Kostenfrei für nächste Generation: In Bad Oeynhausen könnte die Wärme aus der Erde kommen

Bad Oeynhausen. Warmwasser und Heizungswärme, preiswert, CO2-neutral produziert und unendlich verfügbar – der Schlüssel zu diesem Traum findet sich direkt unter uns, in der Tiefe der Erde. Geothermie oder Erdwärme heißt das Zauberwort: Wasser, aufgeheizt von der grenzenlosen Energie aus dem Zerfall natürlicher radioaktiver Elemente im Gestein der Erdkruste und dem Wärmeaustausch mit dem 1.000 Grad Celsius heißen Erdmantel. Zur Förderung wird ein Loch in die Erde gebohrt, gut und gerne 1.300 Meter tief. Das heiße Wasser wird nach oben gepumpt, durch ein zweites Bohrloch, die Dublette, wird das abgekühlte Wasser wieder in die Erde geführt, wo die heißen Gesteinsschichten es wieder erwärmen. Ein perfekter Kreislauf. Der Rohstoff kostet nichts Viele Bürger könnten so nicht nur ihr grünes Gewissen beruhigen. Geothermie hat hohe Einmal-Investitionen und Vorlaufzeiten, das Beschließen, Planen, kilometertief in die Erde zu bohren, ist aufwendig. Bis zu 30 Millionen Euro könnte eine solche Anlage laut Fraunhofer-Gutachten in Bad Oeynhausen kosten. Aber ist die Infrastruktur geschaffen, kommt die Wärme frei Haus. &bdquo;Wenn diese Generation mit der Finanzierung der Bohrung durch ist, dann ist der Rohstoff kostenfrei für die nächste Generation“, sagt Daniel Schindler. Er ist Mitglied der Geschäftsleitung bei H. Anger’s Söhne, einem europaweit tätigen Bohrunternehmen, das in Bad Oeynhausen zuletzt die Rohre des Humboldt-Sprudels von Verkrustungen befreite. Keine Preisschwankungen durch geopolitische Verwerfungen mehr? Auch viele Bad Oeynhausener Bürger dürften sich noch an den ersten Winter nach Putins Überfall auf die Ukraine erinnern: Zwischen dem zweiten Halbjahr 2022 und dem ersten Halbjahr 2023 war der durchschnittliche Erdgaspreis für Haushalte plötzlich um mehr als ein Drittel erhöht, stieg von 9,3 Cent auf 12,2 Cent pro Kilowattstunde. Erdwärme hingegen wird lokal gewonnen. In Gemeinden wie Neuruppin in Mecklenburg-Vorpommern, Erding in Bayern und Landau in Rheinland-Pfalz ist diese Technologie bereits im Einsatz. Doch eins zu eins kopieren lässt sich das für Bad Oeynhausen nicht so einfach. Denn das große Fragezeichen bei Geothermie ist die Standortabhängigkeit. Lesen Sie auch: Wärme aus der Tiefe von Bad Oeynhausen: Gutachter stehen Schlange Vor der Hacke ist es duster Das weiß auch der Energieexperte Thomas Schmidt, der 2025 für die Grünen als Bürgermeister kandidierte. Er lehrt an der Fachhochschule Münster im Fachbereich Energie, Gebäude, Umwelt. &bdquo;Vor der Hacke ist es duster“, zitiert er einen alten Bergmannsspruch. Heißt: Jedes Projekt ist einzigartig, ganz gleich wie sorgfältig die Vorbereitung und geologische Vermessung ausfalle. Letzte Gewissheit, ob sich die ortsspezifischen Eigenschaften für die Förderung von Erdwärme eigne, habe man erst, sobald der Stollen oder das Loch tatsächlich in der Erde sei. Und dann? Dann muss das warme Gestein, etwa Buntsandstein, tief unter der Erde hauptsächlich drei Eigenschaften erfüllen, weiß Thomas Schmidt. &bdquo;Ausreichende Porosität, Permeabilität und Temperatur-Niveau“, sagt er. Es muss also porös sein. Was klingt wie ein Makel, ist für Geothermie unerlässlich, das Gestein muss Poren aufweisen, in denen sich das Wasser sammeln kann. Weiterhin muss es durchlässig sein. &bdquo;Das können sie sich vorstellen wie einen Schwamm“, erklärt Schmidt, &bdquo;die Poren sind durch kleine Fissuren miteinander verbunden“. Nur dann können größere Mengen des Wassers an die Erdoberfläche gepumpt werden. Und schließlich muss die Temperatur hoch genug sein, damit es das Wasser auf eine geeignete Temperatur für die Erdwärmenutzung aufheizt. Ein Risiko, buchstäblich auf Granit zu beißen, bleibt also. Schmidt erzählt von einem Fall aus dem schwäbischen Bad Urach der 1970er-Jahre, wo Granit statt Buntsandstein nicht durchlässig genug für die Nutzung gewesen sei. Es bräuchte eine seismische Untersuchung, um das Risiko zu minimieren, meint er. Auf der politischen Tagesordnung in Bad Oeynhausen ist das Thema Geothermie schon lange, denn sie ist Teil der kommunalen Wärmeplanung der Stadt, ein Baustein, wie die Kurstadt bis 2040 einen Anteil von 80 Prozent an erneuerbaren Energien in der Versorgung mit Heizenergie realisieren kann. So will es das aus Berlin beschlossene Wärmeplanungsgesetz. Und der lange Vorlauf ist nötig, nicht nur für die Planung, sondern auch, um den geeigneten Standort für die möglicherweise kilometertiefe Bohrung zu finden. Die Dauer solcher Großprojekte liegt jedoch nicht nur in besonderer Sorgfalt begründet: Zahlreiche Akteure mit unterschiedlichen Interessen und das Wesen der Politik sorgen vielfach für hausgemachte Verzögerungen, findet Schindler. &bdquo;Aus der Erfahrung heraus dauert es, bis wir kommen, um zu bohren, zwischen vier und sieben Jahren“, sagt er. Schon die Ausschreibung und Beauftragung eines Planungsbüros sei durch den kommunalen Haushaltsprozess oft ein mehrjähriges Unterfangen. Sollte das Planungsbüro sie mit einer Kostenschätzung abschließen, ginge es erst an die richtigen Verteilungskämpfe. &bdquo;Dann gibt es die große Frage im Haushalt: Möchte ich jetzt die vier, fünf, acht Millionen ausgeben für geothermische Energie? Oder möchte ich zwei Kindergärten bauen?“ Bad Oeynhausen sticht positiv heraus Dabei spricht Schindler aus langjähriger Erfahrung bei Bohrprojekten in ganz Deutschland – nicht über die Kurstadt im Speziellen. Im Gegenteil: Dass Bad Oeynhausen sich überhaupt so eingehend mit dem Zugang zu Geothermie befasst, sei keine Selbstverständlichkeit. &bdquo;Viele Kommunen sagen einfach Hey, bei Geothermie kennen wir uns nicht aus – Kommunale Wärmeplanung: Ergebnis Biomasse oder Ergebnis Photovoltaik?“ Die Erfahrung mit den mitteltiefen Bohrungen, die Bad Oeynhausen dank Humboldt- und Jordansprudel hat, zeichne die Stadt aus: &bdquo;Ihr kennt den Bereich und deswegen wird sich das auch angeguckt. Andere Gemeinden schauen da eben nicht hin, weil es ihnen fremd ist.“ Die Stadt Bad Oeynhausen, das wird im Gespräch mit Daniel Schindler klar, macht wohl etwas aus dem Kartenblatt, das der Bund und die geographische Lage ihr ausgeteilt hat. Ohne ein Wärmenetz wird’s nichts Daniel Schindler, der Experte für Bohrtechnik, und Thomas Schmidt, der Energieexperte aus Bad Oeynhausen, sind sich in einem Punkt einig: Ohne ein gut ausgebautes Fernwärmenetz rechnet sich die Technologie nicht. Schindler geht sogar noch einen Schritt weiter: &bdquo;Das Entscheidende ist eigentlich immer der Netzausbau“, sagt er. Ganz gleich, ob es um Wassergewinnung oder Strom gehe – die Standbeine grundlegender Versorgung würden auf einem umfangreichen Netz fußen. Mit Wärme als Teil der Infrastruktur sei das nicht anders: &bdquo;Die Wärme funktioniert, wenn es ein Wärmenetz gibt“, prognostiziert Schindler. Von den drei Fokusgebieten, die in Bad Oeynhausen für eine Tiefengeothermie-Bohrung in den Blick genommen wurden, bietet sich laut Kommunalem Wärmeplan nur einer nach Analysen für eine Erschließung an. Es liegt im westlichen Teil der Kernstadt, südlich der Bahnschienen, grenzend an das Quartier Kurpark, und soll bis zu 10 Megawatt thermischer Leistung liefern können. Damit könnte man 2.500 Haushalte heizen, dazu zwei Schulen, ein Schwimmbad, ein Krankenhaus und einen Supermarkt. Dort ist auch die Wärmenetzeignung besonders hoch. Große Teile des Gebietes, so heißt es im Planungsdokument, könnten auf diese Weise mit geothermischer Wärme versorgt werden. .responsive23-rWsJX10zJjcsf2lT-map-map { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-rWsJX10zJjcsf2lT-map-map { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-rWsJX10zJjcsf2lT-map-map { padding-top: 142.86%; } } Im Dezember wird die nächste Machbarkeitsstudie vorgestellt Wie geht es weiter mit der Wärme aus der Tiefe? Auf dem Info-Abend für die Bad Oeynhausener Bürgerinnen und Bürger am 6. November zum kommunalen Wärmeplan, geriet vor allen Dingen die Stadtwerke-Tochter NEO ins Visier vieler kritischer Besucher. Das für Geothermie so dringend gebrauchte Fernwärmenetz wird von ihr verlegt. Der Vorwurf lautete unter anderem, dass sich die Gesellschaft, die zu 51 Prozent den Stadtwerken und zur anderen Hälfte Gelsenwasser gehört, zu wenig um Privathaushalte bemühe, was die Fernwärmeanschlüsse beträfe. Am 3. Dezember will der Ausschuss für Stadtentwicklung schließlich eine umfangreiche, detaillierte Machbarkeitsstudie über Tiefengeothermie in Bad Oeynhausen vorstellen, die Anfang 2025 ausgeschrieben wurde. Darin sollte ein geologisches, dreidimensionales Modell der Fokusgebiete erstellt und geprüft werden, wie die Einbindung der Anlagen in das Energienetz gelingen kann. Auch die Wirtschaftlichkeit soll die Studie, die selbst 140.000 Euro gekostet hat, untersuchen. Einen Blick vorab auf die Studie wollte die Leiterin des Dezernats für Stadtentwicklung, Birgit von Lochow, vor dem 3. Dezember nicht gewähren. Auch vor dieser Hacke bleibt es bis nächsten Monat duster. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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