Seniorenzentrum in Bad Oeynhausen setzt auf Pflegehelfer aus dem Ausland

Bad Oeynhausen. Der Tag beginnt für Vjolica Kurti morgens um halb sechs. Das Ende ist dann noch weit entfernt. Denn nach dem Frühdienst im Seniorenzentrum Bethel und einer Mittagspause paukt die 41-Jährige noch fünf Stunden Deutsch in einem Onlinekursus. Erst um 20 Uhr wird der Bildschirm schwarz und die Freizeit beginnt. Ein Mammut-Pensum. Aber wenn die Kosovarin dauerhaft in Bad Oeynhausen leben und arbeiten möchte, gibt es kaum eine Alternative. Kurti ist neben Klaudia Haxhiu und Enisa Mahmuti eine von drei neuen ausländischen Pflegehelferinnen im Seniorenzentrum am Hambkebach. Um endlich wieder voll belegen zu können, geht Geschäftsführer Joachim Knollmann neue Wege (die NW berichtete). Er hat versucht, Personal mittels Agentur im Ausland zu akquirieren - mit mäßigem Erfolg. Denn die Agentur versprach mehr, als sie hielt. Trotzdem streckt Knollmann weiter seine Fühler aus - dieses Mal gen Asien. "Wir haben keine Alternativen", sagt er. Belegungsstopp auferlegt Das Licht ist aus, die Heizung abgestellt, die Türen verschlossen. Eine ganze Station im nigelnagelneuen 15 Millionen Euro teuren Neubau muss Joachim Knollmann immer noch leer stehen lassen. Und das, wo die Interessenten für Pflegeplätze nach wie vor Schlange stehen. Doch das Seniorenzentrum Bethel am Hambkebach bekam von der Heimaufsicht des Kreises Minden-Lübbecke einen Belegungsstopp auferlegt. Der Grund: zu wenig examinierte Fachkräfte. Joachim Knollmann setzte auf das Ausland und wollte eigentlich schon jetzt wieder so viel Personal haben, dass er alle Betten belegt hatte. Daraus wurde nichts. Erst im Herbst traf mit Kurti die erste Kraft aus dem Ausland ein. "Wir haben monatelang in der Luft gehangen", sagt Tanja Moysig, in Bethel zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit. Weder das Haus noch die neuen Mitarbeiter bekamen Informationen. Bezahlen mussten sie die Agentur trotzdem. "Wir haben im Februar sechs Kräfte ausgewählt, die eigentlich im Juli anfangen sollten", erinnert sich Joachim Knollmann. Inzwischen sind zwei seit einigen Wochen im Dienst, die Dritte pünktlich zum neuen Jahr eingetroffen. Der Rest - der lässt weiterhin auf sich warten. "Keine Rückmeldung, keine Wertschätzung, fehlende Menschlichkeit", nennt das Moysig, die nur den Kopf schütteln kann über das Gebaren der Agentur. Trotz Zertifikat keine Sprachkenntnisse Ärgerlich nennt das Knollmann. Und teuer. Denn frühestens im Januar 2024 kann er nun auf Vollbelegung hoffen. Ein Jahr später als angedacht. "Die Agentur hat viel versprochen und wenig gehalten", winkt er ab. "Man hat uns verkauft, dass alle Mitarbeiter das B1-Sprachlevel haben", nennt er ein Beispiel. Dem aber ist nicht so. Die Sprachkenntnisse sind zum Teil desolat. Ohne Dolmetscherin geht wenig. "Also müssen wir nachschulen." Denn ohne B1-Level keine Zulassung zum beruflichen Anerkennungsverfahren. Also stehen Sprachkurse auf dem Programm. "Das sind sehr, sehr teure Kurse", bilanziert Knollmann, der damit doppelt bezahlt hat. "Für die Mitarbeiter ist das auch eine enorme Doppelbelastung - arbeiten und Sprachschule." Doch nur so sind die praktische Prüfung und die Theorie in Sachen Pflege für die Anerkennung überhaupt machbar. Vjolica Kurti, Klaudia Haxhiu und Enisa Mahmuti sind alle drei gelernte Krankenschwestern und verstehen ihren Job. Trotzdem werden sie vorerst nur als Pflegehelferinnen eingesetzt, verteilen Frühstück, reichen das Essen, helfen beim Anziehen oder waschen die Bewohner. "Gut" sei es, sagen sie nach wenigen Wochen. Sie alle eint vor allem ein Wunsch: "Wir möchten ein neues Leben beginnen. Ganz woanders neu anfangen." Verdienste in Deutschland und dem Ausland Natürlich spielt dabei auch die Bezahlung in Deutschland eine Rolle. "Im Kosovo verdient eine Krankenschwester 400 Euro", sagt Vjolica Kurti. "In Albanien sind es 600 Euro", ergänzt Klaudia Haxhiu. Auch wenn viele Menschen glaubten, dass auch die Lebenshaltungskosten geringer seien, sei das ein Irrtum. "Sie sind ähnlich wie in Deutschland, wenn nicht sogar höher", weiß auch Sultone Rexhepaj, die seit sieben Jahren im Seniorenzentrum arbeitet und nun zwischendurch dolmetscht. "Ich bin jung, ich möchte etwas probieren und habe hier bessere Möglichkeiten", sagt die 23-jährige Klaudia Haxhiu. Während Kurti ihren drei Töchtern, die seit fünf Jahren mit dem Vater in Deutschland leben, hinterhergezogen ist, hofft Enisa Mahmuti darauf, hier Fuß zu fassen und später ihren Ehemann nachzuholen. Denn der Verdienst in Deutschland ist derzeit um das Vierfache höher als in der Heimat, mit Anerkennung dann sogar um das Siebenfache. Durchaus ein Anreiz. Auch wenn der Start schwer war, steht für die Drei jetzt schon fest: "Wir wollen nicht wieder nach Hause." Die nächsten Mitarbeiter kommen von den Philippinen Derzeit arbeiten im Seniorenzentrum Bethel 26 examinierte Fachkräfte, doch noch immer fehlen weitere: "Zehn weitere wären gut", sagt Pflegedienstleiter Maik Detert. Denn von den 187 Betten sind derzeit nur 135 belegt. "Wir haben zwar durch unsere massive Außenwerbung fünf neue Kräfte gewonnen, aber es gehen auch immer wieder welche in den Ruhestand", ergänzt Joachim Knollmann. Das sei ein fließender Prozess. "Wir haben pro Woche 10 bis 20 Anfragen von potenziellen Bewohnern. Wir könnten problemlos voll belegt sein." Und bereits mehr Arbeitskräfte aus Albanien und dem Kosovo eingestellt haben. "Das mit der Agentur hat nicht funktioniert, wie gedacht. Wir hatten große Probleme", gibt Knollmann zu. Trotzdem setzt er nach wie vor auf das Ausland. "Die Drei sind super", sagt er. Auch wenn die Planung enttäuschend gewesen sei und er deshalb nun parallel andere Wege gehe. "Wir brauchen schnelle Lösungen. Die müssen 2024 stehen." Die nächste Agentur vermittelt aus Asien, genauer von den Philippinen. "Die sind angeblich schneller und bereits ausgebildet", hat Knollmann erfahren. Bleibe abzuwarten, ob das stimme. "Die Kandidaten machen ein Jahr Bundesfreiwilligendienst bei uns und arbeiten danach als Fachkraft." Darauf hoffen auch Vjolica Kurti, Klaudia Haxhiu und Enesi Mahmuti. Und dafür pauken sie Deutsch. Jeden Tag. Denn vor ihrer Bewerbung in Deutschland konnten sie kein Wort. "Extra dafür" hätten sie einen kleinen Kursus gemacht. Auf den es nun schnell aufzubauen gilt. Damit Joachim Knollmann 2024 neue Bewohner begrüßen kann.

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