LÜBBECKE

Gambrinus stieß mit Brandt an

Zwischen Bierbrunnenfest und Mauerbau: das Lübbecker Land im Sommer 1961

In den 60er Jahren fuhren noch Autos durchs Stadtzentrum. Die heutige Fußgängerzone wurde erst 1975 eröffnet. Vorne rechts im Bild ist das Gebäude zu sehen, in dem heute die Goldschmiede von Zeddelmann untergebracht ist. |

11.08.2011 | 11.08.2011, 00:00

Lübbecke (nw). Im Sommer 1961 wurde in Berlin ein Bauwerk errichtet, das für Empörung sorgte und sich bis 1989 wie eine Narbe durch die Stadt zog: die Berliner Mauer, Symbol für die Trennung der DDR von der Bundesrepublik. Nun jährt sich der Mauerbau zum 50. Mal. Damit bietet sich die Chance für einen kleinen Rückblick auf die jüngste deutsche Geschichte in Berlin und im Lübbecker Land.

Zu Beginn der 1960er Jahre setzten sich immer mehr Menschen aus der Ostzone in den Westen ab. Allein im Juli 1961 hatten über 30.000 Menschen ihr Heil in der Flucht nach West-Berlin und in die Bundesrepublik gesucht.

Dadurch spitzte sich die Situation besonders für die Berliner zu, denn es war zu diesem Zeitpunkt fast nur noch in Berlin möglich, ohne Probleme von West nach Ost und von Ost nach West zu gelangen.

Für die vielen Flüchtlinge aus der Zone und Ostberlin mussten Aufnahmemöglichkeiten in der Bundesrepublik gefunden werden. An mehreren Orten hatte man daher die früheren Flüchtlingslager wieder geöffnet. Anfang August 1961 wurden auch die Lager in Oppenwehe, Arrenkamp und Haldem für die Aufnahme von Flüchtlingen vorbereitet.

Nur wurden diesmal keine Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten erwartet, sondern aus der DDR.

Kurz zuvor, am 16. Juli 1961, war Willy Brandt über Schnathorst kommend zu einer Stippvisite im Altkreis Lübbecke eingetroffen. Als Regierender Bürgermeister von Berlin und als Kanzlerkandidat informierte er auf seiner Fahrt auch in Lübbecke, Espelkamp und auf dem Kreisturnfest in Pr. Oldendorf die Menschen über die Situation in der geteilten Stadt Berlin.

In Lübbecke schenkten Mitarbeiter der Zigarrenfabrik Blase ihm einige Kostproben aus ihrem Hause. Gambrinus, der Schutzpatron der Bierbrauer, reichte Brandt einen zünftigen Humpen mit heimischem Gerstensaft.

Doch als Gambrinus das nächste Mal seines Amtes waltete, am Bierbrunnensonntag, der 1961 auf den 13. August fiel, schien die Zeit plötzlich stillzustehen. In den frühen Morgenstunden hatten bewaffnete Verbände der DDR damit begonnen, Straßensperren zwischen West- und Ost-Berlin zu errichten. Stacheldraht wurde ausgelegt, Fenster und Türen von Gebäuden, die an der Grenze lagen, wurden zugemauert. Die U- und S-Bahnen stellten ihre grenzübergreifenden Fahrten ein. Willy Brandt, noch immer auf Wahlkampftour durch die Republik, brach seine Reise ab und kehrte nach Berlin zurück.

Die Mauer wurde Realität und der Eiserne Vorhang immer undurchdringlicher. Familie wurden getrennt, Freundschaften auseinandergerissen, alte Feindbilder von West und Ost verschärften sich.

Wie reagierten die Menschen im Altkreis Lübbecke?
Das Bierbrunnenfest erfreute sich außergewöhnlich guten Zuspruchs. Viele Tausend Gäste waren angereist. Längst war noch nicht überall bekannt geworden, was in Berlin geschah. Doch bereits am 15. August folgten zahlreiche Betriebe im Kreis Lübbecke dem Aufruf des DGB, um 11 Uhr die Arbeit für zwei Minuten einzustellen, um ihren Protest gegen den Mauerbau auszudrücken. Auch viele Autos stoppten aus Solidarität.

In den kommenden Monaten konnten mehrfach Abgesandte aus West-Berlin im Lübbecker Land begrüßt werden. Auch machte sich manche Besuchsgruppe aus dem Altkreis auf den Weg nach Berlin.
Damit nahmen sie bereits vorweg, was 1963 der amerikanische Präsident John F. Kennedy in Berlin so formulierte: "Alle freien Menschen, wo immer sie leben mögen, sind Bürger dieser Stadt West-Berlin, und deshalb bin ich als freier Mann stolz darauf, sagen zu können: Ich bin ein Berliner."

Langsam fand man aber auch im Lübbecker Land in den Alltag zurück. So wurden in der Wirtschaft händeringend Arbeitskräfte gesucht. Die Zahl der offenen Stellen war groß. Erste Gastarbeiter, wie sie damals genannt wurden, trafen in Lübbecke ein. 1961 kamen die meisten von ihnen aus Griechenland.

Für neue Betriebe wie den Lübbecker Schlachthof und die Baronia Fahrradfabrik in Rahden wurde eifrig gebaut. Auch für Freizeitvergnügen sollte gesorgt werden, und so entstand in Espelkamp das Hallenbad neben dem Waldfreibad.

Familien und Jugendgruppen zog es im Urlaub in den sonnigen Süden.

Im Telefonverkehr änderte sich ebenfalls etwas, denn im August 1961 wurden im Altkreis Lübbecke die Fräulein vom Amt von einem Knoten-Fernsprechamt abgelöst. Der direkte Draht zu den Verwandten in der DDR aber wurde auch dadurch nicht ermöglicht.

Solidarität für Berlin

In der Stadt Lübbecke erhielt die neu angelegte B 239 als Zeichen der Verbundenheit mit Berlin die Bezeichnung Berliner Straße (früher Herforder Chaussee), und an der Einmündung der Bergertorstraße in die Berliner Straße wurde ein Kilometerstein errichtet, der die Entfernung von Lübbecke nach Berlin angibt.
Doch trotz aller Proteste und Solidarkundgebungen änderte sich nichts. Die Mauer blieb.