BAD OEYNHAUSEN

Eine Leiche für die Konjunktur

Literaturkurs des IKG zeigt Dürrenmatts "Besuch der alten Dame"

Die Ankunft von Claire Zachanassian (Alina Rarog, l.) will auch das Fernsehteam, bestehend aus Charlotte Althoff und Carolin Bredtmann, nicht verpassen. | © FOTO: LISA DRÖGEMEIER

10.06.2011 | 10.06.2011, 00:00

Bad Oeynhausen. Kann man Gerechtigkeit kaufen? Claire Zachanassian ist die Wiederherstellung ihres guten Rufs eine Milliarde wert. Dem wirtschaftlich gebeutelten Städtchen Güllen kommt die Finanzspritze der ehemaligen Bewohnerin gerade recht. Einzige Bedingung: Exfreund Alfred Ill muss ermordet werden.

Während die mehr als 200 Zuschauer der Aufführung des Literaturkurses der Jahrgangsstufe 12 am Immanuel-Kant-Gymnasium am Mittwoch in der Aula des Schulzentrums Süd mit einem Ausruf des Erschreckens auf diesen unmoralischen Handel reagieren, können die Bewohner der Kleinstadt ihr Glück kaum fassen, lehnen das Angebot jedoch ab. Ein neuer PC für den Bürgermeister, ein neue Satellitenanlage mit Plasmafernseher für den alkoholabhängigen Polizisten und gar ein neues Kreuz für den Pfarrer - von der Milliarde will trotzdem jeder profitieren. "Eine Leiche für die Konjunktur", wie es Zachanassian beschreibt.

Das Ende Alfred Ills (Thorin Schrock) beschlossen, beginnen die Bürger langsam zu hinterfragen, woher Claire Zachanassians (gespielt von Alina Rarog) Rachegelüste nach 45 Jahren der Abwesenheit stammen könnten. "Ihre Noten waren gänzlich schlecht - nur in Bio eine drei", berichtet der Lehrer (Arne Holverscheid). "Eine drei - das ist gut", stimmt ihm der Bürgermeister (Vincent Puppe) zu. Als schwangeres Mädchen von Alfred Ill sitzen gelassen und als "Hure" beschimpft und aus der Stadt vertrieben, fordert sie nun Gerechtigkeit. "Güllen hat mich zu einer Hure gemacht, jetzt mache ich es zu meinem Bordell."

Wäre ein Mord aus finanziellen Interessen doch etwas verwerflich, ist mit der Wiederherstellung von Gerechtigkeit ein besseres Mordmotiv gefunden. Einzig der Lehrer lässt sich von der Euphorie seiner Mitmenschen nicht mitreißen und wird zum Alkoholiker. Modernisiert, mit viel Einfallsreichtum und Witz bei Kostümen und Texten, begeisterte der 29-köpfige Literaturkurs, unter der Leitung von Jan Schneidereit und Christian Elges, das Premierenpublikum und erntete stehenden Beifall. Mitschülerin Vanessa Schlomann gefiel vor allem die Darbietung Alina Rarogs. "Beeindruckend wie viel Text sie gelernt hat", erzählt die 18-Jährige, "sie bringt das sehr realistisch rüber."

Für das knapp zweistündige Stück hatten die Schüler des IKG seit Januar geprobt. Am letzten Wochenende sogar durchgängig, wie Sina Münstermann (Alfred Ills Frau) berichtete. "Die Vorbereitung war super, die Proben liefen gut und heute hat auch alles geklappt."
´ Der Literaturkurs zeigt Dürrenmatts Stück noch einmal während der Theaterwoche im Theater im Park am 18. Juli um 20 Uhr.