waren Scharen Schaulustiger nach Tonnenheide gekommen, sogar aus dem Oldenburgischen waren Neugierige angereist. Wiesen wurden kurzerhand in Parkplätze umfunktioniert, die Blauröcke der Tonnenheider Löschgruppe hatte bei ihrem Ordnungsdienst alle Hände voll zu tun.

Als die Arbeiter der Firma Kronschnabel Mittagspause machten, war Gelegenheit für die Schaulustigen gegeben, nah an den Findling heran zu kommen - und das wurde natürlich ausgenutzt.

Dann machten sich die Spezialisten wieder an die Arbeit. Zentimeter für Zentimeter hoben die Kräne den Riesenstein empor. Gegen 15.30 Uhr war es geschafft. Jeweils zehn Meter konnte der Findling weiter transportiert werden, dann mussten die Kräne nachrücken. Schließlich hatte der Große Stein seinen neuen Platz unter den alten Eichen gefunden, wo er heute noch von Schaulustigen bestaunt werden kann.

Wie waghalsig damals die Bremerhavener Spezialisten vorgingen, wollte Firmenchef Kronschnabel vor 30 Jahren nicht veröffentlicht wissen und nötigte dem Schreiber dieser Zeilen das Versprechen ab, nicht darüber zu schreiben. Die maximale Tragkraft beider Kräne betrug ja etwa 300 Tonnen. Der Dicke Stein ist jedoch viel schwerer - etwa 350 Tonnen. Aber es ist ja alles gut gegangen.