Bad Oeynhausenerin (84) sucht Fahrraddieb

Bad Oeynhausen. Das Fahrrad stand vielleicht zwei Stunden unbeaufsichtigt und am hellichten Tage am Straßenrand herum. Trotzdem ist es futsch. Margret Gerke hat ihr Rad mit einem Zahlenschloss an einen Stahl-Zaun gekettet. Also eigentlich alles richtig gemacht. Eigentlich lässt die 84-jährige Rehmerin ihren Drahtesel nicht aus den Augen. Sie hat ihn diesmal aber an der Haltestelle zurückgelassen, um mit dem Bus zu einem Arzttermin nach Volmerdingsen zu fahren. Für Diebe war das Gelegenheit genug, ausgerechnet dieses Fahrrad zu stehlen. Der Ärger ist schon halb verraucht, als Margret Gerke davon erzählt - in der Hoffnung, ihr Fahrrad zurück zu bekommen. Gerke hat nie einen Autoführerschein gemach. Sie fährt seit Kindestagen überall mit dem Fahrrad hin und ist auf ihr Rad angewiesen. Nur wenn die Wege zu weit sind, lässt sie sich fahren. Von ihrem Schicksal als Fußgängerin ahnte Margret Gerke noch nichts, als sie am Mittwoch, 17. April, gegen 11 Uhr überraschend früh von ihrem Arzttermin zurück kam und an der Haltestelle Brune an der Eidinghausener Straße ausstieg. Der Bus rollte weiter und gab den Blick frei auf die Leerstelle am Zaun. &bdquo;Und ich stand da wie blöd“, sagt Gerke. Also machte sie sich auf die Suche nach ihrem Fahrrad, klingelte bei Anwohnern und fragte, ob jemand vielleicht ihr Fahrrad gesehen hat: ein dunkles Damenrad mit besonders tiefem Einstieg. Eine Augenzeugin berichtete ihr von zwei Männer, die sich an ihrem Fahrrad zu schaffen gemacht haben sollen. Mehr Hinweise hat sie nicht. Margret Gerke ist dann zu einer Freundin gelaufen und nach einer Kaffeepause weiter zur Polizeiwache in der Blücherstraße, um Anzeige zu erstatten. Fahrräder sind als Diebesgut heiß begehrt So wie die 84-jährige Radfahrerin aus Rehme werden jedes Jahr zahlreiche Menschen im Mühlenkreis Opfer eines Fahrraddiebstahls. Jedes Jahr werden der Polizei etwa 1.000 Fahrraddiebstähle gemeldet. In Bad Oeynhausen sind es jedes Jahr fast 100, 2023 waren es 132. Die Zahlen sind während der Coronakrise zunächst zurück gegangen und danach wieder deutlich gestiegen. Die Kurstadt ist also nicht das El Dorado der Raddiebe. Das ist Minden. Hier werden mit Abstand die Räder geklaut. Letztes Jahr waren es 323. Und das waren überraschender Weise bloß halb so viele Fahrraddiebstähle wie in den Vorjahren. Fahrräder sind als Diebesgut heiß begehrt. Zehnmal so viele Fahrräder (750) wie Autos (75) wurden vergangenes Jahr im Mühlenkreis gestohlen. Der Schaden durch Fahrraddiebstähle ist außerdem enorm und längst größer als durch Autodiebstähle. Vergangenes Jahr wurden Räder im Wert von 1.405.784 Euro im Mühlenkreis geklaut. Allein in Bad Oeynhausen waren das 132 Fahrräder im Wert von 332.346 Euro. Aufgeklärt wurden kreisweit allerdings bloß 9,07 Prozent aller Fahrraddiebstähle, in Bad Oeynhausen sogar bloß 3,79 Prozent. Autos werden nicht nur seltener gestohlen, die Diebstähle werden auch häufiger aufgeklärt. 2023 lag die Quote kreisweit bei 25,33 Prozent. Die Schadenssumme bei 1.068.083 Euro. In Bad Oeynhausen allein haben Diebe 16 Autos im Wert von 336.140 Euro entwendet, 18,75 Prozent der Fälle wurden aufgeklärt. Mit Blick auf diese Zahlen stehen die Chancen also schlecht, dass Margret Gerke ihr Fahrrad jemals wiedersehen wird. Doch warum ist die Aufklärungsquote der Polizei so gering? Verfolgen die Gesetzeshüter Fahrraddiebe auch mit der gleichen Hartnäckigkeit wie Autodiebe? Ortungstechnik für teure Räder Thomas Bensch, Pressesprecher der Polizei Minden-Lübbecke, beteuert, dass das so ist. &bdquo;Gemessen an der Gesamtzahl aller Diebstahlsdelikte nehmen die Fahrraddiebstähle einen großen Anteil ein“, bestätigt er. Für jedes Diebstahlsopfer sei der Verlust des Rades schmerzlich. &bdquo;Ein Fahrraddiebstahl lässt sich für versierte Täter verhältnismäßig einfach durchführen“, so Bensch. Ein Schloss ist schnell geknackt. Was der Polizeipressesprecher nicht sagt: Einen Dieb zu packen ist für seine Kolleginnen und Kollegen verhältnismäßig schwierig. Fahrräder sind nämlich meist nicht so gut gesichert wie Autos, auch wenn die Technik es Dieben zunehmend schwerer macht. Manche Radler spendieren ihren teuren Fahrrädern inzwischen zwar eigene Sendegeräte, mit denen das Diebesgut geortet werden kann. Das ist jedoch eher die Ausnahme als die Regel. Die Polizeiarbeit nach Fahrraddiebstählen ist aber offenbar ganz ähnlich wie bei Autodiebstählen. Nach Auskunft von Bensch werden &bdquo;immer wieder mal“ Verkehrskontrollen von Fahrrädern durchgeführt, bei denen auch die Rahmennummern gecheckt werden. Sind die Fahrräder dann als gestohlen gemeldet, gehen die Diebe der Polizei ins Netz. Wie oft die Polizei Rahmennummern checkt, sagt Bensch nicht. Die Voraussetzung für den Erfolg der Polizeiarbeit ist, dass die Bestohlenen auch die Rahmennummern ihrer Fahrräder kennen und weitergeben. Autofahrer haben es da einfacher. Vergleichbare individuelle Fahrzeugdaten werden bei jedem Autokauf weitergegeben. Fahrräder mit Nummernschild Radfahrer müssen sich selbst darum kümmern. Umso wichtiger ist die Vorsorge vor Fahrradstahl wie durch die Registrierungskampagne der Polizei Minden-Lübbecke &bdquo;Kein Fahrrad ohne Nummernschild“ (siehe Infokasten). Dabei wird auch ein deutlich sichtbarer Aufkleber auf den Rahmen des Fahrrads geklebt. Schreckt das Diebe ab? &bdquo;Kann sein“, sagt Bensch. Es gibt keine Belege dafür, dass Fahrraddiebe einen Bogen um sichtbar registrierte Räder machen. Die Zahlen sprechen aber dafür. Bei der Polizei-Kampagne sind kreisweit inzwischen 15.537 Fahrräder registriert worden. Allein im vergangenen Jahr sind 899 Fahrräder neu dazu gekommen. Und bisher ist bloß ein einziges so registriertes Fahrrad als gestohlen gemeldet worden. Margret Gerke hat inzwischen ein neues Fahrrad von ihrer Tochter bekommen - und sich sofort die Rahmennummern notiert. An Christi Himmelfahrt ist mit dem neuen Rad schon wieder an Werre und Weser unterwegs gewesen. Die 84-jährige Rehmerin hat sich am Fähranleger tapfer einen Weg durch die Vatertagsfeierei gesucht und ihr Rad durchs Getümmel geschoben.

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