Was der Sozialverband Lübbecke für seine Mitglieder leistet

Herr, Sassenberg, im September 2022 wurden Sie zum Vorsitzenden des Sozialverbandes Kreisverband Lübbecke gewählt. Was hat Sie zu dem Amt bewogen ? DETLEV SASSENBERG: Das hängt mit meiner Vita zusammen. Ich komme aus einem kleinen Ort in Schaumburg. Mein Vater war Vorsitzender des Ortsverbandes Reichsbund, wie er damals noch hieß und Kreisvorsitzender. Sozialberatung fand bei uns zu Hause auf dem Sofa statt. Das hat mich geprägt. Da kamen Menschen zu uns, für die ein Anspruch auf Rente nach einer Kriegsbeschädigung oder eine Hinterbliebenenrente für eine Witwe durchgekämpft wurde. Ich habe jetzt eine Lebenssituation nach meiner Berufstätigkeit, in der ich denke, dass es ehrenhaft ist, sich für andere einzusetzen, die nicht so stark sind. Es erschien mir eine schöne Aufgabe, im Sozialverband Verantwortung zu übernehmen. Gab es für Sie schon eine Art Schlüsselerlebnis? Ja. Meine erste Info-Veranstaltung. Das war ein Frauennachmittag aller Ortsverbände in Pr. Ströhen. Dort kamen mehr als 100 Frauen zusammen, die sich das ganze Jahr auf diese Veranstaltung gefreut haben. Wenn man das erleben darf, einem die Bedeutung solcher sozialen Zusammenkünfte für Mitglieder klar wird, dann weiß man, warum man Kreisvorsitzender geworden ist. Fahrdienste und hilfreiche Geister Was verbindet die mehr als 9.000 Mitglieder des Sozialverbandes, die aus 39 unterschiedlichen Ortsvereinen im Lübbecker Land kommen? Im Kern sind es zwei Säulen. Die Sozialberatung und die Solidargemeinschaft. Die Mitglieder helfen sich untereinander an den unterschiedlichsten Veranstaltungen teilhaben zu können. Wir werden Informationsveranstaltungen zum Beispiel auch in Zusammenarbeit mit der Kreis-Polizei anbieten, es gibt eine Kooperation mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrradclub für geplante Touren im Frühjahr wie ,Sicher E-Bike fahren'. Getragen wird die Arbeit dabei von den ehrenamtlichen Mitgliedern wie den Betreuern, die auch Krankenbesuche machen. Es gibt Fahrdienste und hilfreiche Geister, die für alle eine Tasse Kaffee kochen. Wir haben sehr engagierte Frauen in unseren Reihen, die sich speziell um frauenpolitische Themen und die Situation von Frauen im Rentenalter kümmern, die nicht selten von einer sehr geringen Rente leben müssen. Wer an den Sozialverband denkt, hat meist die Generation Ü-60 vor Augen. Mit welchen Argumenten würden Sie auch Jüngere für einen Beitritt werben wollen? Es liegt in der Natur der Dinge, dass man häufig erst im Alter über Themen wie Rente oder die eigene Wohnsituation nachdenkt. Doch jeder kann schon in jüngeren Jahren durch Krankheit plötzlich vor einer existenziellen Bedrohung stehen. So haben wir aktuell auch einige neue Mitglieder aller Altersstufen, die nach einer Long Covid-Erkrankung unerwartet vor der Frage stehen, wie es für sie jetzt weitergeht und die von uns beraten werden. Auch können Schicksalsschläge dazu führen, dass man plötzlich allein im Leben dasteht. Im Sozialverband trifft man auf Menschen, die einem aus der Vereinsamung helfen können. Der Verband ist auch ganz häufig integrativer Teil der dörflichen und örtlichen Gemeinschaft. Was eine Sozialberatung kostet Ist eine Sozialberatung für die Mitglieder kostenlos? Als Mitglied haben Sie die Möglichkeit, sich im Sozialberatungszentrum in Lübbecke kostenlos beraten zu lassen. Erst bei Antragstellung wird eine Kostenpauschale von 10 Euro erhoben. Bei Widersprüchen sind es 50 Euro, bei Klagen 80 beziehungsweise 100 Euro. Das Sozialberatungszentrum in Lübbecke ist übrigens landesweit das größte. Wir reden über mehr als 700 Beratungen sowie 1.700 Anträge und Verfahren im Jahr bei denen der Kreisverband den Mitgliedern hilft. Das Beratungszentrum beschäftigt dafür sieben hauptamtlich Mitarbeitende, darunter drei Volljuristen. Welche Rolle spielt Politik im Sozialverband? Der Sozialverband ist politisch völlig unabhängig, setzt sich aber für sozialpolitische Themen wie Bürgergeld, Wohngeld oder Altersrente ein und verschafft der Menge an Mitgliedern Gehör bei politischen Entwürfen und Entscheidungsfindungen. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann haben wir unlängst bei einem Besuch mit auf den Weg gegeben, wo wir noch Verbesserungen bei der Umsetzung politischer Vorgaben sehen. Was sagen Sie zur Einführung des Bürgergeldes? Die Reform wird seitens des SoVD in jeder Hinsicht begrüßt und war längst überfällig. Es geht im Grundsatz darum, die Menschen, die in eine schwierige Lebenssituation oder Arbeitslosigkeit hineinrutschen zu fördern und nicht noch zu sanktionieren. Diese Haltung bedingt natürlich das tägliche Erleben dieser Lebenssituation – auch hier vor Ort im Sozialberatungszentrum. Altersarmut ist ein zentrales Thema Auf der jüngsten Verbandsversammlung wurde die Altersarmut als zentrales Thema im SoVD angesprochen. Nimmt sie zu? Hier kommen wir zu gesellschaftlichen Entwicklung gerade auch im ländlichen Raum zurück. Es war lange Zeit so, dass diejenigen, die in Rente gegangen sind, nicht die hervorragend durchgekämpften Möglichkeiten von heute haben. In früheren Jahren gab es eine deutlich andere Rollenverteilung. Infolgedessen gibt es viele Frauen, die im Rentenalter in die Armut abgerutscht sind. Das erleben wir aktuell sehr stark, dass Menschen nicht mehr das Nötigste zum Leben haben und auf Lebensmittelspenden durch die Tafeln angewiesen sind. Diese Menschen will der SoVD nicht alleine lassen und ihnen helfen, indem er diesen Menschen berechtigte, finanzielle Ansprüche wie beispielsweise Wohngeld aufzeigt. Als Solidargemeinschaft ermöglichen wir aber auch die Teilhabe an Veranstaltungen, die durch Mitgliedsbeiträge oder Spenden finanziert sind, um die Menschen, die sich nichts leisten können aus der Vereinsamung zu holen. Finanzielle Rechte für Mitglieder erstritten Es gibt demnach finanzielle Ansprüche, von denen die Menschen erst durch den SoVD erfahren ? Ich weiß, dass im Landesverband durch die 20 Sozialberatungszentren finanzielle Rechte für die Mitglieder erstritten wurden, die sich auf mittlerweile fünf Millionen Euro belaufen. Die Juristen im Sozialverband scheuen sich auch nicht davor Klage einzureichen, wenn sie notwendig erscheint. Sie lassen nichts unversucht, um Rentenansprüche, Pflegeansprüche oder die Anerkennung des Behindertengrades durchzusetzen. Was haben Sie sich für die nächsten vier Jahre im Amt vorgenommen? Ich fokussiere mich auf zwei Dinge. Die Menschen in den Ortsvereinen, die für mich im Mittelpunkt stehen, weil sie die Basis sind. Ich möchte die Vorstände bei ihrer Arbeit unterstützen. Zum Beispiel durch den Aufbau eines Pools mit Referenten für sozialpolitische Themen auf welche die Ortsverbände zurückgreifen können. Zweitens: Der Kreisverband Lübbecke ist auf Landesebene der größte und das sollte entsprechend vertreten sein. Ich werde wohl im Juni für den Landesvorstand und/oder den geschäftsführenden Landesvorstand kandidieren. Dafür gibt es ein klares Mandat aus dem Kreisverband und den Ortsverbänden. Wir hoffen, dass das gelingt. Glauben Sie, dass die Arbeit des Sozialverbandes künftig noch wichtiger wird? Ich habe die Befürchtung, dass wieder Zeiten auf uns zukommen werden, in denen die Solidarität der Menschen, das sich helfen und zusammenstehen noch mehr in den Fokus rückt. Und das ist der Kern des Sozialverbandes.

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