Gesetzlicher Betreuer soll das Geld einer alten Dame veruntreut haben

Löhne/Bad Oeynhausen. Die alte Dame ist erst wenige Stunden tot, da räumt ihr gesetzlicher Betreuer das Konto leer. Um 9.19 Uhr steht der 43-jährige Löhner bei der Volksbank auf der Matte und hebt am Freitag, 19. Juni 2020, 40.000 Euro ab. Um 7.40 Uhr ist die 97-Jährige verstorben. Es ist nicht das erste Mal in diesem Corona-Sommer, dass der Angeklagte zum Geldautomaten geht. Insgesamt 18 Mal hebt er Geld ab. Darf er das? Die Tochter der alten Dame findet: nein. Sie wohnt in Süddeutschland und zeigt den Betreuer bei der Polizei an. Die Folge ist ein Strafprozess am Mittwoch vorm Amtsgericht Bad Oeynhausen. Den ersten Termin hat der Angeklagte versäumt, weil er in der Türkei Urlaub macht. Sein Verteidiger erreichte ihn jedoch am Mobiltelefon über das Festnetztelefon des Richters. Zeugen und Prozessbeobachter aus Süddeutschland mussten unversehens wieder abreisen. Diesmal ist der Angeklagte da und er hat viel zu erzählen. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld wirft ihm Untreue in 18 Fällen vor. Bis zum 30. März soll er insgesamt 2.000 Euro, am 15. Juni 11.000 Euro und am 19. Juni 2020 schließlich 40.000 Euro abgehoben haben. "Unsere Oma" Der Angeklagte widerspricht nicht. Allerdings habe er das Geld jeweils im Auftrag der alten Dame oder in ihrem Sinne verwendet. Er habe ein mehr als freundschaftliches Verhältnis zu ihr entwickelt. "Sie war unsere Oma", erzählt der Betreuer dem Richter. Einmal in der Woche hätte die alte Dame mit seiner Familie gemeinsam gefrühstückt. Er habe ihr eine Wohnung in seinem Haus angeboten, um sie besser zu betreuen. Und sie habe das Angebot angenommen. Die zuständige Verfahrenspflegerin des Amtsgericht hält in einem Vermerk fest: Die betreute sei "gut versorgt und betreut". Sie habe einen Klingelknopf und sei durch Babyphone und Kamera stets im Blick des Betreuers. Die alte Dame hatte zuletzt Pflegestufe 4. Kennengelernt haben sich die beiden Jahre zuvor, da hatte sich die alte Dame den Unterarm gebrochen. Der Angeklagte konnte ihr als gelernter Physiotherapeut helfen. Regelmäßig habe er Besorgungen für die alte Dame gemacht und sie auch zur Bank gefahren "bis es nicht mehr ging". Die Pflege habe er dann im Obergeschoss seines eigenen Hauses organisiert. "Sie hat nie nach Alter gerochen", sagt der Betreuer etwas ungelenk. Seine Mutter, eine gelernte Altenpflegerin, habe sich um die Körperpflege der alten Dame gekümmert. Und bei ihr sei sie auch verstorben. Ausgerechnet in dem Moment, als er zu seinem Geburtstag eine Woche Urlaub von der Betreuung machte. Die regelmäßigen Botengänge zur Bank erregten jedoch Misstrauen. Ein Bankkaufmann erläuterte dem Gericht, warum die Volksbank dem Betreuer zunächst eine eigene Geldkarte für das Konto der alten Dame verweigerte: Zu diesem Zeitpunkt war er noch nicht gesetzlicher Betreuer. "Das war ein Bauchgefühl", sagt der Bankkaufmann. Der Angeklagte fühlte sich dem Verdacht ausgesetzt, er sei ein Enkeltrickbetrüger und habe es nur auf das Geld der alten Dame abgesehen. Gleiches dachte offenbar auch die Tochter, deren Verhältnis zur alten Dame der Betreuer jedoch als "zerrüttet" beschreibt. Das Testament Allerdings setzte die alte Dame ihren Betreuer ausdrücklich in ihrem Testament als Erben ein. Ein Gutachter bescheinigte zudem, die alte Dame sei zu diesem Zeitpunkt gesund gewesen. Er habe keine Anzeichen von geistiger Unzulänglichkeit feststellen können. Als die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft das hört, zieht sie die Anklage teilweise zurück. Die ersten 16 Mal Geldabheben seien geklärt und auch der 18. Fall sei nicht strafbar, weil der Angeklagte als Erbe eingesetzt sei. Nur das 17. Geldabheben mit 11.000 Euro sei noch zu klären. Mit Blick auf eine höhere Strafe in einem anderen Strafprozess gegen den Angeklagten könne man das Verfahren jedoch einstellen. Und das tat das Amtsgericht dann auch. Das Schöffengericht Herford hat den Betreuer wegen Besitz von Betäubungsmitteln zu einem Jahr Haft verurteilt, die drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt sind.

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