Oerlinghausen(get). Erstaunlich ist, in welchem Maß das Wirken einer einzigen Person das Bild und die Geschichte einer ganzen Stadt beeinflussen kann. Ein Mann, der Oerlinghausen maßgeblich geprägt hat, war Carl David Weber. Auf den Spuren des Textilunternehmers wandeln anlässlich des Tages des offenen Denkmals interessierte Bürger der Bergstadt.
Weber und seine Nachkommen haben vor allem am Nordhang Oerlinghausens Spuren hinterlassen. Die Müllerburg, die 1891 im Auftrag von Webers Schwiegersohn Bruno Müller erbaut wurde, ist Dreh- und Angelpunkt der fast zweistündigen Führung durch sie Stadt. Das unter dem Eindruck der Rheinromantik entworfene Gebäude passt perfekt zum Thema des Tages des offenen Denkmals: "Romantik, Realismus, Revolution - Das 19. Jahrhundert".
Geleitet werden gut 30 heimatgeschichtlich Interessierte von Inge Berghoff und Klaus Ober. "Die Führung ist von uns ganz privat anlässlich dieses Tages organisiert worden", sagt Berghoff. Sie und Ober haben in rund sechsmonatige Recherchearbeit die Geschichte der Familie Weber/Müller aufgearbeitet - und dabei sogar einige Fehlerchen in bisherigen Stadtchroniken aufgespürt.
"Bei Jahreszahlen und Namen von Architekten scheint es kleine Ungenauigkeiten zu geben", verrät Berghoff. Neben fachkundigen Informationen zu den diversen Nutzungen der Müllerburg, haben die beiden auch bildliches Anschauungsmaterial mitgebracht, welches das Gebäude in den verschiedenen Phasen ihrer Entstehung und Umbauten zeigt.
Anschließend wird ein kurzer Abstecher zur Kopf-Villa von Richard Müller gemacht, die der Müllerburg schräg gegenüberliegt. Die im Stil der Neuen Sachlichkeit erbaute und kürzlich erst liebevoll renovierte Villa war zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein hochmodern eingerichtetes Haus, inklusive Zentralheizung und Wasserspülung.
Weiter geht es über die Webertwete (der Name leitet sich vom Plattdeutschen Wort für Zwei, Twee, ab und bezeichnet hier den Grenzweg zwischen zwei Grundstücken) hinter den zurzeit geschlossenen, Weberpark. Berghoff und Ober wissen auch hierzu allerlei Details zu erzählen. Die alten Produktionsstätten der Firma Carl Weber & Co. sind der nächste Anlaufpunkt. Einst wurden dort bis zu 1.500 Menschen beschäftigt, und Leinenstoffe aus Oerlinghausen waren begehrt. So gehörte zu Webers Kunden auch das hawaiianische Königshaus.
Nach kurzem Halt an den Stadtwerken, an deren Gründung Mitglieder der Familie Weber beteiligt waren, findet die Führung ihren Abschluss auf dem Friedhof an der Rathausstraße, auf dem viele Mitglieder der Familien Weber und Müller ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.
INFORMATION
Ein Tag für das kulturelle Erbe
Seit 1993 findet in Deutschland der von der "Deutschen Stiftung Denkmalschutz" koordinierte Tag des offenen Denkmals als nationaler Beitrag zu den European Heritage Days statt. Seit 1999 steht der, stets am zweiten Sonntag im September stattfindende Tag unter einem bundesweit einheitlichen Thema. Dies lautet 2011: "Romantik, Realismus, Revolution – Das 19. Jahrhundert". Die Führung zur Müllerburg ist eines von insgesamt 64 Angeboten im Kreis Lippe. In direkter Nachbarschaft findet in Leopoldshöhe eine Radwanderung zu vier Gutshöfen im lippischen Westen statt.