Plötzlicher Herztod: Kardiologe warnt Amateursportler

Bad Oeynhausen. &bdquo;Es geht mir gut.“ Mit diesen Worten und der Ergänzung &bdquo;den Umständen entsprechend“ meldete sich Christian Eriksen via soziale Medien aus einem Krankenhaus in Kopenhagen. Inklusive Selfie, lächelnd mit Daumen hoch. Selbstverständlich ist das nicht, denn das Herz des dänischen Fußball-Nationalspielers hatte aufgehört zu schlagen. &bdquo;Sudden Cardiac Death“ nennen Kardiologen den plötzlichen Herztod. Er kommt blitzschnell und kündigt sich nicht an. So beschreibt es Klaus-Peter Mellwig, Oberarzt am Herz- und Diabeteszentrum NRW in Bad Oeynhausen (HDZ), und einer der führenden Sportkardiologen Deutschlands. &bdquo;Das Herz schlägt dann nicht mehr im Takt“ Doch zunächst zurück nach Kopenhagen: Gegen Ende der ersten Halbzeit im Spiel bei der Fußball-Europameisterschaft zwischen Dänemark und Finnland bricht Christian Eriksen scheinbar leblos zusammen. Mannschaftskollege Simon Kjaer, Kapitän der dänischen Nationalmannschaft, soll Medienberichten zufolge als erstes reagiert und Eriksen die Zunge heraus genommen haben, damit die Atemwege frei bleiben. Schnell sind auch Ersthelfer zur Stelle und stellen fest, dass Eriksen keinen Puls mehr hat. Sie beginnen mit der sofortigen Herzdruckmassage und setzen einen sogenannten &bdquo;automatischen, externen Defibrillator“ ein. Und das Gerät macht das, wofür es gebaut worden ist: Es entdeckt ein Kammerflimmern, gibt einen Stromstoß ab und holt Eriksen ins Leben zurück. Mittlerweile hat der dänische Fußballverband bestätigt, dass Eriksen durch Herzrhythmusstörungen eine Herzattacke erlitten habe, wie Dänemarks Mannschaftsarzt Morten Boesen zitiert wird. Den Vorgang erklärt Klaus-Peter Mellwig wie folgt: &bdquo;Das Herz schlägt dann nicht mehr im Takt. Es flimmert, und das Gehirn wird nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt.“ Hält das Kammerflimmern länger an, findet keine ausreichende Blutversorgung der Organe vor allem des Gehirns statt, was letztendlich zum Tod führt. &bdquo;In einer solchen Situation zählt jeder Sekunde“, sagt Klaus-Peter Mellwig. Mit jeder Minute, die ungenutzt verstreicht, sinkt die Überlebenschance um rund zehn Prozent. Eriksen hatte Glück, dass er sich in einem professionellen Umfeld befand. &bdquo;Die Strukturen und Vorgaben für solche Notfälle sind in diesem Fall sehr gut umgesetzt worden“, lobt Mellwig. "Leider ist es so, dass meistens erst etwas Dramatisches passieren muss" Ein solches professionelles Umfeld haben Amateursportler in der Regel nicht zur Verfügung. Und gerade jetzt, wo sich nach einer langen Auszeit die Menschen aufmachen, wieder Sport zu treiben, dürften sich auch die Fälle eines plötzlichen Herztodes häufen, auch wenn Sportler ein deutlich geringeres Risiko haben als Nicht-Sportler. &bdquo;Zwei- bis dreimal im Jahr kommt es in OWL zu Herzversagen im Sport“, sagt Mellwig. In den vergangenen Jahren habe das Thema aber an Aufmerksamkeit zugenommen, und immer mehr Vereine haben sich inzwischen einen Defibrillator besorgt. &bdquo;Man muss den plötzlichen Herztod immer wieder thematisieren. Leider ist es so, dass meistens erst etwas Dramatisches passieren muss, um die Leute dafür zu sensibilisieren“, so der 69-jährige Sportmediziner. Verantwortliche in Sportvereinen sind gefordert Doch allein das Vorhandensein von Technik reiche nicht aus. In einer Stresssituation, wie dem plötzlichen Zusammenbruch eines Sportlers, müsse jeder Handgriff sitzen. Bei Eriksen war das der Fall. Ob auch bei einem Fußballspiel auf Kreisebene alle Beteiligten sofort das Richtige machen, ist zumindest offen. Wo befindet sich der Defibrillator? Ist er gewartet und stets einsatzbereit? Ist immer jemand am Platz, der die Technik auch unter Stress beherrscht? Auch wenn die Handhabung kinderleicht sei, eine Einweisung sei sicherlich das Mittel der Wahl. &bdquo;Dafür müssen die Verantwortlichen in den Sportvereinen sorgen. Das muss einer in die Hand nehmen“, mahnt Mellwig. Der Sportkardiologe spricht auch von einem &bdquo;Medical-Action-Plan“, der im Notfall sofort umgesetzt werden müsse: Prüfen der Vital-Zeichen beim betroffenen Sportler, Alarmierung des Rettungsdienstes über die Notrufnummer 112, Erstversorgung, Reanimation mithilfe einer Herzdruckmassage und Einsatz des Defibrillators. &bdquo;Wenn man einfach wartet, bis der Notarzt eintrifft, ist es oft zu spät“, mahnt Mellwig zum schnellen und korrekten Handeln. Im Vorfeld mache es durchaus Sinn, sich mit dem Rettungsdienst bezüglich der problemlosen Zufahrt zur Sportstätte zu treffen. Corona: Genesene sollten ihr Herz untersuchen lassen Das zweite Standbein, um dem plötzlichen Herztod zu begegnen, ist die Prävention. Bei den Vorsorgeuntersuchungen, den sogenannten &bdquo;Screenings“, wird das Herz regelmäßig überprüft. Christian Eriksen spielt bei Inter Mailand. Das Untersuchungsprinzip in Italien gilt als &bdquo;vorbildlich“, wie Tim Meyer, Team-Arzt der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft, gegenüber der Zeitschrift Stern, lobt. An diesem, ab dem Jahr 2005 in Italien von der Sektion Sportkardiologie des &bdquo;European Association of Preventive Cardiology (EAPC“) entwickelten Empfehlungen, hat Klaus-Peter Mellwig mitgearbeitet. Mittlerweile gehören die aus diesem Projekt hervorgegangenen kardiologischen Protokolluntersuchungen im Profisport zum Standard. In Italien seien sie sogar gesetzlich vorgeschrieben, wie Mellwig betont. Aber auch Deutschland sei &bdquo;sehr, sehr gut aufgestellt“, ergänzt DFB-Arzt Tim Meyer. Dennoch stellt sich die Frage, warum ein derart gut untersuchter Fußballer wie Christian Eriksen ein Herzversagen erleidet. &bdquo;Wir können mit protokollierten Voruntersuchungen nur das Risiko senken, dass Sportler einen plötzlichen Herztod erleiden. Ganz ausschließen lassen sich solche Ereignisse leider nicht“, erklärt Klaus-Peter Mellwig. Seite 14 Jahren Sport mit Herz Auch für Freizeit- und Amateursportler hat der Kardiologe ein Protokoll entwickelt. &bdquo;Sport mit Herz“ heißt die Initiative, die Mellwig seit 14 Jahren gemeinsam mit dem HDZ vorantreibt. &bdquo;Die Zielgruppe sind Amateur und Freizeitsportler ab einem Alter von 12 Jahren. Bisher haben wir 4.500 Sportler zwischen 12 und 78 Jahren untersucht. Dabei erhielten 16 Prozent den Rat zur weiteren medizinischen Kontrolle. Mehr als 30 Prozent der Untersuchten wiesen einen zu hohen Blutdruck auf“, sagt Mellwig. Momentan empfiehlt er insbesondere Menschen, die eine Covid-19-Erkrankung durchgemacht hätten, dringend eine Untersuchung, bevor sie den Sport wieder aufnehmen. Eriksen bekommt ICD-Defibrillator implaniert Wie geht es nun mit Christian Eriksen weiter? &bdquo;Jetzt stehen erst einmal umfassende Untersuchungen an, um herauszufinden, was genau zu diesem Ereignis geführt hat“, sagt Klaus-Peter Mellwig. &bdquo;Entscheidend ist, dass Christian Eriksen dieses Ereignis dem Anschein nach ohne große Folgeschäden überstanden hat.“ Dem Profifußballer soll ein sogenannter ICD-Defibrillator eingesetzt werden. Das ist eine Art Herzschrittmacher und wird bei Menschen implantiert, die ein erhöhtes Risiko für Herzrhythmusstörungen haben. Christian Eriksen soll einer Pressemitteilung zufolge dem Eingriff zugestimmt haben. &bdquo;Diese Maßnahme sehen die Empfehlungen so vor“, sagt Sportmediziner Klaus-Peter Mellwig. Damit könnte der 29-jährige Däne grundsätzlich seine Profikarriere weiterführen. Der niederländische Nationalspieler Daley Blind oder die deutsche Stabhochspringerin Katharina Bauer betreiben damit auch weiterhin Leistungssport. Klaus-Peter Mellwig hofft nun, dass sowohl Funktionäre, Trainer und Betreuer sowie die Freizeit- und Amateursportler selbst das Thema &bdquo;Plötzlicher Herztod“ und dem Umgang mit solchen Notfällen ernst nehmen und sich ausgiebig damit beschäftigen. Vielleicht postet dann auch irgendwann mal ein Kreisliga-Fußballer nach einem Herzanfall aus dem Krankenhaus &bdquo;Mir geht es gut.“

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