Oerlinghausen

"Das Menschliche nicht vergessen"

IM INTERVIEW: Piet Klocke, Humorist

10.04.2013 | 10.04.2013, 00:00

Vicco von Bülow, Loriot, war einer der bedeutendsten Humoristen Deutschlands.

KLOCKE: Absolut richtig, ja.

Er hat Sie geschätzt, war aber ganz anders als Sie. Loriot war Perfektionist, bei dem jedes Wort, jede Geste geplant war. Bei Ihnen wirkt vieles improvisiert. Ist das so?

KLOCKE: Überwiegend. Ich bin eher der Sprache und weniger der Szenerie verpflichtet. Ich habe mir die Widersprüchlichkeit der Sprache, deren Unbill und die Möglichkeit zum Missverständnis auf die Fahne geschrieben. Damit spiele ich. Ich assoziiere überwiegend, und das ist ja eine Art der Improvisation. Das birgt aber auch immer ein Risiko in sich. Das konnte der große Meister Loriot sich nicht vorstellen, das kam für ihn nicht in Frage. Weil seine Szenen und Sketche eben so auf den Punkt gebracht waren, dass man sie nicht mehr verbessern konnte.Das finde ich gut. Er fand aber auch gut, dass es Menschen gibt, die jonglieren können mit den Gedanken, mit den Ablenkungen.

Mit dem Risiko gehen Sie locker um?

Information

Professor und Musiker

Piet Klocke ist ein redegewandter Gesprächspartner. Sein Alter ego, Professor Schmitt-Hindemith, ist das nicht. Er ist zerstreut, kommt von Hölzchen auf Stöckchen, bringt keinen Satz zu Ende und dennoch Inhalt über. Der Humorist, der sich in der Tradition von Werner Fink, Heinz Erhardt und Karl Valentin sieht, wurde 1957 in Bremen geboren. Er wuchs in Bonn und Essen auf, trat ein Philosophiestudium in Gießen gar nicht erst an ("Als ich hörte, wie die da reden, bin ich gleich wieder nach Hause gefahren."). Ein Studium in Bonn brach er ab, ging für zwei Jahre nach Amsterdam, wo er in mehreren Bands Gitarre spielte.

Zurück in Deutschland komponierte er 16 Jahre lang Musik für Kino- und Fernsehfilme. Durch Auftritte in Fernseh-Comedy-Shows wurde sein Alter ego, Prof. Schmitt-Hindemith, einem breiten Publikum bekannt.

KLOCKE: Klar, so ist das Leben. Ich weiß genau, dass ich manchmal auch nicht gut bin, aber man ist ja auch nicht immer gut drauf.

Sehen Sie sich als Comedian oder als Komödiant.

KLOCKE: Ich mag den Begriff Comedian nicht, weil ich kein Freund von Anglizismen bin. Ich stehe in der Tradition der großen Humoristen wie Loriot. Als ich anfing, bekannt zu werden, wurde ich als Comedian bezeichnet. Das wollte ich nicht. Ich habe mich von Anfang an als Komödianten oder Humoristen gesehen. Das ist der treffende Begriff. Aber ich bin da vielleicht ein bisschen übersensibel. Mir ist es eigentlich wurscht, wie die Rasterbezeichnungen sind.

Was zeichnet einen großen Komödianten aus?

KLOCKE: Dass sie das Menschliche nicht vergessen. Die nehmen sich selbst niemals aus. Heute gibt es viele, die den Zynismus nutzen. Das versuche ich zu vermeiden, denn das ist oft Humor auf Kosten anderer. Das gibt es bei mir nicht.

Wie viel Schmitt-Hindemith steckt in Piet Klocke?

KLOCKE: Doch schon sehr viel, sonst hätte ich den nicht so machen können. Ich bin auf einem neusprachlichen Gymnasium groß geworden. Wir bekamen das Latinum gelehrt und gerade durch Latein habe ich mir den Satzaufbau sehr zu Herzen genommen. Diese Verschachtelungen – damit bin ich heute noch zugange. Also: ,Nachdem die Römer, während die Gallier . . .’ und dann nochmal unten drunter, ,obwohl die . . .’ – und dann kommen doch wieder die drei Satzteile zusammen. Das war eine sprachlich-geometrische Übung, nach der ich auch heute noch vorgehe.