Warburg. Kino muss etwas Großes sein. Mit diesem Gedanken hat Cineplex-Besitzer Dr. Heribert Schlinker in den 1990er Jahren Weitsicht bewiesen - und wagte den Schritt zum Bau des großen Kinos am Oberen Hilgenstock. Seine Familie hat sich dem Lichtspiel verschrieben. In der vierten Generation zeigen die Schlinkers den Besuchern seit 100 Jahren die neusten Filme auf der Leinwand. Schon Heribert Schlinkers Großvater August sagte: "Das hat Zukunft, das wird was".
März 1914, August Schlinker, Besitzer der Gaststätte "Neue Heimat" in Annaburg, Sachsen-Anhalt, bemerkt, dass der Kinovorführer, der jede Woche eine Vorstellung in dem großen Saal seines Gasthofes gegeben hat, nicht mehr kommt, sein Equipment aber da gelassen hat. "Das kann ich auch", dachte sich Schlinker. Und er sollte recht behalten. Seinen ersten Stummfilm zeigte er am 1. April. Die Musik dazu kam live von einem Pianisten und einem Geiger. Heribert Schlinker erinnert sich noch gut an die Erzählungen seines Großvaters. "Der Saal war wohl immer rappelvoll."
Während des Ersten Weltkrieges war August Schlinker als Soldat an der Front, wurde verwundet und kehrte nach Annaburg zurück. "Seitdem zeigte er regelmäßig Filme", sagt Heribert Schlinker. Die Technik entwickelte sich rasant. Die Filme seien länger und besser geworden, hätten Geschichten erzählt. "Die Menschen strömten in die Kinos", sagt Schlinker. "Für meinen Großvater war das die Zukunft. Er erkannte das Potenzial des Lichtspiels." Deswegen habe er in den 1920er Jahren in ganz Deutschland nach großen Sälen gesucht, in denen er ein Kino installieren konnte.
Seine Wahl fiel auf die Warburger Gaststätte "Alt-Warburg" - damals "Gasthof Bremer". Am 1. Oktober 1926 eröffnete er die "Warburger Lichtspiele", das spätere "Filmtheater am Stern". "Eine Eintrittskarte kostete damals 80 Pfennig", weiß Schlinker. 1929 kam der Tonfilm. August Schlinker investierte in aufwendige Technik und führte das Kino erfolgreich bis zu seinem Tod 1952. Sein Sohn Dr. Rudolf Schlinker, Heribert Schlinkers Vater, setzte die Tradition fort.
"Nur ein Saal war damals aber nicht mehr genug", erinnert sich Schlinker. Deswegen übernahm sein Vater zusätzlich die "Desenberg Lichtspiele" (Deli) an der Kasseler Straße. Der Saal mit 400 Plätzen ergänzte das Kinoangebot in der Stadt. "Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es einen Filmstau", erinnert sich Schlinker. "Von 1939 bis 1945 durften keine Filme aus den USA in deutschen Kinos gezeigt werden." Erst 1947 mit der Einführung der D-Mark liefen die ersten amerikanischen Kinofilme auch wieder in Deutschland. Schlinker: "Den Klassiker ?Vom Winde verweht? haben wir hier mit elf Jahren Verspätung gezeigt."