Scherfeder Pfarrer feiert Diamantenes Priesterjubiläum

Warburg. Im Fernsehen diskutieren Moderatoren und Experten die erste Halbzeit. &bdquo;Zwei zu null“, sagt Wilhelm Klur, greift zur Fernbedienung, lässt das Bild von der Mattscheibe verschwinden. Deutschland gegen Marokko, der ehemalige Pfarrer von St. Vincentius in Scherfede schaut sich die Spiele der Frauen-WM im TV an. Nicht erst seit gestern. Auch für die Zukunft der Kirche spielten die Frauen eine tragende Rolle, schlägt der Priester den Bogen. Heute vor 60 Jahren legte der gebürtige Siegerländer im Paderborner Dom mit 31 weiteren Seminaristen sein Weiheversprechen ab, ließen ihn die aufgelegten Hände des Erzbischofs zum Priester werden. In Diensten der katholischen Kirche. &bdquo;Ein doppeltes Jubiläum“, bemerkt der 85-Jährige. Denn seit einem halben Jahrhundert seien auch die Scherfeder Gläubigen seine Heimat. &bdquo;Ich habe gepflanzt, Gott ließ es wachsen“, sagt er inzwischen wieder auf dem Sofa Platz genommen. &bdquo;Weder der, der pflanzt, noch der, der begießt, sondern nur Gott lässt es wachsen.“ Ein Gedanke, der im Korinther-Brief Eingang in die Bibel fand. Für Klur das Leitwort, unter das er damals zur Primiz seinen Dienst gestellt hatte. Der Pfarrer zieht ins Küsterhaus Der begann in Menden, in der Heilig-Kreuz-Gemeinde. Vier Jahre später ereilte den Pastor die Nachricht von der Versetzung nach Büren. Dort ist für sechs Jahre tätig. Nach der Vikarszeit überträgt ihm der damalige Diözesanadministrator, Weihbischof Degenhardt, die Pfarrstelle in Scherfede. Klur wird mit 34 Jahren der jüngste Pfarrer in der Paderborner Erzdiözese. Anfang Dezember 1973 wird er eingeführt. Und es wird eine lange Zeit des seelsorgerlichen Wirkens im Ort: Knapp 35 Jahre später, im Februar 2008, verabschiedet sich Klur in den Ruhestand. Der Pfarrer hatte zahllose Spuren hinterlassen, die bis heute sicht- und spürbar sind. Er blieb, weil er sich wohlfühlte, sagt er, zog aus dem Pfarrhaus den Berg hinauf ins Küsterhaus. &bdquo;Und habe mich damit verbessert.“ Der Weg zur Pfarrkirchpforte sei kürzer geworden, blickt er aus dem Fenster über die schmale Straße aufs nördliche Kirchenschiff. Die Zeit, die ihn prägte Das Zweite Vatikanische Konzil (1962 bis 1965) habe seinen Weg geprägt, sagt er und erinnert sich an die erste Woche der Versammlung in Rom. Da weilte der Paderborner Seminarist in der Ewigen Stadt, erlebte die feierliche Eröffnung mit. Papst Johannes XXIII. hatte Kardinäle, Bischöfe, Theologen zu Beratungen eingeladen. Frischer Wind sollte durch die alten kirchlichen Gemäuer ziehen. Eine Aufbruchstimmung, die allerorten zu spüren war. Von den Sitzungsperioden im Petersdom zurückgekehrt, berichten die Professoren ihren Studenten. Ihre Worte und diese Zeit wird Klur prägen. &bdquo;Josef Ratzinger war als Theologe dabei“, blickt er zurück. Der Zugang zum Priesterberuf würde ein anderer sein als zuvor, zitiert er den späteren Papst Benedikt XVI. Als Kirchenoberhaupt habe er dies dann nicht wiederholt, merkt Klur heute kritisch an. Angesichts des erschreckenden Rückgangs der Priesterzahlen werde die Kirche nicht ohne die Laien, &bdquo;einschließlich der Frauen“, die in den Gemeinden Leitungsfunktionen übernähmen, auskommen. Wie dies heute bereits in Ländern wie Brasilien oder der Schweiz der Fall sei. Das Konzil habe die Verantwortung betont, &bdquo;die alle gemeinsam tragen“. Stolz sei er immer noch auf die hohe Beteiligung seiner Scherfeder Gläubigen bei den Wahlen zu den neu eingerichteten Pfarrgemeinderäten, hält Klur für sich fest. Für ihn stehe fest: Der gewaltige Vertrauensverlust, den die Kirche seit Jahren erlebe, habe nicht nur im Skandal der Missbrauchsfälle ihren Grund. &bdquo;Die Kirche hat auch verloren, weil sie den Frauen viel zu wenig Beachtung geschenkt hat“. &bdquo;Immer noch ein vielseitiger Beruf“ Der katholische Pfarrer sei &bdquo;immer noch ein vielseitiger Beruf“, wirft Klur ein, bei dem niemand alleine stehe, denkt er an den Nachwuchs und die Erfahrung, sich auf die Mitarbeit der Gemeindemitglieder stützen zu können. Der von der deutschen Kirche eingeschlagene Synodale Weg, &bdquo;das, was das Konzil einst wollte“, wolle die Einheit und &bdquo;keine Kirche der Kleriker wie zuvor“. Dabei sollten doch Frauen eine wichtige Rolle spielen, fordert der Seelsorger. &bdquo;Sie sind es doch in erster Linie, die Gemeinden lebendig halten.“ Geboren im 800-Seelen-Ort Irmgarteichen nahe Nephten pflegte der Scherfeder Pfarrer in den Jahren das Reisen. In Fernost traf Klur 1985 auf einen Steyler Missionar, der ebenfalls aus dem Siegerland stammte. Klur pflegt den Kontakt, viele Spenden aus Warburger Land fließen nach Manila. Der neue Kindergarten in der philippinischen Metropole erhält den Namen St. Vincentius. &bdquo;Den Namen unserer Gemeinde“, sagt Klur nicht ohne Stolz. Früher seien Pilger nach Scherfede gekommen, um vor der Statue des Heiligen in der Kirche zu beten. Zeit zum Reisen und zum Lesen Zu Fuß ist er selbst auf Wallfahrt unterwegs. Auf dem Jakobsweg, jeweils 700 Kilometer von Le Puy in Frankreich bis an den Rand der Pyrenäen und ein zweites Mal von dem Gebirgszug quer durch Nordspanien zum Grab des Apostels nach Santiago de Compostela. In der kommenden Woche wird Klur durchs hessische Bergland in die alte Heimat zu den beiden Brüdern fahren. Zum jüngeren und älteren trennt ihn jeweils ein Jahr. Er nehme sich heute die Zeit zum Lesen, die er früher nicht gehabt habe, sagt Klur und zieht die Erinnerungen des Sekretärs von Papst Benedikt und ein Buch des Münchner Pfarrers Rainer Maria Schießler unter einem aufgetürmten Stapel theologischer Zeitschriften hervor. Zwei, drei Mal die Woche steht er beim Gottesdienst am Altar, besucht seine Schäfchen in den umliegenden Seniorenheimen in Scherfede nur wenige Meter vor seiner Haustür, in Rhoden, Volkmarsen, Rimbeck und Warburg. Dass die Gemeinde auf dem Gelände der Zehntscheune an der Rosenmarienstraße ein neues mit modernen Standards errichten wird, freut ihn. Vertrauen auf das Wirken Gottes und ein Auftakt nach Maß Ob er heute noch einmal den Lebensweg als katholischer Geistlicher einschlagen würde? &bdquo;Ich weiß es nicht“, wird der Jubilar ein wenig nachdenklich. Wenn keine Aussicht bestünde, &bdquo;dass sich die Kirche reformiert, nur Stillstand herrscht . . .“, bricht er den Satz ab. Aber auch eine kleine Menschenzahl könne die Welt verändern, sagt der Priester dann. &bdquo;Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt“, denkt er an ein Jesu-Wort aus dem Evangelium, das zuversichtlich stimme. Solang das Vertrauen da sei, das Gott den Glauben wachsen lasse, &bdquo;solang lebt auch Kirche“. Klur weist auf die Wohnzimmertür. Die zweite Halbzeit in der australischen Hauptstadt hat schon lang begonnen. Dem deutschen Frauen-Team wird ein WM-Auftakt nach Maß gelingen.

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