OERLINGHAUSEN

"Du stinkst!"

Wie sehr Ausgrenzung einen Menschen verletzen kann

02.06.2010 | 02.06.2010, 00:00
Thomas Sellin und Michaela Sauerwald erzählen mit den Mitteln des Theaters von Mobbing und seinen Folgen. - © FOTO: LAHR
Thomas Sellin und Michaela Sauerwald erzählen mit den Mitteln des Theaters von Mobbing und seinen Folgen. | © FOTO: LAHR

Oerlinghausen. Die Sommerferien in Schweden sind um. Lena freut sich auf ihre Freundin Maria, der sie lange Briefe geschrieben hat. Doch die Wiedersehensfreude wird schnell getrübt. In der Schule ist nichts mehr wie vorher. Ihr Platz neben Maria ist besetzt. In den Pausen lachen ihre Freundinnen über ihr stinkendes Kuhfladen-Erlebnis im Urlaub, das Maria breitgetreten hat. Lena wird langsam aber sicher mürbe gemacht . . .

In der Turnhalle der Heinz-Sielmann-Schule erleben die Fünft- bis Siebtklässler die anfangs noch heitere "Geschichte von Lena" als Theaterstück. Michaela Sauerwald und Thomas Selling vom Bielefelder Trotz-alledem-Theater (TAT) schlüpfen in alle Rollen, wechseln mühelos die Perspektiven, um das Martyrium von Lena darzustellen, die in ihrer Klasse zum Mobbing-Opfer wird. Dazu benötigen sie nur ganz wenige Requisiten - zwei Stühle, ein Tisch, ein Bank - reichen aus, um die Ausgrenzung sichtbar zu machen.

Immer stiller wird es, als Lena - die sich nur ihrem Tagebuch anvertraut - schließlich zu Hause ausreißt und die Geschichte auf ein beklemmendes Finale hinausläuft, das jedoch ergebnisoffen gehalten ist. Die beiden Schauspieler zeigen ihrem jungen Publikum eindrucksvoll und nachdrücklich, wie schnell die Stimmung im Klassenverband umschlagen kann, wie schnell man selbst Opfer von Mobbing werden oder sich als Voyeur mitschuldig machen kann.

"Wir möchten die Jungen und Mädchen für das Thema sensibilisieren", erläutert Michaela Sauerwald im Anschluss an die Aufführung. Nach Schätzungen von Experten wird in Deutschland mittlerweile jeder zehnte Schüler gemobbt. Subtil oder ganz offenen werden sie über einen längeren Zeitraum Opfer von sozialer Isolation.

Nach der Aufführung finden heute Workshops mit denTAT-Schauspielern und einzelnen Klassen statt. Die Nachbereitung des Stückes ist ein Teil, ansonsten werden die Kinder spielerisch aufgeklärt, was Mobbing bedeutet. In Rollenspielen stellen sie selbst dar, wie schnell ein Gerücht umgeht und jemandem zum Außenseiter stempelt. "Die Schüler haben absolut Lust dazu, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen", erzählt Michaela Sauerwald aus Erfahrung. "Ganz viele Kinder haben Ausgrenzung schließlich schon am eigenen Leib erfahren."

Auch wird darüber diskutiert, wie man Lena, die schließlich einen Selbstmordversuch unternimmt, als Mitschüler hätte helfen können. "Es geht in erster Linie um Zivilcourage, Loyalität und Stärkung der Klassengemeinschaft", sagt Sauerwald. Aber auch um Selbstbehauptung, Ich-Stärkung und Hilfe zur Selbsthilfe. www.trotz-alledem-theater.de