Erzählcafé Soziales Netzwerk

Anekdoten des Alt-Bürgermeisters Gerhard Schemmel

21 Jahre lang hat er die Gemeinde als erster hauptamtlicher Bürgermeister geführt. Im Erzählcafé des Sozialen Netzwerks lässt er die Zuhörer an seinem persönlichen Rückblick teilhaben.

Alt-Bürgermeister Gerhard Schemmel gab im Erzählcafé Geschichten aus seiner 21-jährigen Amtszeit als hauptamtlicher Bürgermeister zum Besten. | © Birgit Guhlke

Birgit Guhlke
09.11.2023 | 09.11.2023, 15:45

Leopoldshöhe. Der Kampf um das sogenannte „rote Rathaus“ ist vielen an diesem Nachmittag noch geläufig – einem aber besonders. Alt-Bürgermeister Gerhard Schemmel zieht aus einer Mappe einen Artikel aus der Neuen Westfälischen hervor, in dem es im Vorfeld der Kommunalwahl 1999 um eine Umfrage ging, die das Meinungsforschungsinstitut Emnid seinerzeit für die NW erstellt hatte. Laut dieser Umfrage sollte das bis dato traditionell SPD-geführte Leopoldshöhe fallen, der CDU-Kandidat für den hauptamtlichen Bürgermeisterposten hätte am SPD-Kandidaten Schemmel vorbeiziehen können. Hätte.

Weil Schemmel als „Alt-Bürgermeister“ von Erzählcafé-Moderator Detlev Gadow im vollen Saal des Leos angekündigt wird, ist klar, dass aus dem hätte fallen können dann doch nichts geworden ist. Schemmel ist an diesem Tag nun mal Referent, um aus 21 Jahren Tätigkeit als hauptamtlicher Bürgermeister der Gemeinde zu erzählen. Aus der Zeit von 1999 bis 2020. Zuvor war er bereits mehrere Jahre lang ehrenamtlicher Bürgermeister.

Gerhard Schemmel versteht es, nicht zu viel zu verraten, aber doch so viel, dass jeder im vollen Saal des Leos mindestens ahnt, dass es doch noch mal spannend wird. Mit der Geschichte über den Wahlausgang und was danach noch so alles folgte.

Familienfreundliche Gemeinde

Seine Vision sei es nach dem Amtsantritt gewesen, mit der Gemeinde in Sachen Familienfreundlichkeit zu punkten und „weiche Standortfaktoren“ zu fördern. Ausreichend Kitas und diese auch wider den Trend überwiegend in Trägerschaft der Gemeinde, zwei Kinder- und Jugendzentren im Norden und Süden, die Schullandschaft gehörten dazu. Aber auch bezahlbares Bauland für junge Familien.

Das sollte mit der Gründung des Eigenbetriebs Leopoldshöher Immobilien- und Liegenschaftsverwaltung (LIL) erreicht werden, die Baugrundstücke vorrangig an Leopoldshöher vergeben soll. Die Auseinandersetzung mit den LIL-Gegnern im Rat brachte ihm seine „erste Strafanzeige“ ein. Wegen Verleumdung. Sein Rechtsanwalt beruhigte ihn – zu recht. Aus der Anzeige wurde nichts.

Der Bau der Umgehungsstraße in seiner Amtszeit sollte – endlich – die Verkehrsströme besser lenken, der Umbau des Marktplatzes für mehr Attraktivität sorgen. „Vorher war das ja eine Betonwüste“. Aber wie das so ist und wie es auch Schemmel in all den Jahren seiner kommunalpolitischen Tätigkeit seit 1984 erlebt hat, führten auch die Beiträge des dafür ausgerufenen Wettbewerbs zu regen Diskussionen. Um die Zahl der Düsen für die Wasserspiele wurde da gerungen. Genug, zu viel, zu wenig? Die Meinungen gingen auseinander.

Kinder stiefeln ins Rathaus

Letztlich sprudelt es in der warmen Jahreszeit nun aber doch regelmäßig auf dem Platz, Familien vor allem mit jungen Kindern nutzen den Ort als Freibadersatz. Und kurz nach der Eröffnung der Wasserspiele sei dann auch eine Gruppe Kinder ins Rathaus gestiefelt und fragte: „Wo sind denn die Umkleidekabinen?“

Beeindruckt hat Schemmel immer wieder das ehrenamtliche Engagement verschiedener Gruppen in der Gemeinde. Jugendliche, die dafür gesorgt haben, dass die BMX-Bahn am Schulzentrum beinahe komplett in Eigenleistung entstanden ist, nennt der ehemalige stellvertretende Jugendamtsleiter in Bad Salzuflen als ein Beispiel. „Es gibt viele Dinge, die im Gespräch mit Bürgern, auch mit jungen Leuten, entstanden sind.“

Gelächter und Nicken gab es als Reaktion auf seine Beschreibung der generationenübergreifend gepflegten Animositäten zwischen Nord und Süd. Asemisser und Leopoldshöher, das ging nicht so richtig zusammen. Und so gab es auch immer wieder Hinweise und Forderungen, der Süden, respektive der Norden müsse doch nun auch mal berücksichtigt werden bei politschen Entscheidungen. Aus Sicht Schemmels sei das im Großen und Ganzen gelungen. Bekam der Verein aus dem Norden was für den Sportplatz, kam dann auch der im Süden dran – und umgekehrt.

Verwaltung vor Ort im Evenhauser Krug

Auseinandersetzungen, kritische Fragen, Widerstand und Widerspruch – auch diesen Dingen musste sich Gerhard Schemmel immer wieder stellen. Eine Angelegenheit endete vor dem Verwaltungsgericht – mit einer Entscheidung für die Seite der Verwaltung, allerdings auch erst in zweiter Instanz. 60 wortgewaltigen Bürgern habe er zusammen mit drei Kollegen aus dem Rathaus damals im Evenhauser Krug gegenübergesessen.

Es ging um die Neuordnung der Entwässerung, die in dem Gebiet nicht mehr dem aktuellen Stand entsprochen habe. Und das führte zu der Frage der Kanalanschlussgebühren und wer das denn bezahlen sollte. In dieser Sache habe er Fehler gemacht, sagt er heute. „Das wurde mir lange vorgehalten“.

Amüsant klingt im Nachhinein der ein oder andere Beschwerdebrief an den Herrn Bürgermeister. In einem schimpfte eine Leopoldshöherin beispielsweise über einen Rosenstrauchzweig am Bürgersteig an der Hauptstraße. Der sei „so lang gewachsen, dass man sich die Beine brechen kann“.

Schlussendlich 142 Stimmen mehr

Laut NW-Artikel zur Emnid-Umfrage, in der die Leopoldshöher die Bürgermeisterkandidaten einschätzen sollten, hatte der CDU-Kandidat 1999 die Nase vorn. Ebenso im ersten Wahlgang. Eine Stichwahl wurde nötig, weil auch der CDU-Kandidat nicht die nötigen mehr als 50 Prozent der Stimmen erhielt. Dennoch sei die CDU siegessicher gewesen, sagte Schemmel. Bei der Stichwahl aber bekam er 142 Stimmen mehr – und erreichte 51 Prozent. Die SPD-Bastion war nicht gefallen.