Kreis Minden-Lübbecke. Der Arbeitsmarkt im Kreis Minden-Lübbecke hat sich auch 2018 wieder positiv entwickelt. Aber wie wird sich der Markt in Zukunft entwickeln und vor allen Dingen, mit welchen Herausforderungen sieht sich der Arbeitsmarkt und die Konjunktur konfrontiert? Die Agentur für Arbeit Herford beleuchtet das vergangene Jahr, die Gegenwart und die Zukunft.
RÜCKBLICK 2018
Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist im März 2018 im Vergleich zum März 2017 um 1.462 Personen auf 126.801 Personen gestiegen. Im Jahresdurchschnitt waren 4.774 Arbeitsstellen frei, 1.207 oder 33,8 Prozent mehr als noch 2017. Die Zahl der Arbeitslosen sank um 7 Prozent oder 586 Personen auf durchschnittlich 7.836 Personen. Die Arbeitslosenquote ist seit 2007 um 2,5 Prozent gesunken - momentan liegt sie im Jahresdurchschnitt bei 4,7 Prozent, 2017 waren es 5,1 Prozent.
"Das ist der Querschnitt durch den Arbeitsmarkt 2018 im Mühlenkreis. Ein durchweg positives Bild. Und im Großen und Ganzen stimmt das auch. Sieht man etwas genauer hin, merkt man jedoch: Leider konnten die Menschen mit Schwerbehinderung nicht vom Aufschwung profitieren. Sie verzeichnen höhere Arbeitslosenzahlen als noch im Vorjahr. Auf der Kehrseite heißt das aber auch, dass wir bei allen anderen Gruppen mit Vermittlungshemmnissen - wie zum Beispiel den Langzeitarbeitslosen - einen Rückgang verzeichnen können", erläutert Frauke Schwietert, Leiterin der Agentur für Arbeit Herford.
Genau diese Gruppen mit Vermittlungshemmnissen - so nennt man Personen, deren Lebenslauf oder Einschränkungen eine Integration am ersten Arbeitsmarkt erschweren - sind die Herausforderung, auch im Kreis Minden-Lübbecke. Denn: 2018 waren 36 Prozent der Arbeitslosen im Kreis länger als ein Jahr ohne Arbeit - also langzeitarbeitslos. Ganze 60 Prozent der arbeitslosen Menschen waren geringqualifiziert, das heißt, sie haben keinen Berufsabschluss. "Und genau diese Gruppen gilt es zu integrieren - eine von vielen Herausforderungen am Markt, denen wir uns 2019 und darüber hinaus stellen werden", so Schwietert.
FACHKRÄFTEMANGEL
"Dass es schwer ist, Fachkräfte zu finden, hört man heutzutage oft", behauptet Hanspeter Stegh, operativer Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Herford. Tatsächlich könne man aber noch nicht in allen Branchen von einem Fachkräftemangel sprechen. Es gibt jedoch bestimmte Engpassberufe. In Ostwestfalen-Lippe stechen hier handwerkliche Bereiche wie Tiefbau, Klempnerei, Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, Mechatronik und Automatisierungstechnik sowie Energietechnik besonders heraus. Ebenfalls ist die oft erwähnte Altenpflege eine Branche, die sich mit einem Fachkräftemangel konfrontiert sieht. Auch in der Diskussion um die Problematik weniger thematisierte Berufsbereiche wie Informatik, Ver- und Entsorger und Medizin-, Orthopädie- und Rehatechnik haben in OWL starke Schwierigkeiten bei der Fachkräftegewinnung.
"Durch den demografischen Wandel wird der Fachkräftemangel noch verstärkt. Um diese Entwicklung abzuschwächen, ist vor allen Dingen eines wichtig: Die Offenheit, Kompromissbereitschaft und Flexibilität der Unternehmen. Denn es gibt zahlreiche Potenzialgruppen, die die offenen Stellen besetzen könnten: Jugendliche mit schwächeren schulischen Leistungen, Menschen, die nach Familienzeit wieder in den Beruf einsteigen möchten, ältere Menschen, Menschen mit Behinderung, zugewanderte Menschen. Um dieses Potenzial zu nutzen, müssen Arbeitgeber allerdings Kompromisse eingehen oder zusätzlich unterstützen. Viele Unternehmen tun dies bereits - und andere werden nachziehen müssen, um sich Fachkräfte und somit die Zukunft ihres Betriebs, sichern zu können", betont Stegh.
DIE ZUKUNFT IST DIGITAL
Ebenso wie der Fachkräftebedarf ist auch das Thema Digitalisierung und Arbeitswelt 4.0 immer wieder Thema. Oft wird dann davon gesprochen, dass durch das Fortschreiten der Digitalisierung immer mehr Jobs gefährdet sind. "Dass die Berufswelt sich durch die Digitalisierung verändern wird, ist sicher. Entgegen der oft üblichen Berichterstattung birgt das aber sowohl Risiken als auch Chancen", erklärt Frauke Schwietert. "Das schon angesprochene Problem des Fachkräftebedarfs kann so zum Beispiel auch teils durch Automatisierung behoben werden. Monotone Arbeiten können durch Maschinen übernommen werden, die Tätigkeiten werden individueller. Besonders gilt aber: Die Beschäftigung wird sich verlagern. Einige Berufsbilder und Tätigkeiten verändern sich oder fallen weg, dafür kommen neue dazu."
Zu den Risiken der Digitalisierung gehört vor allem eines: Dass diejenigen Menschen, die nicht über die nötigen Qualifikationen verfügen, um diese neuen Tätigkeiten auszuüben, vom Markt abgehängt werden. "Und genau da setzt die Strategie der Agentur für Arbeit an", sagt Schwietert.
LEBENSLANGES LERNEN
Die Agentur für Arbeit hat die beiden großen Herausforderungen am Arbeitsmarkt - den Fachkräftebedarf und die Digitalisierung - im Blick. "Die Antwort sowohl auf den Fachkräftebedarf als auch auf die Digitalisierung ist die gleiche: Ausbildung, Qualifizierung und Weiterbildung. Werden Geringqualifizierte zu Fachkräften, können sie den Bedarf decken. Bilden Beschäftigte sich in ihrem Berufsfeld weiter, wird die Digitalisierung sie wenig betreffen, da sie neue Tätigkeiten ausüben können", erklärt Stegh. "Aus diesem Grund wird die Agentur für Arbeit sich auch im Kreis Minden-Lübbecke 2019 stark auf das Thema Qualifizierung konzentrieren. 70 Prozent der Personen, die von uns qualifiziert wurden, sind sechs Monate später in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung. 2019 werden wir, auch aufgrund neuer Gesetze, diesen Fokus noch ausbauen."
Konkret bedeutet das: Mehr Fördermöglichkeiten durch das neue Qualifizierungschancengesetz - und dabei besonders die Beschäftigtenförderung - und die stufenweise Einführung der Lebensbegleitenden Berufsberatung. "Das Qualifizierungschancengesetz erweitert die Förderungsmöglichkeiten der Agentur. Damit können viele Menschen unterstützt werden", sagt Stegh.
Die lebensbegleitende Berufsberatung ist ein neues Projekt der Bundesagentur, deren erster Baustein die Beratung vor dem Erwerbsleben ist. "Das bedeutet häufigere, intensivere, moderne und vor allem frühere Betreuung von Jugendlichen durch die Berufsberatung", so Stegh. "In einem zweiten Schritt soll dann in einigen Jahren die Beratung während des Erwerbslebens eingeführt werden, die sowohl Arbeitslosen, als auch für Beschäftigten vor dem Durchlaufen von beruflicher Neu- oder Weiterentwicklung Orientierung und Fördermöglichkeiten bieten soll."
Damit fällt auch die Erwartung an den Arbeitsmarkt in 2019 eindeutig aus: "Wir erwarten eine positive Entwicklung, wie bereits in den vergangenen Jahren. In Verbindung mit den neuen Fördermöglichkeiten ist das Jahr 2019 auch ein Jahr der Chance. Für uns und alle Akteure am Arbeitsmarkt gilt es jetzt, diese Chance zu nutzen, uns den Entwicklungen anzupassen und diese Herausforderungen gemeinsam zu meistern", bilanziert Schwietert.