Dubiose Spendensammler vor Supermarkt in Bad Oeynhausen aufgeflogen

Bad Oeynhausen. Die jungen Männer auf dem Supermark-Parkplatz waren überaus freundlich und zuvorkommend. Angeblich sammelten sie Unterschriften für den "Landesverband für behinderte und taubstumme Kinder". Das jedenfalls stand über einer halb ausgefüllten Unterschriftenliste auf dem Klemmbrett, das die Männer einem 75-jährigen NW-Leser beim Lidl in Eidinghausen unter die Nase hielten. Sprechen konnten sie angeblich nicht. Und den Zettel wollten die jungen Männer nicht aus der Hand geben. Der 75-Jährige aber blieb beharrlich und ließ die dubiosen Spendensammler auffliegen. Der NW-Leser ist ein wenig außer Atem, als er davon erzählt. Auch Stunden später ist der 75-jährige Rentner aus Bad Oeynhausen noch empört über die versuchte Abzocke - und dass sie immer noch funktioniert. Schon zweimal ist der Rentner viele Jahre zuvor auf ähnliche Weise in der Kurstadt angesprochen worden. Immer ging es um angeblich "taubstumme Kinder". Montagmittag, 10. Juli, auf dem Lidl-Parkplatz am Dingelkamp lief der Leser solchen Spendensammlern erneut in die Arme, als er gerade seinen Einkauf im Auto verstauen wollte. Diesmal aber hat sich der Rentner das Klemmbrett gegriffen, den Zettel abgezogen und ist damit zur Polizei gegangen. Die Spendensammler dagegen nahmen die Beine in die Hand - und liefen davon. Offenbar hat der NW-Leser eine Gruppe dubioser Spendensammler auffliegen lassen - und alles richtig gemacht. Das geht aus einer Antwort von Polizeipressesprecher Thomas Bensch hervor. Die Masche ist schon lange polizeibekannt. Der vorgebliche Verein, für den in Bad Oeynhausen gesammelt wurde, ist bereits in drei Ermittlungsverfahren im Jahr 2021 erfasst worden. Allerdings am anderen Ende von NRW in Hennef, im Rhein-Sieg-Kreis. Bensch: "Die genannte Organisation gibt es in dieser Form nicht." Bundesweit bekannte Betrugsmasche Wer den Namen der vorgeblichen Spendensammelorganisation auf dem Zettel googelt, landet bei zahlreichen Presseberichten aus dem ganzen Bundesgebiet über dubiose Spendensammler. Offenbar ist die Masche immer mal wieder aufgeflogen, scheint aber trotzdem immer noch erfolgreich zu sein. Auf dem Zettel, den der NW-Leser im Original an sich genommen hat, ist über dem fehlerhaften Großbuchstaben-Text das Piktogramm eines Rollstuhlfahrers zu sehen, die Deutschlandfahne und das Label eines französischsprachigen Tourismusverbands zum behindertenfreundlichen Reisen "Tourisme & Handicap". Unter dem Text und den Unterschriften sind eine schlecht kopierte Unterschrift, eine Stempel-Kopie und der Schriftzug "Handicap International" zu sehen. Offenbar sind alle diese Grafik-Elemente aus dem Internet geklaut und zusammengefügt worden - ohne Wissen der jeweiligen Organisationen. Polizeipressesprecher Thomas Bensch weist daraufhin, dass die Organisation "Handicap International" nichts mit den Spendensammlern zu tun hat. Der Vordruck werde aber immer wieder mal verwendet, so Bensch. "Handicap International" ist eine registrierte Spendenorganisation, die zu Fällen wie in Bad Oeynhausen extra eine "Warnung vor betrügerischen Spendensammlern" veröffentlicht hat. Dort ist auch das Foto einer gefälschten Unterschriftenliste zu sehen. Die Liste aus Bad Oeynhausen ist nahezu identisch. Auf dem Zettel sind fünf Unterschriften zu sehen, die angeblich insgesamt 120 Euro Bargeld gegeben haben. Vier Unterzeichner haben als Stadt Bad Oeynhausen, einer Porta Westfalica angegeben. Wer genau hinschaut, entdeckt Merkwürdigkeiten. Es ist kaum vorstellbar, dass ein Kurstadt-Einwohner erst mit vollem Namen unterschreibt, dann die falsche Postleitzahl "32590" nennt und auch noch den Namen seiner Heimatstadt ohne "e", aber mit Bindestrich als "Bad-Oynhausen" verballhornt. Angeblich hat dieser Erst-Unterzeichner auch noch 20 Euro in Bar gegeben. "Man will sich ja nicht lumpen lassen" Eilige Leser werden über diese Einzelheiten womöglich hinweg gesehen haben. Der 75-jährige NW-Leser hat den Zettel auch nicht aufmerksam studiert, als er aus dem Supermarkt kam. Er war aber durch seine schlechten Erfahrungen mit anderen Spendensammlern vorgewarnt. Polizeisprecher Thomas Bensch: "Bereits vorhandene Eintragungen auf Spendenlisten sind oft gefaked, um vorzutäuschen, dass auch andere schon gespendet haben und um zu einer höheren Spendensumme zu motivieren." Der Rentner aus Bad Oeynhausen hatte genau dieses Gefühl und sagt mit Blick auf die kleinen Geldbeträge: "Man will sich ja nicht lumpen lassen." Die Polizei empfiehlt jedenfalls, in solchen Fällen keine Geldspenden zu geben. Womöglich werden die Angesprochenen nämlich nicht nur Opfer eines Betruges. Es bestehe außerdem die Gefahr, dass man bestohlen werde, während man abgelenkt ist, so Bensch: "Möchte man spenden: Flyer mitnehmen, Geld später überweisen." Ist das Gespräch mit den Spendensammlern an dieser Stelle nicht vorbei, wird man unter Druck gesetzt oder glaubt, dass es sich um Betrug handelt, rät der Polizeisprecher dazu, die Polizei unter Notruf 110 zu rufen. Der NW-Leser hat also alles richtig gemacht: Der Rentner hat seinen Einkauf eingepackt und in aller Ruhe zugesehen, wie die jungen Männer in einen älteren Audi A4 mit Duisburger Kennzeichen einstiegen und dann das Weite suchten. Das Kennzeichen hat er sich notiert und die Polizei gerufen. Allerdings waren die Spendensammler bereits über alle Berge, als der Streifenwagen am Lidl vorfuhr.

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