WELDA/WARBURG

Aus der Feder der Ferdinande

Vor 175 Jahren wurde die Schriftstellerin Ferdinande von Brackel in Welda geboren

24.11.2010 | 24.11.2010, 00:00
Cuno Freiherr ist der Urgroß-Neffe von Ferdinande von Brackel. Zu seinem Erbe gehört sowohl das Portrait, auf welchem die Schriftstellerin im Alter von 17 Jahren zu sehen ist, als auch das schmucke Sofa aus ihrer Geburts- und Schaffensstätte, dem Schloss Welda. - © FOTO: SANDRA WAMERS
Cuno Freiherr ist der Urgroß-Neffe von Ferdinande von Brackel. Zu seinem Erbe gehört sowohl das Portrait, auf welchem die Schriftstellerin im Alter von 17 Jahren zu sehen ist, als auch das schmucke Sofa aus ihrer Geburts- und Schaffensstätte, dem Schloss Welda. | © FOTO: SANDRA WAMERS

Welda/Warburg. Cuno Freiherr von Brackel setzt sich auf sein Sofa im Arbeitszimmer und klopft auf das dicke Polster: "Darauf hat schon Ferdinande von Brackel gesessen", freut sich der Urgroß-Neffe der berühmten Schriftstellerin. Links neben dem Sofa an der sonnengelben Wand hängt das Bildnis der Baronesse von Brackel, die am heutigen Tag vor genau 175 Jahren in Schloss Welda geboren wurde.

Ferdinande von Brackel gilt unter Literaturwissenschaftlern als die "talentvollste und bedeu-tendste der katholischen Schriftstellerinnen" in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Viele ihrer Leser zählen ihre Schöpfungen zu den "besten Leistungen des weiblichen Schrifttums überhaupt". Damit ging die Autorin mit einem großen Interesse für soziale Fragen in die deutsche Literaturgeschichte ein. Trotzdem sucht man ihren Namen im Unterschied zu Annette von Droste-Hülshoff aus dem benachbarten Münster in den wichtigsten literaturwissenschaftlichen Nachschlagewerken vergeblich.

Die Freiin wurde am 24. November 1835 auf Schloss Welda geboren. Ihr Vater war ein reicher Gutsbesitzer, der seinen Kindern viele Freiräume gab. Tochter Ferdinande war ein kränkliches Kind, das vom Dorfpfarrer unterrichtet wurde und früh eine innige Beziehung zur Literatur entwickelte. Sie las viel, begeisterte sich für die Schöpfungen von Emanuel Geibel, der in romantischer Verklärung dichtete sowie als Übersetzer antiker Literatur Verdienste erwarb. Sie verfasste schon früh eigene Gedichte analog zu ihrem Vorbild. Dazu schrieb sie als 17-Jährige ihren ersten Roman. Die Familie tolerierte die literarischen Ausflüge der Freiin, die sich krankheitsbedingt lange auf das heimische Schloss und die Heimatregion beschränkte.

Information

Werke und Würdigungen

Neben Annette von Droste-Hülshoff gilt Ferdinande Maria Theresia Freiin von Brackel als berühmteste Schriftstellerin Westfalens. In "Die Warte" Nr. 27 von 1966 wurde ihr Werk ausführlich gewürdigt. Danach wurde die Autorin auch im Westfälischen Literaturführer aufgenommen. Die Baronesse veröffentlichte über 20 Bücher. Eine Auswahl: Am Heidstock, Aus fernen Landen, Daniella, Die Enterbten, Heinrich Findelkind, Im Streit der Zeit, Der Lenz und ich und du, Letzte Ernste, Nicht wie alle anderen, Prinzeß Ada, Der Spinnlehrer von Carrara, Die Tochter des Kunstreiters, Vom alten Stamm, Wem gebührt die Palme. Darüber hinaus schrieb von Brackel eine Autobiographie unter dem Titel "Mein Leben". (sw)

In den Kriegsjahren 1864, 1866 und 1870 begeisterte sie sich politisch für ein starkes Preußen als Führungsmacht in Deutschland und für die Reichseinigung unter preußischer Führung. Die deutsche Einigung war ihr sehr wichtig. Dazu gesellten sich im wachsenden Maße sozialkritische Fragen aus einer kirchlichen Sicht. Das schlug sich in Versen und in Prosa nieder, was ihr das Lob bekannter Schriftstellerkollegen bis hin zu Emanuel Geibel eintrug.

Die Schriftstellerei war für eine Frau und noch dazu für eine Freiin schon aus Standesgründen eher ungewöhnlich. Entsprechende Vorurteile hatte auch bereits Annette von Droste-Hülshoff erfahren. Ferdinande von Brackel hatte weit weniger Selbstbewusstsein als die Kollegin. Doch an Hartnäckigkeit stand sie ihr nicht nach. Nachdem sie sich zuerst verstärkt der Versdichtung gewidmet hatte, lag in der zweiten Lebenshälfte das Schwergewicht auf der Prosa. Mit Erfolg.

Nach "Heinrich Findelkind" brachte ihr der Roman "Die Tochter des Kunstreiters", der 1875 erschien, den großen Durchbruch. Schlagartig war die aufstrebende Autorin in aller Munde. Es gab Nachauflagen und das Buch wurde in fünf Sprachen übersetzt. Ein internationalen Bestseller. Die kränkliche Freiin, die die Gesellschaft eigentlich scheute und schriftstellerte, war nun wer. Von der "Tochter des Kunstreiters" schwärmt auch ihr Ahne, Cuno von Brackel: "Eine tolle Liebesgeschichte."

Der 62-jährige Jurist ist ihr Sammler. Über 100 Bücher der Baronesse hat er in seiner Bibliothek, ebenso viele Manuskripte. "Sie schrieb nicht nur viel, sondern auch sehr groß", erzählt von Brackel. Ihre Schreiberei hatte Ferdinande auch einen Spitznamen eingebracht. "Die Tinte hat ihr Onkel, der Jesuiten-Pater Franz, sie genannt." Die Autorin starb 1905 in Paderborn. Ihr Grab ist in Welda.