Oerlinghausen. Erst das Fernsehen, jetzt die Zeitung. Ryusuke macht keinen Hehl daraus, dass er eigentlich viel lieber noch länger in der Offenen Ganztagsgrundschule (OGS) in Lipperreihe geblieben wäre. "Wir haben Fangen gespielt, waren auf dem Spielplatz", erzählt der Sechsjährige. Salat habe es zu essen gegeben, "Fisch, Reis und große Tomaten". Seit fast einem Jahr lebt der kleine Japaner mit seiner Mutter Miki Bannai in Oerlinghausen. Beide haben sich hier bestens eingelebt. Ihr Herzenswunsch ist es, zu bleiben, doch da gibt es ein Problem.
Am Sonntag, 11. März, jährt sich die Atomkatastrophe von Fukushima zum ersten Mal. Trotz der Risiken blieben die meisten Japaner im Land. Miki Bannai entschied sich anders, wollte ihren kleinen Sohn auf keinen Fall den gesundheitlichen Risiken aussetzen. Dank der Initiative "ProJapan" und des Einsatzes der Oerlinghauserin Heike Weidhase kamen die 33-Jährige und Ryusuke am 1. April nach Berlin. Seit dem 12. Mai leben Mutter und Sohn bei Brigitte und Harald Förster in der Südstadt.
Spontan hatte sich das Ehepaar nach dem Aufruf entschieden zu helfen und ist froh darüber, diesen Schritt getan zu haben. "Eine große Bereicherung" sei das Miteinander, das gegenseitige Voneinander lernen, beschreibt Brigitte Förster, die sich ebenso wenig wie ihr Mann vorstellen kann, dass Miki und Ryusuke bald nicht mehr da sein sollen.
Am 3. März ist das Sprachkurs-Visum von Miki Bannai abgelaufen. "Eine Verlängerung war leider nicht möglich", sagt Heike Weidhase. Bis zum 25. Mai kann sich die Japanerin noch als Touristin in Deutschland aufhalten. Danach bliebe nur noch das Kirchenasyl.
Dabei standen die Aussichten auf eine Aufenthaltsverlängerung zwischendurch gut. Miki Bannai, die zertifizierte Physiotherapeutin ist, hätte in einem Massagesalon, der am Simonsplatz entstehen sollte, arbeiten können. Aus gesundheitlichen Gründen wird es den Salon aber nicht geben. "Etwas anderes zu finden, ist ganz schwierig", bestätigt Brigitte Förster und Heike Weidhase ergänzt: "Wir suchen händeringend nach einer Arbeit für Miki." In der Pflege womöglich oder als Köchin. "Wer eine Idee hat, der soll sich bitte melden."
Miki Bannai hat regelmäßig Kontakt zu ihrer Familie in Japan. Sie selbst kommt aus Matsumoto in der Präfektur Nagano, 280 Kilometer entfernt von Fukushima. Ihre Eltern leben in Kashwa (Präfektur Chiba) nur 200 Kilometer entfernt vom Ort der Reaktorkatastrophe, die das Leben nach wie vor bestimmt. Viel atomaren Niederschlag habe es in der Heimat der Eltern gegeben, erzählt Miki Bannai. "Eine Menge Fernsehteams sind dort gewesen."
Mittlerweile führten sie zwar wieder ein einigermaßen normales Leben. Ohne Geigerzähler gehe aber nichts. Weil der Bedarf so groß gewesen sei, sei man mit der Produktion gar nicht nachgekommen. Miki Bannai weiß: "Die Lage in Japan ist immer noch unsicher."
In Deutschland lernt sie nach und nach die Sprache, singt im Kirchenchor. Viele gemeinsame Unternehmungen hat es gegeben.
Picknick im Weberpark, Ausflug in den Safaripark, nach Olderdissen, Lemgo, Lüneburg und Holland. "Dass man andere Länder nicht wie in Japan nur mit Schiff oder Flugzeug erreichen kann, war für Miki eine große Überraschung", erzählt Brigitte Förster. Sie und ihr Mann, Heike Weidhase, ihre Töchter und Eltern sind für Miki Bannai "meine deutsche Familie". Und die hofft, ebenso wie die Japanerin und ihr Sohn, dass der Aufenthalt auf lange Sicht gesichert werden kann.