Kreis Lippe. Drei, zwei, eins ... ein lauter Knall und das rund sechs Meter hohe und 1.400 Tonnen schwere Fundament aus Stahlbeton liegt in Trümmern. 450 Kilogramm Sprengstoff haben den Sockel des einstigen Windrads dem Erdboden gleichgemacht. Das war die zweite von insgesamt vier geplanten Sprengungen im Windpark Lügde.
Die Lippische Landeszeitung (LZ) hat Sprengmeister Josef Zach bei seiner Arbeit über die Schulter geschaut – natürlich mit Sicherheitsabstand.
Was für das Auge wie eine große Explosion wirkt, sind in Wahrheit 360 kleine Sprengladungen, die nicht zur gleichen Zeit, sondern mit Millisekunden Verzögerung detonieren. „Wegen der Erschütterung, sonst würden die Bäume wackeln“, erklärt Zach, der hier als Subunternehmer für die Firma Reisch Sprengtechnik aus Bayern tätig ist. So aber sei die Erschütterungswelle nur bis zu 100 Meter spürbar.
Vier alte Windräder müssen für 13 neue weichen
Die LZ hatte bereits angekündigt, dass es vier Sprengungen im Bereich Dörenberg geben wird. Der Grund dafür ist, dass die Firma West Wind Energy die vier 23 Jahre alten Windräder zurückbaut. Rotoren, Naben, Maschinenhäuser und Türme seien bereits maschinell abgebaut worden, wie Prokurist Lars Langeleh berichtet. Diesen Fundamenten hingegen könne man nur mit einer Sprengung zu Leibe rücken. Die alten Anlagen machen Platz für insgesamt 13 neue Windkraftanlagen, die laut Langeleh 150 bis 160 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr produzieren werden.
Ein Knopfdruck, und das runde Fundament zerfällt in Nullkommanichts in einen Haufen von Betontrümmern. Was hier im Beisein von Vertretern der Bezirksregierung Detmold und des Ordnungsamtes Lügde in wenigen Sekunden passiert, bedarf für den Sprengmeister jedoch einer langen und aufwendigen Vorbereitung.
360 Löcher gebohrt und mit Sprengstoff beladen
Zunächst berechnet Josef Zach, wie viel Sprengstoff er für das Objekt benötigt. Doch macht der 60-Jährige das nicht allein von der Berechnung abhängig. Hinzu kommt eine große Portion Erfahrung – der Bayer mit dem Rauschebart ist fast 40 Jahre im Geschäft. So schaue er sich etwa an, wie hart der Beton ist. Ein Gefühl dafür bekomme er schon beim Bohren der Löcher, in denen später der Sprengstoff platziert wird.
„Die letzten 20 bis 30 Prozent, wie das Ergebnis wird, beruhen auf reiner Erfahrung“, erklärt Zach. Die Betonreste sollten nach der Sprengung schließlich so klein sein, dass sie mit dem Bagger aufgeladen werden können. „Da will doch keiner erst noch mit dem Meißel ran“, sagt der Sprengmeister mit dem sympathisch klingenden bayrischen Dialekt. Zu viel Sprengstoff dürfe man wiederum auch nicht nehmen, sonst könne es zu Schäden kommen.
Drei Tage hat es gedauert, bis Josef Zach die für dieses Fundament erforderlichen 360 Löcher in den Beton gebohrt hat. Diese mit fast einer halben Tonne Sprengstoff zu beladen hat einen weiteren Tag in Anspruch genommen. Legt sich der Sprengmeister am Abend schlafen, wird der Betonklotz im Windpark Lügde von einem Sicherheitsdienst bewacht. „Der Sprengstoff darf nicht unbeobachtet sein.“ Damit er nicht gestohlen und in falsche Hände gerate, erklärt Zach, der am nächsten Tag das Ganze mit Zündschläuchen verkabelt hat. Den Vormittag am Tag der Sprengung hat der 60-Jährige damit verbracht, das Fundament mit weiteren Helfern und einem Kran in Sprengschutzmatten zu hüllen.
40 Gummimatten aus alten Lkw-Reifen minimieren den Trümmerflug
„Das sind 40 Gummimatten, da wiegt eine fast anderthalb Tonnen. Die werden aus alten Lkw-Reifen hergestellt“, erklärt er. Die seien dafür da, um den Trümmerflug zu minimieren. So bleibe das Material im Umkreis von etwa zehn Metern liegen. Trotzdem wird die Umgebung während der Sprengung im Umkreis von 250 bis 300 Meter gesperrt. „Es kann ja immer mal etwas schief gehen“, sagt Zach. Sicherheit sei das höchste Gebot, betont er.
Damit sich zum Zeitpunkt der Sprengung auch wirklich niemand im Gefahrenbereich aufhält, sind sogenannte Absperrposten im Einsatz. Diese Helfer, in Lügde sind es vier, schauen sich um, ob sich keine Menschen mehr dort befinden und sorgen dann dafür, dass auch keiner mehr durchkommt. Per Funk geben sie dem Sprengmeister Meldung, ob die Bereiche sicher sind.
Die genauen Termine der Sprengungen werden öffentlich nicht bekannt gegeben. Sonst würden zu viele Schaulustige den Bereich aufsuchen, wie der Sprengmeister weiß. Anders als früher würden die Leute heute mehr Risiken eingehen, um solch ein Ereignis zu Gesicht zu bekommen, so kommt es Josef Zach zumindest vor. Manchmal müsse bei einer Sprengung auch die Polizei hinzugezogen werden, etwa dann, wenn eine Straße gesperrt werden muss oder viele „Zuschauer“ zu erwarten sind.
Tiere werden durch eine Vergrämungssprengung verscheucht
Kurz vor der Sprengung ertönt ein langes Hornsignal. Es bedeutet, dass nun alle den Gefahrenbereich räumen müssen. Etwas später folgen zwei kurze Töne: In wenigen Sekunden wird gezündet und gesprengt. Dann kommt der Knall der Explosion. Den hört man laut Zach etwa einen Kilometer weit. „Aber schon in 500 Metern Entfernung kann man nicht mehr zuordnen, woher das Geräusch kommt.“ In Lügde, wo die Sprengpunkte relativ weit von der Wohnbebauung entfernt sind, falle also niemand vor Schreck vom Stuhl.

Und was ist mit den Tieren? Bei Sprengungsorten, die sehr nah an einem Fischweiher liegen, könnten Fische durch die Vibration sterben, erklärt Zach. Großwild würde schon aufgrund der lauten Vorarbeiten mit dem Kran und anderen Maschinen dem Gefahrenbereich fernbleiben, führt der Sprengmeister weiter aus. Durch den Knall würden sie vielleicht erschrecken, aber nicht mehr als bei einem Gewitter auch. Mancherorts, wo sich etwa viele Vögel oder Hasen aufhalten, würden vor der eigentlichen Sprengung auch sogenannte Vergrämungssprengungen durchgeführt. Dann knallt es, aber es explodiert nichts. „Der Knall soll dafür sorgen, dass die Tiere die Flucht ergreifen.“ Übrigens ist der Sprengstoff, der ein bisschen wie graue Knete aussieht und in rot-weißer Folie in Stangen abgepackt ist, laut Zach für die Umwelt ungefährlich.
„Sprengstoff ist heute sehr sicher“
Aber die Arbeit mit dem Sprengstoff ist doch sicher gefährlich, oder? „Der Sprengstoff selber eigentlich nicht“, sagt Josef Zach. Der sei heutzutage so handhabungssicher, dass man ihn ohne Zünder fast gar nicht mehr zur Detonation bringen könne. Verletzt habe er sich trotzdem hin und wieder mal. Das habe dann aber mit dem Arbeitsumfeld zu tun. „Ich fliege bestimmt alle drei Wochen auf die Nase“, erzählt er. Zum Beispiel dann, wenn er auf den Geröllhaufen herumlaufe. Die muss der Sprengmeister nach der Detonation nämlich erst einmal unter die Lupe nehmen, denn er muss unter anderem kontrollieren, ob auch alle Sprengsätze gezündet haben. Erst dann ertönt das dritte Signal – drei kurze Laute. Damit ist die Sprengung beendet und alle Personen dürfen ihre Deckung verlassen.
Josef Zach ist mit großer Leidenschaft Sprengmeister oder besser gesagt Sprengberechtigter, wie es offiziell heißt. Meister im Sinne von Handwerksmeister sei man nicht, erklärt der gelernte Maurer. Man müsse 50 Sprengungen begleitet haben, um den erforderlichen Lehrgang für die Sprengberechtigung zu besuchen. Auch wenn man dann schon sprengen darf, sollte man noch drei bis fünf Jahre mit jemanden mitlaufen, um Erfahrungen zu sammeln, meint Zach, der sich mit seiner Süd-Ost-Spreng UG auf die Sprengung von Felsen, Graben und Fundamenten spezialisiert hat.
Auf Reisen schlägt der Sprengstoffdetektor Alarm
Nachwuchs finde man heutzutage kaum noch. „Die jungen Leute kommen gar nicht mehr auf die Idee, Sprengmeister zu werden“, sagt Zach, der die Gründe dafür unter anderem darin sieht, dass man in dem Job oft längere Zeit von zu Hause weg ist, man viel Fahrerei in Kauf nehmen muss und man sich oft dreckig macht.
Der 60-Jährige könne sich hingegen nichts Schöneres vorstellen. Auch nach fast 40 Jahren verspüre er noch einen Nervenkitzel, wenn er den Sprengsatz zündet. „Ich habe mich schon als Kind mehr auf Silvester als auf Weihnachten gefreut“, erzählt er und lacht. Schwierigkeiten bekomme er nur immer dann, wenn er mal mit dem Flugzeug verreisen will: „Bei mir schlägt jeder Sprengstoffdetektor und jeder Sprengstoffhund Alarm.“ Deswegen habe er seinen Berechtigungsschein immer in der Tasche parat.