Nachruf

Ärzte-Präsident aus Lübbecke: Jürgen Weitkamp mit 86 Jahren verstorben

Ein Nachruf auf den Lübbecker Zahnarzt, der in der Region einiges bewirkt hat. Aber nicht nur hier: Er war Ehrenbürger einer Welterbestadt.

Fast 60 Jahre praktizierte Jürgen Weitkamp als niedergelassener Zahnarzt in Lübbecke. | © Reinhard Günnewig

02.02.2025 | 05.02.2025, 09:01

Lübbecke. Anfang des Jahres hat er beschlossen, sein berufliches Leben ausklingen zu lassen: Also die Arbeit in der Praxis, die sein Vater 1932 eröffnet und die er nach erfolgreichen Studienabschlüssen und Promotionen zum Dr. med. und Dr. med. dent. am 1. August 1967 übernommen hatte. Es folgten Jahrzehnte zahnärztlicher Tätigkeit für zahllose Patienten und eine beispiellose Karriere in der Standespolitik, die ihn 2000 bis ins Präsidentenamt der Bundeszahnärztekammer führte – der Berufsvertretung der rund 90.000 deutschen Zahnmedizinerinnen und Zahnmediziner. Nun ist Jürgen Weitkamp, geboren 1938 in Bielefeld, nach kurzer schwerer Erkrankung gestorben.

Als Gymnasiast dachte er an eine journalistische Laufbahn. Er stellte sich, wie es sein Klassenkamerad – der spätere WDR-Intendant Fritz Pleitgen machte – einer Zeitungsredaktion vor, entschied sich nach ersten Textarbeiten aber für die Wissenschaft. Er studierte Zahn- und Allgemeinmedizin in Marburg, Kiel, Berlin und Mainz, wo er sich einer studentischen Verbindung anschloss. An der University of Michigan im Ann Arbor (USA) absolvierte er ein Studium postgraduate mit prägenden Erkenntnissen und Einsichten für sein berufliches Wirken.

Sein Weg in die Berufspolitik begann Mitte der 1970er-Jahre. Weitkamp wurde Mitglied der Kammerversammlung in Münster und rückte 1990 an die Spitze der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe. Unter seiner Ägide wurde sie zum Sprachrohr des gesamten zahnärztlichen Berufsstandes und mit ihren Konzepten sowie Einrichtungen zur Prävention, Qualitätssicherung, Aus- und Fortbildung führend auf Bundesebene. Im November 2000 wählten die Delegierten der Bundesversammlung in Dresden den Lübbecker zum Präsidenten der Bundeszahnärztekammer (Bzäk). 2004 wurde er in Frankfurt am Main im Amt bestätigt.

In Lübbecke „verstehen mich die Leute“

„Mit traumhaftem Geschick, einer wahrhaftigen Haltung und westfälischer Hartnäckigkeit ist er seinen Weg gegangen für die Zahnärzteschaft und hat der Bundeszahnärztekammer in der in- und externen Öffentlichkeit einen gigantischen und immensen Respekt verschafft“, resümierte sein Nachfolger bei der Verabschiedung und Ernennung zum Bzäk-Ehrenpräsidenten. Mehrere wissenschaftliche Gesellschaften und Vereinigungen würdigten seine Leistungen mit besonderen Auszeichnungen. 1996 erhielt er das Verdienstkreuz am Bande und 2010 das Bundesverdienstkreuz erster Klasse.

In Lübbecke gehörte Weitkamp 1971 zu den Gründern des Rotary-Clubs, war aktiv im Bürgerschützenbataillon, wurde 1986 zum Hauptmann ernannt und lud später während des Schützenfests verdiente Schützen und Repräsentanten der Stadt zum Veteranentreffen auf dem Platz unter den Eichen ein. Gemeinsam mit dem früheren Stadtheimatpfleger Günter Niedringhaus wurde 2012 der Verein der Freunde und Förderer der Lübbecker Friedhofskultur etabliert.

Seiner Stadt ist Weitkamp, Vater eines Sohnes und einer Tochter und mehrfacher Großvater, trotz aller Weltläufigkeit, vieler Reisen rund um Globus, der Begeisterung für Geschichte, Theater, Literatur und Musik, der Leidenschaft für das Golfspiel, die Jagd und den Begegnungen mit großen Persönlichkeiten, immer treu geblieben: „Hier fühle ich mich wohl, hier verstehe ich alles, was in diesem westfälisch-provinziellen Örtchen passiert. Ich habe den Eindruck, hier verstehen mich auch die Leute.“

Ehrenbürger der Welterbestadt

2014 erhielt Jürgen Weitkamp die Ehrenbürgerwürde der Stadt Quedlinburg. Der dortige Oberbürgermeister Eberhard Brecht (rechts) und Frank Ruch (Mitte), Vorsteher des Stadtrats, gratulierten ihm damals. - © Reinhard Günnewig
2014 erhielt Jürgen Weitkamp die Ehrenbürgerwürde der Stadt Quedlinburg. Der dortige Oberbürgermeister Eberhard Brecht (rechts) und Frank Ruch (Mitte), Vorsteher des Stadtrats, gratulierten ihm damals. | © Reinhard Günnewig

Eine besondere Beziehung entwickelte sich nach der Wende zu Quedlinburg („Meine zweite Heimat“). Weitkamp machte sich mit Rotariern sofort auf den Weg nach Sachsen-Anhalt, bot potenziellen Existenzgründern Hilfe jeder Art an. Praktika, Material und Instrumente wurden organisiert, Adressen und Ansprechpartner vermittelt, Benefizaktionen gestartet (unter anderem mit einem Konzert des Jungen Kammerorchesters aus Lübbecke) sowie Restaurierungsmaßnahmen unterstützt.

Mit zahlreichen Besuchen in Quedlinburg – oft gemeinsam mit seiner Ehefrau Heide – entstanden viele persönliche Freundschaften. Zuletzt initiierte Weitkamp – 1990 offizieller Gründungsbeauftragter, später Ehrenmitglied des Rotary-Clubs in Quedlinburg und seit 2014 Ehrenbürger der Welterbestadt – die Errichtung eines Einheitsdenkmals. Mit Spenden der Gäste zu seinem 80. Geburtstag wurde der Grundstock gelegt. Immer wieder drängte Weitkamp auf die Verwirklichung des Projekts, realisierte Spenden in sechsstelliger Höhe und damit einen Gutteil der Gesamtkosten.

Bis zuletzt hoffte er, die Einweihung des Denkmals „Friedliche Revolution 1989 – 1990 Deutsche Einheit“ im kommenden Jahr noch zu erleben.