Dieses Wahrzeichen von Bad Oeynhausen verschwindet - aber nur kurzfristig

Bad Oeynhausen. Ein paar beherzte Schnitte mit der Flex, dann hängt der Hahn am Haken. Wenig später liegt auch die goldene Weltkugel auf dem Kirchplatz vor der Auferstehungskirche. Das Wahrzeichen der Emmausgemeinde, zugleich christliches Symbol der Wachsamkeit, wie Pfarrerin Theodora Beer erklärt, wird in den nächsten Monaten restauriert. Der goldene Hahn ist zwar schon 68 Jahre alt und nicht überall mehr golden, aber sein Kupferkörper ist noch gut in Schuss. Vom Gestänge und dem Glockenturm lässt sich das allerdings nicht behaupten. Kirchmeister Jochen Ganz zeigt im Inneren des Turms die Schäden. Wind und Wetter haben seit 1956 dem denkmalgeschützten Bau zugesetzt. Wasser dringt vor allem von Westen durchs Mauerwerk ins Innere. Die Ziegel müssen neu verfugt, die Schäden behoben werden. Der Turm wird in den nächsten Wochen hinter einem Baugerüst verschwinden. Und bei der Gelegenheit, sagt Ganz, habe sich die Gemeinde entschieden, auch den Hahn zu reparieren. Zuvor muss der allerdings vom Turm geholt werden. Das ist die Aufgabe von Holger Menke und seinem Team. Der Spengler lässt sich in einer Gondel am Autokran auf 40 Meter Höhe ziehen und schneidet den Hahn aus seiner Verankerung. Der erste Anlauf für die luftige Handwerksreise musste am Donnerstagmorgen wegen starker Windböen abgebrochen werden. Freitag, ausgerechnet am Morgen des Reformationstages, ist es nahezu windstill. Da klappt’s wie am Schnürchen. Die Pfarrerin fährt in die Höhe Pfarrerin Theodora Beer lässt sich die Gelegenheit nicht entgehen, der eigenen Kirche aufs Dach zu steigen. Sie fährt mit der wackeligen Gondel in die Höhe und macht mit ihrem Telefon Fotos vom Hahn und der Aussicht über die Kurstadt. &bdquo;Aber keine Selfies“, sagt sie und lacht, als der nicht schwindelfreie Reporter sie wenig später auf dem sicheren Boden vor der Kirche um ein Foto bittet. Währenddessen sind Holger Menke und seine Mitarbeiter der Firma HM Dachtechnik mit dem Unterbau des Wetterhahns beschäftigt. Der Gockel hockt nämlich auf einer etwa zehn Meter langen Stange. Sie ist nicht, wie bei Stallgeflügel üblich, waagerecht montiert, sondern senkrecht vom Balkon des Turms bis durchs Dach gebaut worden. Auf der Spitze dreht sich der Wetterhahn wie eine Fahne im Wind. Wobei der Hahn kein Leichtgewicht ist und das Gestänge inzwischen an drei Stellen deutliche Dellen aufweist. Wie schwer der Wetterhahn ist, wussten die Dachtechniker zunächst nicht. Erst als sie das Tier an den Haken nehmen, messen sie etwa 100 Kilogramm. Die Weltkugel darunter ist deutlich leichter. Dörte Holzmeier von der Firma HM Dachtechnik aus Bad Salzuflen hebt sie kurz an. Sie wird Hahn und Kugel in den nächsten Monaten restaurieren. Ihr erster Blick ist auf Schäden gerichtet. &bdquo;Keine Einschusslöcher“, sagt sie mit Kennerblick. Wie bitte? &bdquo;Na ja“, erklärt die Spenglerin, solche menschengemachten Schäden begegneten ihr immer wieder. Zuletzt bei einem Kreuz, das sie vom Dach einer Kirche geholt habe. Dabei könne es sich auch um Kriegsschäden handeln, die in der Nachkriegszeit nicht vollständig repariert wurden. Der Bad Oeynhausener Wetterhahn und seine Weltkugel allerdings sind unversehrt. Sie thronen auch erst seit 1957 über der Kurstadt. Zunächst allerdings ohne Blattgold. Das hat nach Angaben der Gemeinde wenig später Malermeister Adolf Voss gestiftet und eigenhändig in luftiger Höhe aufgebracht. Hahn und Kugel überdauerten sogar einen schweren Orkan, der am 13. November 1972 über die Kurstadt fegte und das Kupferdach der Kirche abriss. 📱 News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke Dörte Holzmeier wird den Hahn in ihrer Werkstatt restaurieren. Das Kunstwerk aus Kupfer wird zunächst gereinigt, dann bekommt es eine neue Gelblackierung und wenn die ausgetrocknet ist, wird eine neue Schicht Blattgold aufgelegt. &bdquo;Das dauert bestimmt ein halbes Jahr“, sagt Dörte Holzmeier. Alles streng in Absprache mit der oberen Denkmalschutzbehörde. Der Wetterhahn und die Bremer Stadtmusikanten Das Altstadt-Kirchenschiff war ein wichtiger Versammlungsort der innerkirchlichen Opposition im Nationalsozialismus. 1936 fand dort unter der Leitung des Bad Oeynhausener Pfarrers und Präses Karl Koch, der bis 1933 noch als deutschnationaler Abgeordneter im Land- und Reichstag politisch tätig war, das vierte und letzte Treffen der Bekennenden Kirche statt. Der Wetterhahn ist ein Nachkriegskunstwerk des ehemaligen Bauhaus-Lehrers Gerhard Marcks (1889-1981). Der Bildhauer und Grafiker hat auch im Innern der wiederaufgebauten Auferstehungskirche mehrere Objekte gestaltet. Die meisten Menschen dürften aber ein besonderes Kunstwerk von Marcks kennen: das Wahrzeichen der Stadt Bremen, die Bremer Stadtmusikanten. Ganz oben thront bekanntlich ein Hahn. Der Bremer Gockel ist allerdings bedeutend schlanker als der Wetterhahn der Auferstehungskirche. Die Kosten der Restauration schätzt die Kirchengemeinde auf einen &bdquo;mittleren fünfstelligen Betrag“, so Theodora Beer und ruft zu Spenden für die Wiederherstellung des Wetterhahns auf. Jede Spende trage dazu bei, das Wahrzeichen der Gemeinde für kommende Generationen zu bewahren. Zur Anerkennung sollen die Spender auf einer Urkunde verewigt werden, die in einer wasserdichten Schatulle in der großen Kugel unter dem Hahn ihren Platz finden soll - und als Zeitkapsel in die Zukunft reisen wird. In den nächsten Wochen wird der Turm der Auferstehungskirche für die Sanierungsarbeiten hinter einem Baugerüst verschwinden. Die Glocken sind voll intakt, betont Kirchmeister Jochen Ganz. Während der Arbeiten sind sie allerdings ausgestellt.

Meistgelesen