Warburg. Anna ist eine aufgeweckte 13-Jährige. Sie spielt Fußball, ist immer viel mit Freunden unterwegs. Keine Anzeichen einer Krankheit, geschweige denn zweier kranker Nieren. Bis zum Februar 2011, als plötzlich ihre Nieren versagen. Heute, ein Jahr nach der Nierentransplantation, ist die mittlerweile 15-jährige Warburgerin wieder kerngesund.
Es ging alles ganz schnell: "Innerhalb einer Woche wurde aus meiner gesunden Tochter ein krankes Kind", sagt Annas Mutter Birgit Bußmann. 13 Jahre lang war Anna nichts anzumerken. "Plötzlich hab ich den ganzen Nachmittag geschlafen, war total schlapp, hatte Kopfweh", erinnert sich Anna. Ihre Mutter reagiert prompt und schickt Anna zum Arzt; er soll ein Blutbild machen. "Das war an einem Freitag", weiß Birgit Bußmann noch wie heute.
Am darauffolgenden Montagabend, Anna war gerade am Vokabellernen, klingelt das Telefon. Der Arzt ist dran: Anna solle sofort ins Krankenhaus nach Kassel, die Blutwerte seien nicht in Ordnung. Erst bleibt Birgit Bußmann gelassen: "Ich dachte noch: Na gut, dann fahren wir morgen früh eben nach Kassel, heute Abend machen die eh nichts mehr." Der nächste Anruf schockiert: Das Klinikum in Kassel will, dass Anna sofort kommt. "Dann sind wir sofort los."
Entscheiden
Am 1. November ist der Startschuss für die sogenannte Entscheidungslösung gefallen – ein weiterer Schritt der neuen Organspende-Reform.
Bürger sollen sich entscheiden, ob sie ihre Organe im Todesfall spenden möchten. Die Krankenkassen verschicken innerhalb der nächsten zwölf Monate Informationsmaterial und Organspendeausweise.
Wenn keine Entscheidung dokumentiert ist, werden die Angehörigen gefragt. Doch die haben es oft noch schwerer, eine Entscheidung im Sinne des Betroffenen zu treffen.(cap)
Die Ärzte sind ratlos, behandeln Anna wie ein sterbenskrankes Kind. "Wir wussten überhaupt nicht, was los ist", sagt Bußmann. Dienstag und Mittwoch muss Anna an die Dialyse - ein mehrstündiges Reinigungsverfahren des Blutes, das normalerweise gesunde Nieren übernehmen.
Ein Experte in Hannover soll Anna dann untersuchen. "Auf der Fahrt hatten wir endlich Zeit, mal miteinander zu reden. Vorher wurde Anna ständig getestet, kontrolliert, untersucht", sagt Annas Mutter. Am Wochenende fängt Anna an, sich zu übergeben. Am Montag darauf versagen ihre Nieren. "Ab dann war klar, dass Anna eine neue Niere braucht."
Von einem auf den anderen Tag hat Anna kein normales Leben mehr. "Dreimal bin ich pro Woche nach Hannover gefahren zur Dialyse", erzählt die 15-Jährige. Denn für Kinder benötigt es spezielle Geräte, da sonst die Venen Schaden nehmen können. Morgens um 11 Uhr holt sie ein von der Krankenkasse bezahltes Taxi ab, bringt sie für sechs Stunden nach Hannover und wieder zurück nach Warburg. "Das ist ein herber Einschnitt", sagt Mutter Birgit. Und trotzdem: "Es ging bei Anna zum Glück nie um Leben und Tod. Nur darum, auf eine Spenderniere zu warten."