Landgericht: Physiotherapeut soll acht Mädchen in seiner Praxis missbraucht haben

Bad Oeynhausen. Acht Mädchen im Alter von sechs bis zwölf Jahren sind laut Anklage der Staatsanwaltschaft Bielefeld von ihrem Physiotherapeuten in dessen Praxis sexuell missbraucht worden. Offenbar lief der Missbrauch in den Praxisräumen in Bad Oeynhausen auch dann noch weiter, nachdem die Ermittler der Polizei mehrmals vergeblich an der privaten Haustür des Beschuldigten geklingelt hatten. Nach Informationen der NW wurde der Missbrauch bereits im November 2017 der Polizei bekannt. Der Therapeut wurde jedoch erst im März 2019 vorläufig festgenommen und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. Seine 62-jährige Ehefrau soll während der Therapiestunden dabei gewesen sein und den Kindern erklärt haben, dass die Handlungen ihres Mannes angeblich zur Behandlung dazu gehörten. Sie ist wegen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch angeklagt. Zum Schutz der Kinder wird womöglich die Öffentlichkeit teilweise ausgeschlossen Nach Angaben des Landgerichts Bielefeld wirft die Staatsanwaltschaft dem Mann Missbrauch über einen Zeitraum von fast neun Jahren vor. Von Januar 2010 bis Dezember 2018 soll er acht Mädchen in seiner Praxis missbraucht haben. Das Landgericht hat außerdem die Verhandlungstermine bekannt gegeben. Demnach wird vor der dritten Strafkammer des Gerichts am Donnerstag, 12. September, um 11 Uhr die Anklage verlesen. 15 Verhandlungstage sind bis Anfang Dezember angesetzt. Es ist davon auszugehen, dass ein Großteil des Prozesses zum Schutz der Kinder unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden wird. Die Anklage wirft dem Physiotherapeuten teilweise schweren sexuellen Missbrauchs in 40 Fällen vor. Außerdem soll er bei drei weiteren Gelegenheiten die Mädchen schmerzhaft angefasst haben. Der Mann ist deshalb auch wegen Körperverletzung angeklagt. Darüber hinaus haben Ermittler bei einer Hausdurchsuchung mehrere tausend Bild- und Videodateien mit kinder- und jugendpornographischem Inhalt gefunden. Der Besitz ist ebenfalls strafbar. Die Eltern mussten draußen bleiben Der Fall hatte bundesweit Aufmerksamkeit erregt, weil nach dem Missbrauchskandal in Lügde erneut die Polizeiarbeit im Fokus der Kritik stand. Der erste Hinweis auf den Kindesmissbrauch in der Praxis des Therapeuten soll die Polizei nach Informationen der NW bereits im November 2017 erreicht haben. Die Eltern mussten bei den Therapiestunden draußen bleiben. Die Durchsuchung des Wohnhauses und der Praxis in der Innenstadt von Bad Oeynhausen fanden jedoch erst im März 2019 statt. Zwischen erstem Hinweis und Durchsuchung lagen 16 Monate, in denen der 61-Jährige offenbar weiter Kinder missbrauchte. Drei Mal standen die Ermittler der Mindener Kriminalpolizei mit gültigen Durchsuchungsbeschlüssen vor der Haustür des Physiotherapeuten und rückten wieder ab, weil ihnen niemand öffnete. Ein Sprecher des Landesinnenministeriums nahm die Polizisten später in Schutz: Es handele sich nicht um schlampige Arbeit. Die Ermittler hätten den Verdächtigen damals persönlich antreffen und so verhindern wollen, dass er heimlich Beweise vernichtet. Erfahrungen zeigten, dass mutmaßliche Täter Kinderpornografie auf Datenträgern ständig bei sich führen. Warum die Ermittler nicht in der Praxis vorstellig wurden, blieb offen. NRW stellte nach Lügde und Bad Oeynhausen die Ermittlungsarbeit neu auf Landesinnenminister Herbert Reul stellte nach den Missbrauchsfällen in Lügde und Bad Oeynhausen die Ermittlungsarbeit der Polizei neu auf. Die Ermittlungen aus dem Bereich Kinderpornografie werden nun von spezialisierten Dienststellen bearbeitet. Allein im Bereich der Kreispolizeibehörde Minden war die Zahl der Straftaten aus dem Bereich Kinderpornografie rasant gestiegen. 2017 waren es 19 Fälle, 2018 bereits 33. Der Physiotherapeut befindet sich seit seiner Verhaftung im März im Gefängnis. Nach höchstrichterlichen Urteil muss Untersuchungshäftlingen innerhalb von sechs Monaten Haft der Prozess gemacht werden. Die Sechs-Monatsfrist läuft Ende September aus. Es war also Eile geboten.

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