Oerlinghausen

Königin Elizabeth II. besucht Oerlinghausen

David Owen und David Clarke, beides ehemalige Angehörige der britischen Armee, erinnern sich an ihre Königin, die bei fünf Staatsbesuchen in Deutschland zweimal auch die Bergstadt besuchte.

Bürgermeister Erich Diekhof (l.) und Stadtdirektor Fritz Bollhorst – jeweils mit ihren Ehefrauen – baten Elizabeth II. um einen Eintrag ins Goldene Buch der Bergstadt. | © Britisches Corps

10.09.2022 | 10.09.2022, 07:11

Oerlinghausen. Überall auf der Welt trauern Menschen um Queen Elizabeth II. In Oerlinghausen sind es vielleicht ein paar mehr als anderswo in Deutschland, denn die Queen hatte ein besonderes Verhältnis zur Bergstadt. Fünfmal weilte sie zu Staatsbesuchen in Deutschland, zweimal besuchte sie Oerlinghausen, 1980 und 1985. 1980 übernachtete sie im Haus der britischen Generalität an der Hanegge.

Ein Brite, der der Liebe wegen in der Bergstadt geblieben ist, ist David Owen. In seiner Zeit als Mitglied der Royal Green Jackets, einem Infanterie Regiment, durfte er Queen Elizabeth auch persönlich kennenlernen. Im Gespräch mit der Neuen Westfälischen beschrieb er auch eine Begegnung mit Prince Philip im St.-James-Palace. Dort sprach der Prinzgemahl zunächst Owens Sohn an und fragte, was er machen würde, und wandte sich dann an den Vater, fragte nach seinem Regiment. „Ich bin bei den Royal Green Jackets“, antwortete Owen, woraufhin Prince Philip ausrief: „Oh, Lizzies Regiment.

Die Queen trägt sich 1985 ins Goldene Buch der Stadt ein. Mit dabei: Bürgermeister Horst Steinkühler, seine Ehefrau Waltraud, sowie der stellvertretende Stadtdirektor Egon Eikelmann (r.). - © Repro: Horst Biere
Die Queen trägt sich 1985 ins Goldene Buch der Stadt ein. Mit dabei: Bürgermeister Horst Steinkühler, seine Ehefrau Waltraud, sowie der stellvertretende Stadtdirektor Egon Eikelmann (r.). | © Repro: Horst Biere

Als David Owen vom Tod seiner Königin erfuhr, war er sehr traurig. „Sie war lange Zeit meine Regimentschefin und bei allen sehr beliebt. Sie war eine ganz besondere Frau“, sagt Owen. 2004 schrieb er seiner Königin, dass er jetzt auch König sei – Schützenkönig. Und die Queen ließ ihre erste Hofdame ein Glückwunschschreiben aufsetzen. Der Brief mit dem Absender Buckingham Palace war dann auch so ungewöhnlich, dass der Postbote ihn persönlich übergab.

Die Queen hat David und Anneliese Owen gratuliert, als das Paar im vergangenen Jahr die Diamantene Hochzeit feierte. Owen hatte mehrfach Kontakt zum Königshaus. - © Karin Prignitz
Die Queen hat David und Anneliese Owen gratuliert, als das Paar im vergangenen Jahr die Diamantene Hochzeit feierte. Owen hatte mehrfach Kontakt zum Königshaus. | © Karin Prignitz

»Sie ist England«

Auch David Clarke, der Leiter der Oerly Musikschule, ist Brite, genauer: Schotte. Und auch er ist betroffen und traurig über den Tod der Queen. Auch er war beim Militär, hat dort die Royal Military School of Music absolviert. Clarke war danach als Trompeter einer der „golden eight“, die mit Fanfarenmusik das Kommen der Queen ankündigten. „Sie ist England“, sagt der Schotte. „Sie ist unsere Stärke und unser Vorbild. Sie hat 70 Jahre lang ein beispielhaftes Pflichtbewusstsein gezeigt.“ Wie tief die Verbindung der Queen zu ihren Briten ist, wird in Clarkes letztem Satz deutlich: „Wenn britische Soldaten kämpfen, dann kämpfen wir für unsere Königin.“

David Clarke, hier mit seiner Gattin Barbara, gehörte während seiner aktiven Zeit beim britischen Militär zur den „golden eight“. Das waren Trompeter, die die Queen ankündigten. - © Karin Prignitz
David Clarke, hier mit seiner Gattin Barbara, gehörte während seiner aktiven Zeit beim britischen Militär zur den „golden eight“. Das waren Trompeter, die die Queen ankündigten. | © Karin Prignitz

Und weil Königin Elizabeth II. zweimal in Oerlinghausen war, wurden diese Geschichten auch von Horst Biere in seinen „Stadtgeschichten“ erzählt. Die erste erschien am 20. Juni 2015, die zweite am 12. September 2020.

Horst Biere schrieb: Am frühen Abend des 4. Dezember 1980, rauschte ein schwarzer Rolls Royce in die Hanegge, dort wo heute die Firma Oetker beginnt. Die Limousine fuhr auf den eingezäunten Hof eines großen Wohnhauses, und es entstieg eine zierliche Person im schwarzen Pelzmantel: Elizabeth II., Königin von England.

Nur wenige Oerlinghauser wussten davon, die Stadtoberen, die Polizei und ein Redakteur dieser Zeitung. Der Journalist Dieter Burkamp war stets gut vernetzt mit den Behörden, hatte von der Nachricht Wind bekommen und stand mit schussbereiter Kamera in der Dunkelheit an der Hanegge vor dem Spearhead House. Denn hinein durfte er nicht. Rund zwei Dutzend Bürger, die kurz zuvor vom royalen Besuch erfuhren, hatten sich an der Straße eingefunden und harrten im leichten Schneetreiben aus, um einen Blick auf die Monarchin zu erhaschen.

„Welch ein Tag für die Bergstadt“, formulierte Dieter Burkamp am nächsten Tag fröhlich, doch seine Berichte schrieb er vor allem nach Erzählungen von zwei Oerlinghauser Gästen. Der damalige Bürgermeister Erich Diekhof und Stadtdirektor Fritz Bollhorst zählten mit ihren Ehefrauen zu den auserwählten Besuchern beim Empfang der Queen im Spearhead House, dem Wohnsitz des britischen Brigadegenerals Bagwall.

Zum Empfang, den General Bagwall und sein Offizierskorps am Abend vorbereitet hatten, waren von deutscher Seite nur die Repräsentanten der gastgebenden Stadt Oerlinghausen eingeladen. Bürgermeister Erich Diekhof und Stadtdirektor Fritz Bollhorst nutzen die Gelegenheit und brachten unmittelbar das Goldene Buch der Stadt Oerlinghausen mit. Sie baten die Queen anlässlich des privaten Besuchs um einen Eintrag ins Buch.

Britischer Boden in Oerlinghausen

Elizabeth II. unterschrieb mit einem goldenen Füllfederhalter eine Widmung an die Bürger der Stadt: „Sie nahm sich die Freude, statt eines persönlichen Besuchs im Rathaus, die Bevölkerung von Oerlinghausen durch die Einladung an die Herren Bürgermeister Diekhof und Stadtdirektor Bollhorst mit ihren Ehefrauen in das Spearhead House zu grüßen.“

Und auch die wichtigste Frage des königlichen Empfangs klärte der Artikel am nächsten Tag auf, die Garderobe der Queen. „Nachdem sie ihren Pelz von der Fahrt angelegt hatte, trug sie eine schwarze Pelzkappe und ein schlichtes rotes Wollkleid“, schrieb Dieter Burkamp. Die Kunst des britischen Smalltalk beherrschten die Oerlinghauser Gäste perfekt. Bei einem Gin and Tonic unterhielt sich die Queen mit den Ehefrauen der Stadtoberen über Kindergärten und Kindererziehung. Und in lockerem Gespräch informierten Diekhof und Bollhorst den königlichen Gast über den europaweit berühmten Segelflugplatz.

Die Abfahrt der Queen nach Lemgo am nächsten Morgen gestaltete sich weitaus spektakulärer. Als der schwarze Rolls Royce, der eigens von England eingeflogen worden war, die Hanegge verließ, bildeten etwa 600 englische Schulkinder ein buntes, Fähnchen schwingendes Spalier. Sie waren mit Sonderbussen aus ganz Ostwestfalen gekommen und versuchten am Straßenrand einen Blick auf ihr berühmtes Staatsoberhaupt zu erhaschen. Auch viele Oerlinghauser standen – mit Kameras bestückt – an der Straße. Sie alle sahen Elizabeth II. nur schemenhaft hinter ihrem dunklen Panzerglas, wie sie ihnen huldvoll zuwinkte.

Die Briten haben das Alltagsleben in Oerlinghausen nach dem Krieg deutlich beeinflusst – wie in großen Teilen Nordwestdeutschlands. Anfangs, nach den Kämpfen um die Bergstadt regierten die Amerikaner als neue Besatzer und versuchten, die öffentliche Ordnung wiederherzustellen. Mit politisch unbelasteten Oerlinghausern wie dem Weberei-Fabrikanten Georg Müller stellten sie die nötigste Versorgung der Bevölkerung sicher. Aber dann, nach einigen Monaten, übernahmen die britischen Soldaten das Kommando in der Bergstadt.

Das Hauptquartier des britischen Korps lag an der Detmolder Straße in Bielefeld. Die Bergstadt allerdings avancierte zum Wohnsitz der britischen Generalität. Vier große Wohnhäuser und einen Hubschrauberlandeplatz erbaute die Rheinarmee auf der Hanegge auf einem Areal, das man vom Gut Menkhausen erwarb. Das sogenannte Spearhead House entstand – britisches Hoheitsgebiet auf Oerlinghauser Boden.

Dieser Besonderheit verdankt es Oerlinghausen, dass Königin Elizabeth II. zweimal zu Gast in Oerlinghausen war und hier auch übernachtete. Der zweite Besuch fand im Juli 1985 statt. Der damalige Bürgermeister Horst Steinkühler, seine Ehefrau Waltraud und Egon Eikelmann als stellvertretender Stadtdirektor zählten diesmal zu den Gästen des Generalsempfangs und baten die Königin um einen Eintrag ins Goldene Buch Oerlinghausens. Ortshistoriker Werner Höltke erinnert sich: „Als sie geleitet von einer Polizeieskorte in die Hanegge kam, war es für die etwa 20 Schaulustigen schnell vorbei. Sie konnten die Königin in ihrem bronzefarbenem Rolls Royce Silver Shadow nur schemenhaft erkennen.“

Dass die Beziehungen der englischen Militärs zu Oerlinghausen immer enger wurden, ist nicht zuletzt den Schützen zu verdanken. Immer wieder traten zu Schützenfesten die Militärkapellen der Briten auf – mal mit zackiger Marschmusik beim Umzug, mal beim Konzert am Sonntagmorgen im Weber-Park. Sogar die englische Generalität marschierte gelegentlich mit beim Festumzug durch die Stadt, vornweg mit Bürgermeister und Stadtdirektor. Und letztlich gab es britische Soldaten, die Oerlinghausen als Wohnort so sympathisch fanden, dass sie sich nach ihrem Militärdienst ganz in der Bergstadt niederließen.