Bad Oeynhausener Hofladen „Bäuerliche Spezialitäten Niemeier“ schließt

Bad Oeynhausen. Melanie Klostermann mag genauso wenig wie Anette Stute an den 15. Juni denken. Dann öffnen sich ein allerletztes Mal die Türen zum Hofladen in Wulferdingsen. Nach 43 Jahren ist Schluss mit den &bdquo;Bäuerlichen Spezialitäten Niemeier“. Weil Marianne Niemeier kein Testament hinterließ, kümmern sich nun zwei Großnichten und ein Großneffe um die Abwicklung des Erbes. Und so gerne Melanie Klostermann - Sprecherin der Erben - den Betrieb auch weiterführen würde - mehrere Gründe sprechen dagegen. Nun wird ein Käufer gesucht - der soll möglichst der Wunschvorstellung entsprechen. Als Marianne Niemeier vier Tage vor Heiligabend verstarb, gab es kein Schriftstück, das festgelegt hätte, wer das Anwesen in Wulferdingsen und die Ländereien bekommen soll. Lediglich vorgefertigte Schriftsätze, allesamt nicht unterschrieben, fanden sich in den Schränken des Hauses. Das Amtsgericht machte schließlich Melanie Klostermanns Mutter und ihre drei Brüder, Nichte und Neffen der verstorbenen 94-Jährigen, als Erben ausfindig. Doch die lehnten das Erbe ab. &bdquo;Meine Mutter ist fast 70, meine Onkel alle älter - die wollten sich aufgrund ihres Alters nicht mehr mit diesem Erbe beschäftigen“, erklärt Melanie Klostermann. Also waren die 40-Jährige, ihre Schwester Eva-Marie Natemeyer (41, lebt in Australien) und ihr Bruder Stefan Natemeyer (44) die nächsten in der Erbfolge. Auch sie wollten das Erbe zuerst ablehnen. &bdquo;Aber irgendwer muss sich ja kümmern und auch unseren Eltern lag es am Herzen, dass es hier vernünftig weiterläuft“, sagt Melanie Klostermann, die nur allen raten kann, sich zu Lebzeiten um den Nachlass zu kümmern. &bdquo;Das hätte hier vorher per Testament in die Bahnen gelenkt werden müssen. Ohne ein Schriftstück, gerade wenn es keine Kinder gibt, tut man den Menschen viel an.“ Der Papierkrieg nehme kein Ende. Noch heute vieles aus eigener Herstellung 1981 bauten Marianne und Heinrich Niemeier den Hofladen auf. Doch bereits 1977 begann das Ehepaar, das 1952 geheiratet hatte, mit Hühner- und Entenhaltung, Eierproduktion sowie einer kleinen Geflügelschlachterei. &bdquo;Die Geflügelzucht war immer Heinrichs Steckenpferd“, weiß Klostermann. Mit dem Hofladen erfüllten sich die Wulferdingsener einen Traum. Das Sortiment wurde kontinuierlich ausgebaut, neben Geflügelprodukten gab es Nudeln, Marmeladen, Salate oder Eierlikör - alles bis heute aus eigener Herstellung. Weitere Produkte wie Wurstwaren, Gemüse, Säfte oder Obst kamen von Direktvermarktern aus der Region. Mittlerweile misst die Verkaufsfläche rund 300 Quadratmeter. 2003 eröffneten Marianne und Heinrich Niemeier ihr Café: &bdquo;Das war wieder eine Herzensangelegenheit“, weiß Klostermann. Das zieht sich über zwei Etagen und hat nach der Corona-Pandemie nicht wieder eröffnet. Die Seele des Unternehmens war in den vergangenen Monaten vor allem Anette Stute, der die 18 anderen Mitarbeiter den Hut aufgesetzt haben, sich um die Fortführung des Ladengeschäftes zu kümmern. &bdquo;Jeder hat seinen Aufgabenbereich, es läuft eigentlich alles weiter wie zuvor“, betont Stute. Ihr Dank geht vor allem an das Team. &bdquo;Nach Mariannes Tod ist hier alles weitergegangen - das war schon beeindruckend“, urteilt Melanie Klostermann. Zumindest den Mai über werden die üblichen Waren in den Regalen liegen, ab Anfang Juni soll der Betrieb dann langsam auslaufen. Jeden Mittwoch gibt es Eintopf Jeden Mittwoch gehen in Wulferdingsen rund 700 Portionen Eintopf über den Tresen, 30 Eimer Salate werden geschnippelt, gerührt und verpackt und mehrmals pro Woche Brot, Brötchen und Kuchen gebacken. &bdquo;Wir haben zwei Bäcker und eine Köchin angestellt“, erklärt Anette Stute, die seit 27 Jahren bei Niemeier arbeitet und auch aus diesem Grund viele Kunden mit Namen kennt. &bdquo;Das ist hier immer alles sehr familiär gewesen“, sagt sie. Eine kleine Plauderei an der Kasse oder der Schnack der Kunden untereinander gehören bei Niemeier dazu. &bdquo;Das ist hier schon ein Treffpunkt im Dorf“, weiß Stute. Und so wundert es nicht, dass sie vor allem von den älteren Stammkunden oft die Sorge heraushört, dann keinen mehr zum Klönen im ort zu treffen, wenn Niemeier schließt. Doch Mitte Juni öffnet sich die Tür ein letztes Mal. &bdquo;Ich bin schon sehr, sehr traurig“, sagt auch Melanie Klostermann. Ihr sei das Unternehmen in den vergangenen Wochen ans Herz gewachsen. &bdquo;Wenn ich nicht alleine wäre und zwei kleine Kinder hätte, würde ich es glatt weiterführen“, gibt sie zu. Zumal sie selbst beruflich aus dem landwirtschaftlichen Bereich komme. Aber 19 Angestellte, das sei schon eine sehr große Verantwortung. &bdquo;Die Erbschaftssteuer ist so hoch, dass für uns nur ein Verkauf in Frage kommt“, erklärt die 40-Jährige die Gründe für den Verkauf. &bdquo;Aus wirtschaftlicher Sicht ist es leider nicht tragbar.“ Zumal es auch einen kleinen Investitionsstau gebe. 1,2 Hektar groß ist das Anwesen am Wulferdingsener Glockenbrink, dazu gehören Wohnhaus, Ladenlokal, Café, Hallen, Volieren, Wiesen und Gartenhütten. In den Hallen hatte auch lange Jahre die Moldawienhilfe Lager und Sammelpunkt. &bdquo;Meine Großtante und ihr Mann waren sehr gläubig und kirchlich engagiert, Heinrich war mehr als 30 Jahre Presbyter und 60 Jahre im Posaunenchor“, erzählt Melanie Klostermann. Sie verrät: &bdquo;Deshalb waren auch alle in der Familie davon ausgegangen, dass eine gemeinnützige Organisation alles erbt.“ Gerade in letzter Zeit viele neue Kunden Makler Frank Haseloh von Nagel Immobilien hat bereits einen ersten Blick auf die Gebäude und das Gelände geworfen und soll sich in den kommenden Wochen und Monaten um die Vermarktung kümmern. &bdquo;Am liebsten wäre mir jemand, der das Konzept des Hofladens auf moderne Art weiterführt“, nennt Melanie Klostermann ihre Wünsche. &bdquo;Das wird eine Herausforderung, da es auch wirtschaftlich fordernd ist“, weiß Frank Haseloh, auch weil die Supermärkte einfach Wettbewerber seien, die vieles günstiger anbieten könnten. Unterstützung hätte ein möglicher neuer Eigentümer für den Laden: &bdquo;Ein Teil der Belegschaft würde bleiben“, ist Anette Stute überzeugt. Und sie weiß: &bdquo;Wir haben gerade in der letzten Zeit viele neue Kunden bekommen, viele junge Familien.“ Und auf deren Wünsche hat das Unternehmen reagiert. &bdquo;Wir bieten inzwischen auch viele vegetarische Produkte an.“ Weil der Wunsch der Eigentümer für Haseloh Vorrang hat, wird er sein Exposé auf die Zielgruppe der möglichen Ladenbetreiber zuschneiden. &bdquo;Wir suchen aber einen Käufer für das ganze Areal“, betont er. Während Klostermann auf jemanden setzt, der den Hofladen fortführt, hat Haseloh dagegen eher eine andere Zielgruppe im Blick: &bdquo;Die einzige Branche, die eine solche Mischnutzung aus Wohnen, Lager und Verkauf heute noch braucht, sind Bauunternehmer.“ Auch Wohnbebauung sei auf dem Gelände nur sehr begrenzt möglich. Was genau für die mehr als einen Hektar große Fläche aufgerufen werden soll, kann Haseloh nur grob abschätzen: &bdquo;Es wird sicherlich ein hoher sechsstelliger Betrag werden.“ Trotz allem ist Frank Haseloh zuversichtlich: &bdquo;Wir brauchen ein positives Grundgefühl. Denn es ist eigentlich die einzige Chance, das Unternehmen weiterzuführen, und ich bin zuversichtlich, dass alles so klappt, wie von der Familie gewünscht.“

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