Bad Oeynhausen/Löhne. Beim 23. Internationalen Literaturfest „Poetische Quellen“, das am 21. August beginnt, können Literaturfans erneut an fünf Tagen bis 25.. August in die Welt der Literatur eintauchen und 36 Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Übersetzerinnen, Publizisten und Künstler erleben, die diesmal aus Deutschland, Kanada, der Schweiz, vor allem aber aus Italien anreisen werden. Einmalig für die „Poetischen Quellen“ stehen dabei gleich sieben deutschlandweite Buchpremieren auf dem Programm. Im Mittelpunkt steht das Literaturland Italien, weshalb das passende Motto dazu lautet: „Auf, Gedanke, mit goldenen Flügeln: Italien – unendliches Erzählen“.
Zum zweiten Mal beginnt das Literaturfest diesmal in Kooperation mit dem Verein Agota bereits am Mittwoch, 21. August, (16.30 Uhr) mit der Eröffnungs-Vorlesung des zweiten Wintersemesters der „Kinder-Uni Bad Oeynhausen“. Der aus Südtirol stammende und perfekt zweisprachige Autor, Publizist und Übersetzer Stefano Zangrando macht die Frage Was sind Grenzen und wann ist es gut, sie zu überschreiten? zum Thema seiner Vorlesung, die sich ausschließlich an Kinder von acht bis 12 Jahren richtet und die im Hörsaal des Herz- und Diabeteszentrums NRW stattfindet.

Bei der konzertanten Auftaktveranstaltung am Mittwoch, 21. August, um 19.30 Uhr, dreht sich alles um die besondere italienische Tradition der sogenannten „Cantautori“, Liederdichter, die in Italien ein hohes Ansehen genießen und mit ihren ebenso poetischen wie kritischen Liedtexten das gesellschaftliche Leben Italiens auf eine eindrucksvolle Weise verbunden haben. Unter dem Titel Cercando un`altra poesia – Italien durch seine Lieder stehen hier die aus Catania stammende sizilianische Liedermacherin Etta Scollo und der aus Rom kommende „Cantautore“ Mimmo Locasciulli erstmals überhaupt gemeinsam auf der Bühne.
Bibliothek der Welt
Bei der offiziellen Eröffnungsveranstaltung am Donnerstag, 22. August, begegnet dann der kanadisch-argentinische Weltautor Alberto Manguel, der mit 40.000 Büchern eine der größten privaten Büchersammlungen weltweit besitzt, seinem italienischen Kollegen Fabio Stassi. Die Bibliothek der Welt erlesen, so lautet der passende Titel dieser ersten Autorenbegegnung. Die Gesprächsübersetzung übernimmt hier die Übersetzerin Annette Kopetzki, die Mitte Juni mit dem angesehenen deutsch-italienischen Übersetzungspreis in der italienischen Botschaft in Berlin von der deutschen Kulturstaatsministerin Claudia Roth und ihrem italienischen Amtskollegen Gennaro Sangiuliano ausgezeichnet wurde.
Suche nach einem menschlichen Europa
Der aus Triest stammende italienische Schriftsteller, Journalist und Reisende Paolo Rumiz ist in seiner Heimat Italien ein Star, der Plätze und Säle mit Publikum bei seinen Veranstaltungen füllt. Sein Werk wird oft verglichen mit literarischen Reiseschriftstellern wie Bruce Chatwin, Jack Kerouac oder Cees Noteboom steht. Das Publikum kann ihn am Freitag, 23. August, am Colon-Sültemeyer-Brunnen erleben. Vehement setzt Rumiz sich in den letzten Jahren für eine Erneuerung des Mythos der EU und Europas ein, tief enttäuscht sowohl von dem moralischen Zerfall der demokratischen politischen Eliten auf EU-Ebene als auch von der eigenen postfaschistischen Meloni-Regierung in Italien, die er lautstark kritisiert. Aus diesem Grund trägt die Veranstaltung mit ihm den Titel „Auf der Suche nach einem menschlichen Europa“. Aus seinem aktuellen Buch liest der bekannte Schauspieler Rolf Becker. Moderiert wird die Veranstaltung von Jürgen Keimer zusammen mit Stefano Zangrando.
Unter dem Titel „Jeden Tag übersteigt das Leben die Grenze“, die es setzt, einem Zitat aus einem Gedicht des italienischen Literaturnobelpreisträgers Eugenio Montale, widmet sich der inzwischen neunte Lyrik-Abend am Freitag ebenfalls zwei herausragenden italienischsprachigen Dichtern. Der aus dem schweizerischen Tessin stammende Fabio Pusterla gehört zu den angesehensten lebenden Lyrikern Italiens. Zu einer ersten deutschlandweiten Buchpremiere kommt es, wenn der zweite Gast des Abends, der Dichter Piero Salabè seinen Debütband „Das schöne Nichts“ im Gespräch mit Jürgen Keimer und Fabio Pusterla präsentiert.
Perlen – Werke großer italienischer Autorinnen
Zum dritten Mal wird auch am Samstag, 24. August, eine Veranstaltung in der Bad Oeynhausener Innenstadt ausgerichtet, die Poetischen Quellen am Colon-Sültemeyer-Brunnen. Auf dem Podium sitzen diesmal mit Klaudia Ruschkowski, Monika Lustig und Ulrike Schimming drei ausgezeichnete Übersetzerinnen aus dem Italienischen, die die von Klaudia Ruschkowski seit 2023 herausgegebene Reihe „Perlen“ vorstellen werden, in der bedeutende Werke großer italienischer Autorinnen des 20. und 21. Jahrhunderts zum ersten Mal ins Deutsche übertragen wurden.

Weiter geht es dann am frühen Samstagnachmittag im Aqua-Magica-Park mit drei Buchpräsentationen am Stück: Wiederum in einer deutschlandweiten Buchpremiere stellt die Schriftstellerin Maddalena Vaglio Tanet ihren Debütroman „In den Wald“ vor. Unmittelbar danach wird Enrico Palandri seinen bereits 1979 in Italien erschienenen Roman Lichter auf der Piazza Maggiore ebenfalls in einer deutschlandweiten Buchpremiere präsentieren. Spät aber zurecht entdeckt, hat dieser Roman nichts von seiner unmittelbaren Sprachkraft verloren, die der Autor seinen beiden jungen Protagonisten in den Mund legt, die vor Lebenslust in einer schwierigen Zeit übersprudeln. Sprachmächtig kommt anschließend auch der Roman Zwischen den Zeiten des aus Sardinien stammenden Schriftstellers Marcello Fois daher.
Neuübersetzung eines Welterfolgs
Beim folgenden Tischgespräch I wird dann ein weiterer Klassiker der italienischen Literatur vorgestellt: In einer wunderbaren Neuübersetzung präsentieren Klaudia Ruschkowski und Maja Pflug ihre in einer Gemeinschaftsarbeit durchgeführte Neuübersetzung von Elsa Morantes internationalen Bestseller La Storia (zu Deutsch: Die Geschichte) vor. Elsa Morante (1912 – 1985) zwang ihren Turiner Verlag Einaudi den Roman 1974 in einer günstigen Taschenbuchausgabe in die Buchhandlungen zu bringen, die sich kurz nach Erscheinen über 600.000 Mal verkaufte und kurze Zeit darauf auch zu einem internationalem Welterfolg wurde, wobei der Originaltitel fast in allen Sprachen beibehalten wurde.
Am Samstagabend darf sich das Publikum dann auf einen unterhaltsamen Themenabend freuen: Unter dem Titel „Die Wunder Italiens“ – Eine „Passeggiata“ durch die italienische Literatur feiern die „Poetischen Quellen“ das 60-jährige Verlagsjubiläum des Klaus- Wagenbach-Verlags zusammen mit dessen Verlegerin Susanne Schüssler und den beiden Schauspielern Mechthild Großmann und Rolf Becker. Wagenbach ist der deutschsprachige Verlag, der seit vielen Jahren die meisten Bücher aus und über Italien in seinem Programm vereint und so zu einem Synonym für ins Deutsche übersetzte italienische Literatur wurde. Dabei fing alles mit einem Fahrrad an Darüber und von mediterranen Geschichtenerzählern, der Entdeckung verrückter Autorinnen, der Neupräsentation moderner Klassiker und vom Vater der Kunstgeschichte erzählt die Verlegerin aus dem Nähkästchen der Verlagsarbeit.

Literaturgottesdienst nach vier Jahren Pause
Nach vier Jahren Pause beginnt der Literaturfest-Sonntag, 25. August, wieder mit einem Literaturgottesdienst. Die seit 2008 bestehende Zusammenarbeit mit dem Literaturkreis der Ev. Kirchengemeinde Bad Oeynhausen-Altstadt hat durch die Pandemie und durch den Weggang von Pfarrer Lars Kunkel eine lange Unterbrechung erfahren, die in diesem Jahr nun beendet wird. Im 48. Literaturgottesdienst wird das Leben am Sonntagmorgen wieder auf seine spirituelle Basis zurückgeführt. Im Mittelpunkt steht diesmal das Buch „Ein Tag wird kommen“ der italienischen Autorin Giulia Caminito.

Im Anschluss daran folgt das Sonntagsgespräch, das wieder ein aktuelles gesellschaftliches Thema zum Inhalt hat. Unter dem Titel „Das Rettende in der Gefahr – Eine neue ethische Haltung für die Reparatur der Welt“ ist die Gesprächsrunde mit dem deutsch-französischen Philosophen und Autor Guillaume Paoli, dem Ideenhistoriker und Kulturwissenschaftler Matthias Bormuth und dem Philosophen Hanno Sauer erneut hochkarätig besetzt. Guillaume Paoli ist der diesjährige Preisträger des Günther-Anders-Preises für Kritisches Denken, der im April verliehen wurde.
Am Sonntagnachmittag stellen dann mit dem aus Sizilien stammenden Schriftsteller Giosuè Calaciura und der aus Rom anreisenden Autorin Ginevra Lamberti zwei weitere Gäste aus Italien ihre kurz zuvor ins Deutsche übersetzten Romane vor: Giosuè Calaciura lässt in Ich, der Sohn einen jungen Mann namens Jesus von seiner Vatersuche in Palästina erzählen. Bei einer weiteren deutschlandweiten Buchpremiere präsentiert Ginevra Lamberti schließlich ihren Roman „Der Aufruhr unserer Herzen“, der die bedrückende Enge eines Tals im Italien der 1970er Jahre beschreibt und wie die Protagonisten einen Aufbruch daraus schaffen.
Der ewige Faschischmus des Bürgertums
Die siebte und letzte deutschlandweite Buchpremiere steht dann bei dem Tischgespräch II am Sonntagnachmittag auf dem Programm. Hier begegnet der in Bari geborene Autor Nicola Lagioia, bis 2023 Leiter der Buchmesse von Turin, seinem deutschen Kollegen, den Schriftsteller Clemens Meyer. Unter dem Titel „Die Banalität des Bösen und der ewige Faschismus des Bürgertums“ blicken beide Autoren in die Abgründe menschlichen Handelns, im Fall von Clemens Meyer, der seinen neuen epischen Roman „Die Projektoren“ ebenfalls erstmalig vor Publikum präsentiert, über Jahrzehnte europäischer Geschichte hinweg. Nicola Lagioia hingegen entführt das Publikum in seinem dokumentarischen Roman „Die Stadt der Lebenden“ in ein gar nicht so entfernt liegendes Rom des Jahres 2016 und zeichnet ein schonungsloses Sittengemälde dieses Stadtmolochs.

In der Abschlussveranstaltung wird das Publikum schließlich eingeladen, sich bei einer musikalisch-tänzerisch-literarischen Reise durch drei italienische Städte der Renaissance Neapel, Florenz und Rom in eine der wichtigsten Epochen Italiens und damit auch Europas zurückzuversetzen. Das vierköpfige Ensemble Ventoux, bestehend aus Laura Dümpelmann, Laura Hanetseder, António Godinho und Lola Atkinson, die Tänzerin Mareike Greb, der Renaissance-Experte Tobias Roth und die Schauspieler Rolf Becker und Sylvia Wempner begleiten es auf dieser beeindruckenden Zeitreise in ein Zeitalter der Rückbesinnung und des Aufbruchs, dessen Lebenslust und Zukunftsglauben unserer heutigen Zeit guttäten.
Alle weiteren wichtigen Programm-Informationen rund um das Internationale Literaturfest zur Programmübersicht, Tickets unter: www.poetischequellen.de.