Prozessauftakt gegen Warburger Automatensprenger: Suche nach Gerechtigkeit

Paderborn/Warburg-Ossendorf. Raum 205 des Paderborner Landgerichts mutet ein wenig sakral an. Die dunklen Holzbänke fürs Publikum erinnern an Kirchenbänke, nur die Vorrichtung zum Hinknien fehlt. Die Bleiglasfenster zeigen abstrakte Darstellungen, hauptsächlich in Violetttönen gehalten. Gesichter sind zu sehen, eine Waage und, deutlich hervorstechend, das Wort "Gerechtigkeit" auf feuerrotem Grund. Das ist das hehre Ziel in diesem Raum: Gerechtigkeit. Doch auch die nobelsten Ansinnen werden ab und an von etwas sehr Profanem aufgehalten. Einem umgekippten Viehtransporter auf der A33 zum Beispiel. Der Angeklagte, Jeremiah A. (Name geändert), der momentan in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede untergebracht ist, stand samt des Personals, das ihn zum Gericht fahren sollte, im Stau. Genauso wie weitere Verfahrensbeteiligte. Die Vorsitzende Richterin Anne Zacharias verschob den Prozessauftakt deswegen erst einmal um 30 Minuten auf 9 Uhr. Es sollte dann noch einmal zehn Minuten dauern, ehe es wirklich losging mit der Suche nach der Gerechtigkeit. Begleitet von zwei Justizvollzugsbeamten wird Jeremiah A. in den Gerichtssaal geführt. Er trägt einen dunkelblau-schwarzen Kapuzenpullover, an dem ein paar neongelbe Applikationen angebracht sind. Als er sieht, dass ihn Presse erwartet, zieht er sich die Kapuze tief ins Gesicht. Sein Verteidiger, Leif Artkämper, reicht ihm eine dünne Papierkladde, hinter der sich der Angeklagte verbergen kann. Als das Blitzlicht vorüber ist, wird auch die Mappe nicht mehr benötigt. Jeremiah A. ist 28 Jahre alt und lebte zuletzt in Amsterdam, wo er auch geboren wurde. Er hat eine Dolmetscherin an der Seite, die ihm die Anklageschrift und alles, was sonst noch gesprochen wird, simultan übersetzt. Zwischendrin erscheint noch A.s zweite Verteidigerin, Christina Peterhanwahr. Sie eilt hastig an die Seite des Angeklagten. So soll sich die Tat abgespielt haben Im Folgenden rekapituliert Staatsanwältin Kathrin Lohmeier die Ereignisse des 7. und 8. Dezember 2022, die Amsterdam ausgerechnet mit der Warburger Ortschaft Ossendorf verbanden. Am 7. Dezember gegen 22 Uhr sollen Jeremiah A. und zwei unbekannte Komplizen in Amsterdam in einer "hochmotorisierten Mercedes-Limousine" losgefahren sein, Richtung Osten. Nicht direkt in den Kreis Höxter, sondern zunächst mit Zwischenstopp in Hamm-Heessen, wo die Männer ein Nummernschild gestohlen und damit ihren niederländischen Mercedes in ein deutsches Kfz umetikettiert haben sollen. Womöglich, um mitten in der Nacht weniger aufzufallen. Von Hamm aus sollen sie nach Ossendorf gefahren sein, die Adresse, so schildert es die Staatsanwältin, hätten sich die Männer vorab schon herausgesucht. Der Angeklagte habe den gesamten Coup "maßgeblich organisiert". Als sie ihr Ziel, die Volksbank-Filiale in Ossendorf, erreicht haben, sollen sich Jeremiah A. und ein unbekannter Komplize, der nur als "schlank" beschrieben wird, mit Sturmhauben maskiert und den in der Filiale befindlichen Geldautomaten mit einem "Blitzknallsprengsatz" von außen in die Luft gejagt haben. Dabei sei am Gebäude ein Schaden von 60.000 Euro und in der Filiale von weiteren 50.000 Euro entstanden. Die Überreste des Automaten spuckten 42.120 Euro aus, die Jeremiah A. und sein Komplize eingesammelt und in einer schwarzen Sporttasche deponiert haben sollen. Auf dem Weg zum Fluchtauto sollen die Männer aber bereits einen Teil des Geldes verloren haben. 2.760 Euro in bunten Scheinen verteilten sich auf dem Asphalt. Und noch mehr ging schief: Während der unbekannte "schlanke" Komplize in den Fluchtwagen einsteigen konnte, gelang dies Jeremiah A. nicht. Weil inzwischen zwei Polizeibeamte am Tatort angekommen waren. Einer von ihnen soll dem Angeklagten die Autotür vor der Nase zugeschlagen haben. Der Fluchtwagen soll zwischenzeitlich umgesetzt haben, doch auch ein zweiter Versuch A.s, ins Wageninnere zu gelangen, wurde von einem der beiden Beamten vereitelt, so die Anklage. Mutmaßlicher Täter verliert die Beute In der Folge soll es zu einer Art körperlicher Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und den Polizisten gekommen sein. Dabei soll Jeremiah A. auch versucht haben, einen "Schlag gegen den Kopf" eines der Beamten auszuführen. Die Beamten sollen den Angeklagten überwältigt und fixiert haben, wobei auch die Tasche mit dem gestohlenen Geld zu Boden gefallen sein soll. Während A.s Komplizen unerkannt entkommen konnten, wurde der 28 Jahre alte Niederländer festgenommen. Neben der Beute seien auch verschiedene Handys sichergestellt worden. Der Angeklagte mache zunächst keine Angaben, erklärt Verteidigerin Christina Peterhanwahr daraufhin. Sie bat das Gericht stattdessen um ein "Rechtsgespräch" nebenan. Möglicherweise mache der Angeklagte danach bei einem der weiteren Prozesstermine eine Aussage. "Wir sind immer gesprächsbereit", antwortete Richterin Zacharias. Der nächste Verhandlungstermin, ein sogenannter "Sprungtermin", der in erster Linie dazu dient, bestimmte Fristen einzuhalten, ist auf den 27. Juni festgesetzt. Der nächste "richtige" Verhandlungstag soll dann am 18. Juli beginnen.

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