
Warburg. Ein Blick auf den mannshohen Kinoprojektor, Baujahr 1954, in seinem Wintergarten und die Erinnerungen sind wieder da: Horst Schnitzmeier denkt an die Filmnächte mit Schmalzbrotpausen, Kinohits wie Titanic und an viel Handarbeit, wenn er auf das Gerät schaut. Denn der 52-jährige Warburger war Kinovorführer im ehemaligen Deli-Kino an der Kasseler Straße. Eine Zeit spannend wie ein Krimi - allerdings ohne Happy End.
"Kino lässt mich nicht mehr los - ich bin infiziert", sagt der Warburger. Dass der metallgrüne Projektor der Firma Friesener und Höpfner Wohl sein Zuhause schmückt, hat aber vor allem etwas mit seinem ehemaligen Beruf zu tun: Für Horst Schnitzmeier war der riesige Projektor von 1982 bis 1998 sein Arbeitsgerät - als Kinovorführer.
Der letzte Akt
Die Freude am Film möchte Horst Schnitzmeier 2013 mit anderen teilen. Er plant eine Kino-Veranstaltung unter freiem Himmel. Wann und wo genau, das möchte er in Kürze bekannt geben. (jbö)"Donnerstags war immer Schneidetag", weiß er noch über seine Zeit im Deli. Die neuen Filme starten an diesem Wochentag und für den Vorführer hieß das vor allem eins: Stress. Werbung für den Vorspann zusammenschneiden, die Filmakte, angeliefert auf verschiedenen Rollen, zusammenkleben. Alles mit Schere und Fingerspitzengefühl. Während die Zuschauer schon in ihren Kinosesseln auf den Beginn des Films warteten, musste Horst Schnitzmeier oben im Vorführraum noch Feinarbeit leisten. "Wie ein Countdown", erinnert er sich.
Viele Filme spielte das Deli vor ausverkauftem Haus: Titanic war 1998 mit 8.000 Zuschauern der meist gespielte Film. La Boum 2 wollten sie ebenfalls vor großem Publikum spielen. 150 kreischende Jugendliche warteten darauf, dass es losging. "Aber der Film war nicht da", weiß Schnitzmeier noch.
Bei den Filmnächten kamen die Besucher um 22 Uhr und schauten dann gleich mehrere Stücke hintereinander - bis morgens um 5 Uhr. Nur Schmalzbrotpausen hätten diese "tollen Nächte", wie der 52-Jährige sagt, unterbrochen.
1998 fiel der letzte Vorhang. Das Deli, nach dem Umbau mit drei Sälen für über 300 Besucher, schloss. Vor allem die Schallisolierung war nicht mehr zeitgemäß. Der 52-Jährige erläutert: "Explodierte etwas im Film in Saal 1, dann hörte Saal 2 das Ganze sofort mit."
Am 1. November 1998 legte er zum letzten Mal den Film ein: 22.35 Uhr, es lief Der Soldat James Ryan. Die Spielzeit, der Abend, für Schnitzmeier unvergesslich. "Ein gebürtiger Warburger ist extra aus München angereist, um die letzte Vorstellung im Deli zu sehen", erzählt er. Als der Film zuende war, schnitt sich der Warburger ein Stück Erinnerung ab: "End of Part 9", das Ende des Filmstreifens. Dieses Andenken besitzt Horst Schnitzmeier heute noch. "Es war traurig, dass es zuende ging im Deli, aber es war nicht mehr abwendbar."
Hätten sich die Schlinkers - die Familie betreibt die Warburger Kinos seit Generationen - damals nicht auf das neu gebaute Cineplex konzentriert, "dann gäbe es heute kein Kino mehr in Warburg."
Nach dem Schluss im Deli hat Horst Schnitzmeier noch im Cineplex am Oberen Hilgenstock gearbeitet. Dort wurde auf digital umgestellt. "Das war nicht mein Ding", sagt er. Mittlerweile arbeitet er als selbstständiger KfZ-Mechaniker. Fan von Kino und Film ist er geblieben. Deshalb auch der 60 Jahre alte Projektor in seinem Wintergarten. Die Gebrauchsspuren des Gerätes - es war in einem Kino in Ostdeutschland im Einsatz - hat er nicht überlackiert. Legt er die alte Filmrolle eines Werbevorspanns ein und kurbelt das Gewinde an, dann knattert die Maschine und wirft die Bilder an die Wand. Das Kino von früher, das vor allem für einzigartiges Flair steht, lebt für ihn auch heute noch.
Denn Horst Schnitzmeier zitiert Charlie Chaplin: "Solange es dunkel wird im Kino, wird es nie sterben."