HOHENWEPEL

7.000 Jahre alte Welt entdecken

Grabungsteam des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe legt Gräberfeld bei Hohenwepel frei

Die Leiter der Ausgrabung, Maria Hahne und Dr. Hans-Otto Pollmann, an einer Grabstelle mit Erzeugnissen aus einer Zeit vor 7.000 Jahren. Das Gräberfeld bei Hohenwepel soll komplett freigelegt werden. | © FOTO: PAUL GERLACH

06.09.2012 | 06.09.2012, 00:00
Student Daniel Kanthak trägt Erdschicht um Erdschicht ab.
Student Daniel Kanthak trägt Erdschicht um Erdschicht ab.

Hohenwepel. Auf den ersten Blick sind es nur Flecken im Boden, doch der Überraschungsfund auf dem Feld von Landwirt Christian Peine bei Hohenwepel ist eine archäologische Sensation: Auf der 1.000 Quadratmeter großen Grabungsfläche haben die Wissenschaftler des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) mindestens 20 Gräber der linienbandkeramischen Siedler entdeckt. Die Experten erwarten einmalige Ergebnisse.

"Für die Linienbandkeramik in Westfalen ist die Verknüpfung von Siedlung und Gräberfeld, wie wir sie hier in Hohenwepel vorfinden, einzigartig", schildert Ausgrabungsleiter Dr. Hans-Otto Pollmann. Bis zur Entdeckung des Gräberfelds vor einem Jahr war in ganz Westfalen kein Gräberfeld der frühesten mitteleuropäischen bäuerlichen Kultur bekannt.

Information

Linienbandkeramische Siedler

Die Menschen dieser Zeit waren die ersten, die Ackerbau und Viehzucht in Europa betrieben haben.

Ihren Namen hat die Epoche von der Keramik geerbt, die in dieser Zeit besonders beliebt war: Becher und Krüge waren mit markanten Linienbändern verziert.
´In Hohenwepel haben die ersten Bauern und Viehzüchter eine mit mehreren Gräben befestigte Siedlung gegründet und die Äcker bewirtschaftet.
Unweit der rund zwölf Hektar großen Siedlungsfläche haben die LWL-Archäologen der Außenstelle Bielefeld im vergangenen Jahr auch die zur Siedlung gehörenden Gräber entdeckt.

Ein Sondage-Schnitt bestätigte, dass die an der Oberfläche gefundenen 70 Steinbeile aus diesen Gräbern stammen.

Pollmann als wissenschaftlicher Leiter, Maria Hahne als technische Leiterin und vier Studenten graben nun bis Mitte Oktober und setzen nach dem Winter ihre Arbeit ab April 2013 fort, bis das Gräberfeld freigelegt ist.

Das Team erhofft sich wertvolle Erkenntnisse, wie die Menschen rund 5.000 Jahre vor Christus in Westfalen gelebt, wie sie ihre Toten bestattet haben und wie reich sie waren. Weitere Untersuchungen werden dazu beitragen, dass die Wissenschaftler ein Bild von der Ausdehnung des Feldes, der Verteilung und der Anzahl der erhaltenen Gräber zu bekommen. "Wir hoffen außerdem, am Ende auch Angaben über die Einwohnerzahl der befestigten Siedlung aus der linienbandkeramischen Zeit zu erhalten", sagt Pollmann, der die Zahl der Bewohner zum jetzigen Stand der Erkenntnisse auf 150 schätzt. Die Siedlung habe etwa 200 Jahre existiert. Die Daten, die jetzt gesammelt werden, sollen als Ergänzung zu den Ergebnissen der archäologischen und geomagnetischen Erfassung der befestigten Siedlung dienen, die in den vergangenen Jahren bereits dokumentiert wurden (die NW berichtete).

Die linienbandkeramischen Siedler betteten ihre Toten in rechteckige Grabgruben ein, die bis zu 1,50 Meter lang und 0,50 Meter breit sind. Die Körper wurden zumeist in hockender Position auf der Seite liegend bestattet. Die Überreste der Menschen sind fast vollständig verschwunden: Die Entkalkung des Bodens hat dafür gesorgt, dass sich die Knochen nahezu vollständig aufgelöst haben. Nur die Zähne blieben erhalten und geben Aufschlüsse, wie die Toten in ihren Gräbern gelegen haben.

Unberührt von der Zeit bleiben auch die Steinbeile, die den Toten mit ins Grab gegeben wurden. Pfeilspitzen oder Klingen aus Feuerstein entdecken die Forscher ebenfalls in den Gräbern. Über die Jahrtausende bleiben auch Gefäße aus Keramik erhalten.

"Die Warburger Börde war der Schwerpunkt dieser Kultur", sagt Pollmann. Um zu verhindern, dass die Funde durch Ackerbau und Erosion in den nächsten Jahrzehnten zerstört werden, wird nun das gesamte Gräberfeld erforscht. "Es ist ein faszinierendes Gefühl, wenn man weiß, dass man der Erste ist, der diese Fundstücke nach Jahrtausenden anfasst", sagt Maria Hahne.