Zum Aktionstag gegen Glücksspielsucht: Wenn Verlieren zur Sucht wird

Holzminden/Kreis Höxter. In der Kneipe ist es recht dunkel. Schummrig. Gespräche, Gelächter, Musik im Hintergrund. Und dort steht er. Blinkt rot, blau oder gelb, dudelt sich wiederholende Melodien. Es ist ein guter Abend, ein Gewinner-Abend. Kein Zweifel. Heute Abend wird er besiegt, der Spielautomat. So oder so ähnlich schildern Spielsuchterkrankte die Anziehungskraft des Automaten. Trotz Online-Angeboten rund um die Uhr erreichen Klaus Biemelt, Leiter der Sucht- und Jugendberatung Step in Holzminden, hier in der Region vor allen Dingen Anfragen von Automatenspielern. &bdquo;Das Spielen steht in dem Moment im Vordergrund, die Folgen und Probleme, die das Spielen verursacht, werden ausgeblendet." Aus Spieler und Automat werde eine Einheit, berichtet Biemelt, die Betroffenen gerieten in eine Art Rauschzustand – durchaus vergleichbar mit anderen Suchterkrankungen wie der Alkohol- oder Drogensucht. &bdquo;Die positiven Gefühle während des Spielens ändern sich im fortgeschrittenen Verlauf der Spielsucht dahingehend, dass der Rauscheffekt abnimmt. Es geht dann nur noch um das Spielen selbst, wie in einer Art Zwang muss der Drang zu Spielen befriedigt werden", erklärt der Experte. Jeder verfügbare Euro muss in den Automaten gesteckt werden. Für die Suchtkranken könne es zu einem zunehmenden Problem werden, Geld zu beschaffen, um die Sucht zu befriedigen. &bdquo;Hohe Schulden können die Folge sein." Zum Aktionstag gegen Glücksspielsucht hat die NW die Sucht- und Jugendberatung in Holzminden besucht, die auch Spielsuchterkrankte sowie deren Angehörige berät und ambulant behandelt. Nach Biemelts Erfahrungen ist Glücksspielsucht im Kreis Holzminden, für den seine Einrichtung zuständig ist, ein Problem eher der Erwachsenen. Bei Jugendlichen spielten häufig andere Suchtmittel eine Rolle. Cannabis zum Beispiel. &bdquo;Cannabis ist für Jugendliche heute leicht zu bekommen, wer konsumieren möchte, hat in der Regel kein Problem, an den Stoff zu kommen." Was ist Sucht und was nicht? Spielsucht ist, wie Biemelt erklärt, eine Verhaltenssuchterkrankung. In Abgrenzung zu sogenannten stoffgebundenen Suchterkrankungen wie der Alkohol- oder Drogensucht. Dennoch weisen alle Suchterkrankungen ähnliche Dynamiken auf, wie der Experte erklärt. Aber was heißt es eigentlich, süchtig nach etwas zu sein? &bdquo;Wir unterscheiden zwischen schädlichem Gebrauch, Missbrauch und psychischer sowie körperlicher Abhängigkeit", sagt Biemelt. Unter schädlichem Gebrauch versteht der Fachmann den Konsum eines Genussmittels wie Alkohol über den Genuss und die Verträglichkeit hinaus. Also die Flasche Wein im Gegensatz zu einem oder zwei Gläsern zum schicken Abendessen. Missbrauch von Alkohol liege vor, wenn er zeitlich begrenzt zur Kompensation genutzt werde. &bdquo;Jemand ist ein Vierteljahr in einer tiefen Krise, weil er den Arbeitsplatz verloren hat und konsumiert in dieser Zeit verstärkt Alkohol, um diese Situation besser zu ertragen. Das löst natürlich das Problem nicht, nur subjektiv wird es als leichter empfunden. Bleibt es bei dem zeitlich begrenzten Missbrauch, wird nach der Krise wieder moderat Alkohol konsumiert", gibt Biemelt ein Beispiel. Dauert das Verhalten, einem schlechten Gefühl mit Alkohol zu begegnen, an, handele es sich um eine psychische Abhängigkeit. Wobei der Alkohol dafür sorge, dass der Betroffene den Eindruck hat, es ginge ihm besser. Auf Dauer entwickeln sich so Mechanismen, Verhaltensmuster. Der Griff zur Flasche wird zur Selbstverständlichkeit. &bdquo;Häufig in Verbindung mit einer Dosissteigerung", weiß Biemelt, &bdquo;weil die frühere Menge nicht mehr ausreicht". Hinzukommen kann im weiteren Verlauf noch eine körperliche Abhängigkeit, die sich bemerkbar macht, sobald dem Suchtkranken der Stoff nicht mehr zur Verfügung steht. &bdquo;Tremor, Schweißausbrüche", zählt Biemelt auf. Kurz: Entzugserscheinungen. Bei der Spielsucht ist es nicht so, dass ein Betroffener permanent, wenn er nicht spielt, ans Spielen denkt, erklärt Biemelt. Aber es gibt Auslöser. Zum Beispiel verfügbares Geld. Der Weg raus aus der Spielsucht Die Erkenntnis, dass Geld nicht zwangsläufig in den Spielautomaten wandern muss, ist deshalb ein wichtiger Schritt für Betroffene, die sich in Behandlung begeben. Spieler müssten neu Freude daran entdecken, Geld für Hobbys auszugeben, für neue Kleidung, einen Urlaub, für ihre Angehörigen oder einfach daran, dass am Monatsende überhaupt noch Geld da ist. Aber diese neue Lebensqualität steht nicht am Anfang einer Behandlung. Viele Betroffene, die den Weg in die Holzmindener Beratungsstelle an der Nordstraße finden, kommen auf Drängen von Angehörigen oder anderen Personen, die ihnen nahestehen. Das heißt: Die Motivation der Suchtkranken hält sich häufig erst einmal in Grenzen. &bdquo;Die Wirksamkeit einer Behandlung steht und fällt jedoch mit der Motivation der Betroffenen", weiß Biemelt. Was er aber entschieden zurückweist, ist der Mythos, ein Suchtkranker müsse erst &bdquo;ganz unten" sein, bevor ihm geholfen werden könne. Das stimme nicht. Bei der Behandlung von Spielsucht sei es wichtig, dass Angehörige die Geldverwaltung für den Erkrankten übernähmen. &bdquo;Für viele Betroffene bedeutet das in der Regel eine Entlastung, da sie dadurch kein Geld zum Spielen zur Verfügung haben", sagt Biemelt. Suchtkranke müssten außerdem Verhaltensweisen oder Skills erlernen, um mit dem Suchtdruck umgehen zu können. &bdquo;Die können ganz unterschiedlich sein. Es geht darum, die Zeit bis zum Nachlassen des Suchtdrucks durch andere Verhaltensweisen zu überbrücken." Die wichtige Erfahrung: Das geht. Chancen einer erfolgreichen Therapie sind gut Therapie können Betroffene ambulant oder stationär in Spezialkliniken erhalten. Solch ein Aufenthalt dauere in der Regel drei Monate. Mit Einzel-, Gruppen- und Kreativtherapie, beruflicher Wiedereingliederung und weiteren Maßnahmen. &bdquo;Nach dem Aufenthalt in einer Fachklinik bieten wir weitere ambulante Unterstützung in Form einer Nachsorge an, um das in der stationären Behandlung Erreichte im Anschluss unter Alltagsbedingungen umsetzen zu können." &bdquo;Die Behandlungserfolge sind gut", berichtet Biemelt, &bdquo;die Chancen für die Betroffenen, nach erfolgter ambulanter oder stationärer Behandlung ein suchtfreies Leben führen zu können, sind grundsätzlich gut, sofern sie die in den Behandlungen erlernten Veränderungen auch langfristig umsetzen."

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