Espelkamp

Neues Licht auf Pastor Karl Pawlowski

Wissenschaftliche Biografie dokumentiert auch seinen Einfluss auf Espelkamp

21.03.2013 | 21.03.2013, 13:00
Karl Pawlowski gründete nach dem Krieg das Ev. Johanneswerk und gründete den Ludwig-Steil-Hof in Espelkamp. Über ihn ist jetzt ein Buch erschienen.
Karl Pawlowski gründete nach dem Krieg das Ev. Johanneswerk und gründete den Ludwig-Steil-Hof in Espelkamp. Über ihn ist jetzt ein Buch erschienen.

Espelkamp. Fast wäre aus Espelkamp ein "zweites Bethel" geworden. So jedenfalls sahen es die Pläne des energischen Pastors Karl Pawlowski vor. Geblieben ist davon "nur" der Ludwig-Steil-Hof.

Das erläutert der Theologe Dr. Gerald Schwalbach im sechsten Kapitel seines jüngst erschienenen Buches "Der Kirche den Blick weiten! Karl Pawlowski (1889-1964)". Seine wissenschaftliche Biografie bietet die Grundlagenforschung für die aktuelle Diskussion um diakonisches Unternehmertum.

Karl Pawlowski leitete in der Nachkriegszeit das Evangelische Hilfswerk – ab 1951 Johanneswerk – in Bielefeld mit großem Unabhängigkeitsstreben. Als Pawlowski 1964 starb, war "sein" Johanneswerk in Bielefeld zum zweitgrößten diakonischen Unternehmen in Deutschland gewachsen. Er gehört zu den erstaunlichsten Persönlichkeiten der Diakoniegeschichte.

Information

Zum Buch

Autor Gerald Schwalbach

"Der Kirche den Blick weiten! Karl Pawlowski( 1898–1964) – Diakonischer Unternehmer an den Grenzen von Kirche und Innerer Mission"

Beiträge zur Westfälischen Kirchengeschichte

Band 38

552 Seiten

ISBN 978-3-7858-0455-1

32,90 Euro

Pawlowskis Beschäftigung mit Espelkamp begann 1946, nachdem er mit anderen Kirchenvertretern das Gelände der ehemaligen Munitionsanstalt (Muna) besichtigt hatte. Die englischen Besatzungstruppen waren im November 1946 abgezogen und hatten zuvor dort zuvor alles geräumt. Im Gelände des heutigen Ludwig-Steil-Hofes blieb die sogenannte Car Unit, eine Fahrbereitschaft aus deutschen Kriegsgefangenen unter britischem Befehl.

Ab 1947 entwickelte Pawlowski sein Konzept eines karitativen Zentrums unter ausschließlich kirchlicher Führung. Eine ausdrücklich für Vertriebene und Flüchtlinge bestimmte Siedlung lehnte Pawlowski dagegen zunächst ab.

Den inhaltlichen Schwerpunkt sollten vielmehr evangelische Wohlfahrts- und Bildungseinrichtungen bilden.

Industrie und Gewerbe wurden nur eine untergeordnete Rolle eingeräumt und ihre Größe wurde auf Handwerksbetriebe und Kleingewerbe beschränkt. Die vorhandenen Hallen sollten an interessierte Unternehmer verpachtet werden.

Im Winter 1947/48 begann Pawlowskis Geschäftsführer in Espelkamp, Walter Didlaukies, mit der Umsetzung dieser Pläne: Kleinere Lagerhäuser wurden zu Wohnungen für Heimkehrer und ihre Familien ausgebaut. Drei Munitions-Fertigungshallen gestaltete man zu Kinderferienlagern um. Im ehemaligen Krankenrevier wurden Aufnahmemöglichkeiten für Kranke und Gebrechliche geschaffen. Auch die Land- und Forstwirtschaft wurde organisiert und die Ansiedlung von Wirtschaftsbetrieben in Angriff genommen.

Das Zentralbüro des Hilfswerkes in Stuttgart unterstützte anfänglich Pawlowskis Pläne, reagierte dann aber hochgradig alarmiert auf das Schlagwort vom "zweiten Bethel" und äußerte Zweifel, ob der noch mit anderen Großprojekten befasste Pawlowski persönlich der Aufgabe gewachsen sei.

Ausführlich belegt Schwalbach die darauf folgenden innerkirchlichen Auseinandersetzungen, die schließlich zum weitgehenden Ausstieg Pawlowskis aus dem Projekt führten.

Bei näherer Betrachtung wirkt der Gegensatz zwischen "Anstaltssiedlung", "Sozialsiedlung" und "gewerblicher Siedlung" konstruiert, da Pawlowski einer Industrieansiedlung nicht grundsätzlich ablehnend gegenüberstand. Vielmehr hatte er selbst eine kombinierte Lösung vorgeschlagen.

Die 1947 geplante Errichtung eines "zweiten Bethels" in Espelkamp nahm er schon ein Jahr später zurück und gab sich mit der Errichtung des Ludwig-Steil-Hofes als Vertreter des diakonischen Elements in Espelkamp zufrieden.

Eine Besonderheit des Steilhofes war das Dauerkinderheim mit Förderschule für die sogenannten "Bromberger Kinder". Pawlowski gründete mit dieser Einrichtung die erste Förderschule für Spätaussiedler-Kinder in Deutschland. Die Erinnerung an seine Aufbauleistung und an seine Person wird in Espelkamp wach gehalten. Dies zeigt auch das "Karl-Pawlowski-Haus" auf dem Gelände des Ludwig-Steil-Hofs.