Stadtgeschichte

Als Gerhard Schröder den Aufstieg des TSV Oerlinghausen verhinderte

Fußball in der Nachkriegszeit – das waren leidenschaftliche Spiele auf harten Aschenplätzen. Vor 60 Jahren beim Auswärtsspiel in Talle verlor Oerlinghausen wegen des späteren Bundeskanzlers.

Die Anfänge des Fußballplatzes am Kalkofen lagen in den 1930er Jahren. | © Repro: Horst Biere / Quelle: TSV

Horst Biere
07.05.2025 | 07.05.2025, 18:38

Oerlinghausen. Das waren noch Fußballzeiten, damals in den 1950er und 1960er Jahren. Harte Aschenplätze, Schlammschlachten bei schlechtem Wetter, aber ein großes Gemeinschaftsgefühl der Spieler. Und vor allem viele enthusiastische Zuschauer – obwohl der TSV Oerlinghausen zumeist in den unteren Klassen spielte.

„Da strömten zu Spitzenspielen schon mal bis zu 2.500 Zuschauer zum Sportplatz am Kalkofen“, erinnert sich Roland Posteher an die Nachkriegsfußballjahre. „Die Männer kamen im Sonntagsanzug auf den Sportplatz, und da waren auch viele Frauen mit dabei. Die Spielerfrauen sowieso.“ Als Neunjähriger begann Roland Posteher selbst seine Fußballlaufbahn beim TSV Oerlinghausen im Jahre 1947. Das Schülerturnen diente praktisch als Fußballtraining. „Wer da nicht hinging, der durfte auch bei Jugend-Fußballspielen nicht dabei sein“, sagt er. Fast zehn Jahre später aber war er in der ersten Mannschaft angelangt.

Zusammenhalt und die Kameradschaft damals ganz anders

Was erwartete einen jungen Fußballer damals? „Die älteren Spieler nahmen die jungen Spieler mit unter ihre Fittiche, und auch die Frauen der älteren Spieler harmonierten mit unseren Frauen gut“, erläutert Roland Posteher. „Viele waren ja eine ganze Ecke älter als wir. . . Jahrgang 1920, 1921, 1922 ... Die die waren ja auch alle noch im Krieg gewesen. Der Zusammenhalt und die Kameradschaft in der Mannschaft war damals ganz anders als heute.“An sein erstes Spiel in der ersten Mannschaft erinnert sich Roland Posteher noch genau: „Das war in der Saison 1956/1957 in der Landesliga zu Hause gegen Teutonia Lippstadt.“

Das Endergebnis lautete 2:0 für den TSV durch Tore von Reinhold Jegodka und Armin Abel. Er sagt: „Da habe ich mich gleich am Meniskus verletzt, als Torwart Alfred Becker rausgelaufen kam und ich den Ball zurückspielte. Er hat sich bei mir vor die Beine geworfen und mein Knie wurde nach hinten durchgedrückt.“

Altbundeskanzler Gerhard Schröder wurde damals "Acker" genannt - © dpa
Altbundeskanzler Gerhard Schröder wurde damals "Acker" genannt | © dpa

Verletzungen und zähes Weiterspielen waren an der Tagesordnung, denn Auswechslungen gab es erst ab Ende der 60er Jahre. „Wenn jemand verletzt wurde, der wurde dann nach links- oder rechtsaußen gestellt und nahm quasi nur noch eine Statistenrolle ein über die restliche Spielzeit“, sagt Posteher. „Man konnte damals keinen neuen Spieler einwechseln. Aber häufig kamen die verletzten Spieler, wenn es nicht ganz so schlimm war, auch nach einigen Minuten wieder aufs Feld. Ich musste sogar selbst mal vorübergehend ins Tor. Beim Landesligaspiel gegen den VfL Viktoria Mennighüffen am 15. November 1959, (Endstand: 0:0), als sich unser Torwart Alfred Becker verletzte, aber später wieder zurückkehrte.“

Fußball hält jung. Der 86-jährige Roland Posteher interessiert sich immer noch für Sport. Das Foto zeigt ihn als Zuschauer beim diesjährigen Hermannslauf. - © Horst Biere
Fußball hält jung. Der 86-jährige Roland Posteher interessiert sich immer noch für Sport. Das Foto zeigt ihn als Zuschauer beim diesjährigen Hermannslauf. | © Horst Biere

Anpfiff erfolgte mit Verzögerung, weil ein Spieler noch fehlte

Eines der denkwürdigsten Oerlinghauser Fußballspiele fand vor etwa 60 Jahren statt. Roland Posteher weiß sogar noch das Datum: „Es war am 25. September 1965, als wir ein Auswärtsspiel in der Kreisklasse in Talle hatten. Wir wurden beim Gastgeber gefragt, ob wir noch ein bisschen warten könnten, weil in deren Mannschaft noch ein Spieler fehlte. Da haben wir dann eine Dreiviertelstunde gewartet, bis der Spieler kam.“ Bei diesem Spieler handelte es sich um den späteren Bundeskanzler Gerhard Schröder. Ausgerechnet Schröder, der von allen nur „Acker“ genannt wurde, schoss dann zwei Tore zum 4:3-Sieg des TuS Talle.

Pokalturnier in Helpup im Sommer 1961: Erwin Nowak, Betreuer, (hintere Reihe v. l.) Reinhold Jegodka, Roland Posteher, Willi Thomas, Helmut Schulz, Dieter Buhl, Rolf Holzkamp, Horst Seack, Ernst Hasselberg, Willi Büker (halb im Bild). Vorne knien Kurt Kassen (v. l.) , Alfred Becker und Wolfgang Bollhöfner. - © Repro: Horst Biere / Quelle: TSV
Pokalturnier in Helpup im Sommer 1961: Erwin Nowak, Betreuer, (hintere Reihe v. l.) Reinhold Jegodka, Roland Posteher, Willi Thomas, Helmut Schulz, Dieter Buhl, Rolf Holzkamp, Horst Seack, Ernst Hasselberg, Willi Büker (halb im Bild). Vorne knien Kurt Kassen (v. l.) , Alfred Becker und Wolfgang Bollhöfner. | © Repro: Horst Biere / Quelle: TSV

Roland Posteher: „Da haben wir uns dann nachher geärgert, dass wir der Warterei zugestimmt hatten. Denn Talle stieg am Ende der Saison in die Bezirksklasse auf, und wir verpassten auch wegen dieser Niederlage den Aufstieg.“ Die Nachkriegsjahre galten als eine regelrechte Boomphase des Vereinssports in der Bergstadt. Im September 1963 wurde die neu gebaute Sportanlage am Freibad feierlich eröffnet – im 100. Jahr nach der Gründung des Oerlinghauser Sportvereins.

Seither liefen die Open-Air-Sportarten wie Fußball aber auch Leichtathletik nicht mehr auf dem alten Bolzplatz am Stadion, der seit Mitte der 1930er Jahre existierte, sondern sogar unter Flutlicht auf frischen Aschebahnen und rotem Granulat.

Schlammschlacht 1952: Torwart Alfred Becker, hier mit seiner Frau Eva, ist verletzt, will aber zurück auf den Platz. - © Repro: Horst Biere / Quelle: TSV
Schlammschlacht 1952: Torwart Alfred Becker, hier mit seiner Frau Eva, ist verletzt, will aber zurück auf den Platz. | © Repro: Horst Biere / Quelle: TSV

Eine entscheidende Renovierung fand Anfang 1990 statt, der Umbau des Ascheplatzes zu einem Kunstrasenplatz. Und weitere 24 Jahre später war auch der Kunstrasen verschlissen. Man beseitigte die kümmerlichen Reste des Belages und legte 2014 einen neuen künstlichen Rasen in frischem Grün aus.