Oerlinghausen. Mit rieselndem Laub und nebeliger Witterung herrscht passende Herbststimmung auf dem Tönsberg. Nur verschwommen sind die Buchstaben "DJH" für "Deutsche Jugendherberge" im Giebel des alten Hauses, Auf dem Berge Nummer 11, durch den Nebel zu erkennen. Passend ist das deshalb, weil der Landesverband Westfalen-Lippe des DJH jetzt mitteilte: Die Jugendherberge Oerlinghausen wird zum Ende des Jahres geschlossen.
"Insbesondere ländliche Standort haben schon seit einiger Zeit zu kämpfen", erklärt Wolfgang Büttner, Geschäftsführer des DJH-Landesverbandes. "Wo früher die Natur rundherum und die tollen Wandermöglichkeiten als Pluspunkt für solche Standorte gesehen wurden, fehlt heute das urbane Umfeld, in dem Jugendliche abends in Diskotheken oder Bars ziehen können." Zu Beginn des Jahres war man in Oerlinghausen noch optimistisch, die benötigten Übernachtungszahlen von rund 8.000 zu erreichen. Doch dann kam der Einbruch. "Die Zahl sinkt in diesem Jahr voraussichtlich auf rund 5.500", so ist es in der Pressemitteilung des Landesverbandes zu lesen.
Seit 1935 ist das Haus Nummer 11 an der steilen Kopfsteinpflaster-Straße eine Jugendherberge. Die 127 Betten, verteilt auf 25 Zimmer haben so manchen Schüler- und Jugendgruppen als Übernachtungsmöglichkeit gedient. "Hier ist ganz deutlich die gesamtgesellschaftliche demographische Entwicklung zu spüren", sagt Wolfgang Büttner. An vielen Standorten gebe es eben einfach nicht mehr so viele junge Menschen, die ein Herbergs-Angebot in Anspruch nehmen. "Auch die Ansprüche sind gestiegen", ergänzt Büttner. "Was vor drei bis vier Jahren noch okay war, ist heute ein Ausschlusskriterium für manche Jugendliche – zum Beispiel, sich die Nasszelle mit mehreren auf einem Gang zu teilen."
Um die Herberge in Oerlinghausen in einen angemessenen und zeitgemäßen Zustand zu versetzen, wären Investitionen zwischen 1,5 und 1,7 Millionen Euro nötig gewesen. "Diese Tatsache und die rückläufigen Übernachtungszahlen haben uns dazu gebracht, die Konsequenzen zu ziehen", so Büttner. Für eine Vollzeit-, eine Teilzeit- und mehrere 400-Euro-Kräfte, die in der Jugendherberge auf dem Tönsberg beschäftigt sind, werde nun versucht, eine sozialverträgliche Lösung zu finden.
Was einerseits als Ursache für die Schließung angeführt wird, ist andererseits eine echte Besonderheit der Herberge gewesen. "Viele Gäste haben vor allem geschätzt, dass sie hier eine Jugendherberge vorfanden, wie man sie von früher kennt", berichtet Florian Friedrichs, Assistent der Hausleitung in Detmold und Oerlinghausen. Aber die Nostalgiker seien eben einfach nicht in ausreichender Zahl gekommen.
Derzeit ist die Herberge übrigens auch geschlossen – zunächst nur vorübergehend, wegen eines Wasserschadens. Friedrichs: "Ab dem 20. Oktober bis Ende des Jahres haben noch ein paar Gruppen gebucht. Und dann ist Schluss."