Bad Oeynhausen. Operation gelungen – und trotzdem lässt sich das Gelenk kaum bewegen, wird der Patient von fast unerträglichen Schmerzen gequält. Rund zehn Prozent aller Patienten, denen ein neues Kniegelenk eingesetzt wird, leiden anschließend unter Arthrofibrose, einer krankhaften Bildung von Bindegewebe. Bislang bleibt die Krankheit häufig unerkannt – und damit nicht optimal behandelt. „Das wird sich bald ändern“, fasst Cornelius Knabbe, Leiter des Instituts für Laboratoriums- und Transfusionsmedizin am Herz- und Diabeteszentrum, ein neues Forschungsergebnis seiner Mitarbeiter zusammen.
Die beiden Biochemikerinnen Doris Hendig und Isabel Faust haben die Gewebeproben von 132 gesunden und 95 Arthrosefibrose-Patienten untersucht und die Ursache für die krankhaften Vernarbungen gefunden. In den Zellen der erkrankten Patienten wurde ein erhöhte Aktivität des Enzyms Xylosyltransferase (XT) gemessen.
In der Umgebung des Kunstgelenks kommt es zur Bildung von Narbengewebe, das das gesunde Gewebe verdrängt. Die Zellen, die für die Wundheilung verantwortlich sind, bleiben weiter aktiv.
Diese Zellaktivität wird durch das Enzym Xylosyltransferase (XT) beeinflusst.
Philipp Traut hat ein spezielles Behandlungskonzept entwickelt, das der abnormen Produktion von Bindegewebe entgegenwirkt und Stress vermeidet.
Es wird auf intensive Krankengymnastik mit Strecken, Dehnen, Kräftigen verzichtet; stattdessen gibt es Fußreflexzonenmassage, Akupunktur, Bindegewebsmassage. ⋌⋌(fro)⋌
Der Xylosyltransferase gilt schon seit über 20 Jahren das Forschungsinteresse im Institut. Nicht nur, dass das Enzym hier erstmals identifiziert wurde, HDZ-Mitarbeiter konnten auch nachweisen, das dieses Enzym Krankheitsprozesse im Herzmuskel und in der Leber beeinflussen kann.
„Nun können wir auch die Arthrofibrose besser verstehen“, lobt Philipp Traut die neue Studie. Der Orthopäde und ehemalige Chefarzt der Klinik am Rosengarten hat zahlreiche Arthrofibrose-Patienten behandelt und vor einigen Jahren ein spezielles, auch von anderen Kliniken übernommenes Behandlungskonzept entwickelt (die NW berichtete). „Die Zellen, die für die Wundheilung verantwortlich sind, geraten bei manchen Menschen in Stress“, lautet seine Arbeitshypothese. Für die hat er nun einen wissenschaftlichen Nachweis bekommen: Die Zellen produzieren ein Übermaß an Narbengewebe.
Derzeit basiert die Diagnose nur auf, so Traut, der „richtigen Bewertung verschiedener körperlicher Symptome“, oft wird die Arthrofibrose gar nicht oder zu spät erkannt. Traut: „Viele Patienten bekommen dann ein zweites künstliches Gelenk, obwohl das vermeidbar wäre.“ Daher der weitere Wunsch: „Wir brauchen einen Marker, mit dem wir Risikopatienten frühzeitig und eindeutig erkennen“.
Eine Aufgabe, der sich Cornelius Knabbe und sein Team stellen werden; ein neues Forschungsprojekt wurde bewilligt. Wobei die erste Studie bereits wichtige Vorgaben macht. Im Blut lässt sich XT – anders als bei Herzmuskel- und Lebererkrankungen – nämlich nicht nachweisen. „Wir untersuchen jetzt die Flüssigkeit im Gelenkspalt“ erklärt Isabell Faust. Die Gewebeproben, die durch eine Punktion entnommem werden, stammen nicht nur von Trauts Patienten.
Untersucht werden auch Menschen, die in der Auguste Viktoria Klinik ein neues Kniegelenk erhalten haben. Für Knabbe auch ein Beweis dafür, dass sich Bad Oeynhausen „zu einem echten Wissenschaftsstandort“ entwickelt. Neben dem Herz- und Diabetesklinik gibt es ja mit der Auguste-Viktoria-Klinik eine weitere Universitätsklinik. Knabbe: „Die Forschung ist unsere gemeinsame Aufgabe.“
Und deshalb ist er wie Traut durchaus zuversichtlich, dass es bald neue wichtige Erkenntnisse zur Arthrofibrose gibt. Cornelius Knabbe: „In etwa zwei Jahren wissen wir, ob es einen Marker gibt“.