Busfahrer muss wegen Vollbremsung vor Gericht

Bad Oeynhausen. Das Fahren mit dem Schulbus im Hochsommer zu Stoßzeiten ist nichts für schwache Nerven. Die Lümmel von der letzten Bank mutieren in der sauerstoffarmen Atmosphäre dieser rollenden Sardinenbüchse zu böswilligen Trollen, die mit pubertären Machtspielchen versuchen, den Fahrer aus der Fassung zu bringen. Einigen Schülern des Schulzentrums Nord ist das womöglich gelungen. So sieht es zumindest die Staatsanwaltschaft Bielefeld. Laut Anklage machte ein 69-jähriger Busfahrer aus Hüllhorst eine Vollbremsung, um die Schüler zu maßregeln. Wer keinen Halt hatte, stürzte. Eine Schülerin prallte gegen eine Stange und prellte sich die Schulter. Sie stieg wie viele andere Schüler sofort aus und informierte ihre Eltern, die wiederum die Polizei riefen. Die Staatsanwaltschaft sieht in diesem Bremsmanöver einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und eine fahrlässige Körperverletzung. Der Busfahrer ist der Typ "gemütlicher Großvater" Doch so einfach, wie sich das anhört, ist die Sache nicht. Der Busfahrer bestreitet weder die Vollbremsung noch die Verletzungen, die er jedoch nicht bemerkt haben will. Die Vorwürfe machen ihm, sichtbar zu schaffen. Eigentlich bildet er junge Fahrer im Umgang mit Problem-Fahrgästen aus. In den Schilderungen der Staatsanwältin erkennt er sich nicht wieder. Die Sache sei ganz anders abgelaufen. Vorm Amtsgericht Bad Oeynhausen schilderte der 69-jährige Mann, Typ: gemütlicher Großvater, eine regelrechte Horrorfahrt – für den Busfahrer. An diesem Freitag, 30. August 2019, sei er eigentlich nur als Unterstützer des Fahrers eingeteilt gewesen. Ein junger Kollege sollte am zweiten Schultag nach den Sommerferien fahren, ein Berufssoldat mit Auslandseinsatzerfahrung. Doch der Kollege sagte kurzfristig ab. &bdquo;Dem war das zu stressig“, sagte der Angeklagte. Also musste der erfahrene Fahrer ran. Die Schulbus-Strecke ist unter Busfahrern verschrien Die Strecke vom Schulzentrum Nord in die Innenstadt auf der Linie 461 ist unter Busfahrern verschrien. &bdquo;Da ist immer Randale“, sagte der Angeklagte. Es gebe &bdquo;ein großes Gewaltpotenzial“. Schüler drängelten beim Einsteigen, quetschten kleinere Kinder und müllten ihre Sitzplätze zu. Mehrfach habe er die Lehrer aufgefordert, eine Aufsicht zu stellen. Er habe sogar schon mitbekommen, dass ältere Schüler auf den hinteren Plätzen mit Drogen handelten. Einmal hätten sie den Nothammer abmontiert und ihm mit diesen Worten zum Kauf angeboten: &bdquo;Ey, willste haben? Kostet fünf Euro!“ Die 15-jährige Schülerin und ihre vier Jahre ältere Cousine, die ebenfalls im Bus saß, erzählten dem Gericht von einer &bdquo;ganz normalen“ Schulbusfahrt. Es sei &bdquo;ziemlich laut“, die Stimmung aber nicht sonderlich gereizt gewesen. Der Fahrer sei &bdquo;zu Recht“ laut geworden, &bdquo;aber nicht angsteinflößend“. Die Schüler machten Stimmung gegen den Fahrer An diesem Tag herrschte am Schulzentrum bereits großes Gedränge, erinnert sich der Angeklagte. 150 Schüler stiegen in den 18 Meter langen Gelenkbus. Wegen verschärfter Fahrkartenkontrolle mussten alle vorne am Fahrer vorbei. Die Schüler revanchierten sich damit, indem sie ständig irgendwelche Knöpfe drückten, damit der Fahrer anhielt. Sie machten Stimmung gegen den Mann am Steuer und beleidigten ihn aus dem Schutz der Masse heraus. Die beiden Zeuginnen widersprachen dieser Darstellung nicht, haben aber keine Beleidigungen wahrgenommen. Beim Halt drückten die Schüler offenbar auch ständig den Kinderwagenknopf, das erzählten auch die beiden Zeuginnen. Dieser Knopf hält die Türen offen, der Bus kann nicht weiterfahren. Mehrfach musste der Fahrer aussteigen, nach hinten gehen und die Schüler ermahnen, den Knopf loszulassen. Die Fahrt dauerte doppelt so lange wie gewöhnlich. &bdquo;Manchmal steckt auch Kaugummi drin oder Streichhölzer“, erzählt der Fahrer. Später konnte er erkennen, dass der Knopf mit Gewalt zerstört worden war: Die Druckfläche baumelte an der Stange. Rätselhafter Knall und ein greller Warnton Als der Busfahrer an der Haltestelle Schäferweg um 13.45 Uhr wieder anfahren wollte, hörte er einen lauten Knall und vorn am Steuer sei ein greller Warnton losgegangen. Die beiden Zeuginnen hörten weder einen Knall noch einen Warnton. Instinktiv trat der Fahrer auf die Bremse. &bdquo;Bei anderen Bussen macht das der Bremsassistent automatisch“, erklärte er. Der Grund für das Warnsignal: Offenbar hatte jemand beim Anfahren von außen versucht, am Nothahn die Türen zu öffnen. Das Gericht glaubte dieser Darstellung. Der Richter wies den Fahrer aber darauf hin, dass &bdquo;kein Anlass für eine Vollbremsung“ bestanden habe. Eine fahrlässige Körperverletzung stehe noch im Raum. Doch die Verteidigerin widersprach. Rückblickend sei das leicht gesagt, in der Situation hätten die Geräusche am Steuer jedoch eine Vollbremsung gerechtfertigt: &bdquo;Ein Bus ist kein Pkw.“ Nach kurzer Beratung stellte das Gericht im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Zahlung von 800 Euro ein. Der Fahrer ist derzeit wegen der Coronakrise nicht im Einsatz.

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