KREIS HÖXTER

Geblieben sind Schmerz und Trauer

Heute vor 20 Jahren wurden die Polizisten Jörg Lorkowski und Andreas Wilkending bei Boffzen erschossen

Polizeioberkommissar Karlheinz Schmereim (l.) und Erster Polizeihauptkommissar August Wilhelm Winsmann zeigen die Stelle, an der die entsetzliche Bluttat geschah. | © FOTO: HOFFMANN-WITTENBURG

12.10.2011 | 12.10.2011, 00:00

Kreis Höxter. "Sie kamen, um zu helfen", steht auf dem Gedenkstein, der auf dem Waldparkplatz im Rottmündetal zwischen Boffzen und Neuhaus an die Ermordung der Holzmindener Polizeiobermeister Jörg Lorkowski (30) und Andreas Wilkending (34) erinnert. Sie waren zur Aufnahme eines Wildunfalls gerufen worden. Routine, nichts Besonderes. Doch der vermeintliche Notruf war eine Falle - ein mörderischer Hinterhalt. Mit 13 Schüssen aus einem Gewehr wurden die arglosen Polizisten eiskalt erschossen - von Brüdern aus Bredenborn. Die Beamten hatten keine Chance.

20 Jahre danach hat das bronzefarbene Schild Patina angesetzt. Nicht so die Erinnerung an das besonders perfide Kapitalverbrechen, tief eingebrannt durch das Entsetzen über die Tat, die ganz Deutschland damals erschütterte.

Geblieben sind auch Schmerz und Trauer der Hinterbliebenen, denen durch den Tod der Familienväter mit jeweils zwei kleinen Kindern, unermessliches Leid zugefügt wurde. Darüber zu sprechen tut manchmal gut, aber oft tut es auch nur weh, weil das Schreckliche wieder aufgewühlt wird. "Das geht nie vorbei", sagt Maria Lorkowski (75).

"Es holt mich immer wieder ein." Es war ihr 35. Hochzeitstag, an dem Maria und Siegried Lorkowski ihren Sohn Jörg verloren. "Wie immer wollten wir mit den Kindern gemeinsam essen." Es gab kaum einen Tag, an dem Jörg nicht kurz im Elternhaus vorbeischaute. So auch am Vortag seines Todes. "Bis morgen", verabschiedete er sich. "Vor Dienstbeginn um 22 Uhr wollte er noch zum Fußballtraining." Er kam nicht wieder.

Seit 20 Jahren besucht Maria Lorkowski täglich das Grab ihres Sohnes. "Das geht nie vorbei. Es holt mich immer wieder ein", sagt die 75-jährige Lüchtringerin. - © FOTO: HOFFMANN-WITTENBURG
Seit 20 Jahren besucht Maria Lorkowski täglich das Grab ihres Sohnes. "Das geht nie vorbei. Es holt mich immer wieder ein", sagt die 75-jährige Lüchtringerin. | © FOTO: HOFFMANN-WITTENBURG

Und für seine junge Familie und seine Eltern begann die schrecklichste Zeit ihres Lebens. Maria Lorkowski erzählt von der Verzweiflung und der quälenden Zeit vom mörderischen Überfall auf die Polizeibeamten bis zu ihrem Auffinden, von der unsäglichen Belastung des Prozess mit nicht nachvollziehbaren 120 Verhandlungstagen, an dem sie und ihr Mann teilgenommen haben. "Bis auf die Zeit, in der ich nach einem Zusammenbruch plötzlich auf der Intensivstation aufgewacht bin", ergänzt sie trocken. Lebhaft erinnert sie sich an ihre Aussage im Prozess.

"Darum habe ich gekämpft, das wollte ich unbedingt, damit endlich auch die Opfer eine Stimme bekommen. Und damit dieser Mörder nie wieder rauskommt." Wie sie diese Kraft aufgebracht hat, weiß sie nicht mehr. "Meine Knie haben aneinandergeschlagen, und das Herz hat so laut geklopft. Aber ich habe es geschafft. Weil ich es unserem Sohn am Grab versprochen hatte."

INFORMATION


Der Zeitablauf

12. Oktober 1991; 2.30 Uhr, Eingang Notruf bei der Polizei. Routinefall: Unfall mit Wildschaden

2.35 Uhr, Übernahme der Polizeiobermeister Jörg Lorkowski (30) und Andreas Wilkending (34), da sie gerade von einem anderen Einsatz zurück und in der Nähe unterwegs waren.

Ab hier gibt es keine Meldungen von den Polizeiobermeistern mehr, die in einem dunkelroten Passat, einem Zivilstreifenwagen, auch "Hilde 10-35" genannt, den Einsatz übernommen haben.

4.30 Uhr, Fund von Blut und eindeutigen Spuren auf ein Verbrechen. Kollegen nicht aufzufinden.

16. Oktober 1991: Festnahme der Brüder J. in Bredenborn – Dietmar J. wurde an der Stimme erkannt.

18. Oktober 1991: Fund der ermordeten Polizisten auf dem Truppenübungsplatz in der Senne – 1 km vom ausgebrannten Auto entfernt.

9. September 1992: 1. Verhandlungstag – insgesamt 180 Verhandlungstage, Prozeßdauer: 2,5 Jahre.

Die Tat geschah mit mit einer Salve aus einem G-3-Gewehr der Bundeswehr, das bei Überfällen auf Kasernen in Augustdorf (1987) und Stadtoldendorf (1988) erbeutet wurde.

Die Suchaktion war mit über 100 Beamten, mit Hunden und Hubschraubern und auch der Wasserschutzpolizei eine der größten Suchaktionen der Kriminalgeschichte in der Region.

Strafen: Dietmar J. (30) bekam lebenslänglich mit anschließender Sicherheitsverwahrung im Hochsicherheitstrakt in Celle. Manfred J. (27) wurde zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt; der jüngste Bruder (26) war nicht beteiligt – er ging straffrei aus.(rho)